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# taz.de -- Klimaexperte über Flut in Pakistan: „800.000 Nutztiere sind vere…
> Mehr als 1.000 Menschen sind tot, Millionen auf der Flucht. Die Folgen
> des Klimawandels kann Pakistan nicht allein bewältigen, sagt Klimaexperte
> Fahad Saeed.
Bild: Motor- versus Wasserkraft in Nowshera, Pakistan. Ein Drittel des Landes s…
taz: Herr Saeed, über 33 Millionen Menschen sind von den derzeitigen Fluten
in Pakistan betroffen, mehr als 1.100 Menschen verstorben. Warum sind in
diesem Jahr die Überschwemmungen während des Monsuns so schwerwiegend?
Fahad Saeed: Die aktuelle Wetterlage wird durch das Klimaphänomen ENSO, die
sogenannte El Niño Southern Oscillation, ausgelöst. Derzeit erleben wir im
äquatorialen Pazifik einen La-Niña-Zyklus. Einerseits erwärmt sich
Oberflächenwasser im Pazifik, andererseits kühlt es ab. Die dadurch
aufsteigende heiße Luft sorgt für starken Regen und kann zu folgenschweren
Naturkatastrophen führen, wie wir sie gerade in Form von Überschwemmungen
in Pakistan erleben.
Ist das mit den schweren Fluten von 2010 vergleichbar?
Vor 12 Jahren gab es ebenfalls ein La-Niña-Phänomen im äquatorialen
Pazifik, was starke Niederschläge zur Folge hatte. Aber in diesem Jahr
kommt noch eine Anomalie der Meeresoberflächentemperatur im Indischen Ozean
hinzu. Beide Phänomene sind dafür bekannt, dass sie mehr Feuchtigkeit aus
dem Ozean auf das Land bringen. Was die Verwüstung angeht, stehen wir vor
größeren Herausforderungen. 2010 waren schätzungsweise 15 bis 20 Millionen
Menschen betroffen. Aber bei dieser Flut sind es bereits 33 Millionen
Menschen. Der damalige Schaden 10 Milliarden US-Dollar wird wohl
überschritten. Und wir erleben gerade aufeinander folgende Katastrophen. In
den Monaten März und April hatten wir eine noch nie dagewesene Hitzeperiode
mit bis zu 50 Grad im Land, die große Teile Pakistans und einige Teile
Indiens erfasste.
Sie konnten belegen, dass diese Hitzewelle durch den Klimawandel 30-mal
wahrscheinlicher geworden ist. Gibt es diese Hinweise auch bei den
Überschwemmungen?
Aufgrund meiner Erfahrung kann ich sagen, dass der Klimawandel diese Art
von Ereignissen wahrscheinlicher macht. Er verschlimmert sie. Im jüngsten
Bericht des Weltklimarats IPCC wurde darauf hingewiesen, dass Wetterextreme
mit der steigenden Erderwärmung wahrscheinlicher geworden sind. Dabei sind
wir erst bei einer Erderwärmung von 1,2 Grad Celsius und noch nicht bei
1,5, dem Ziel des Pariser Abkommens. Wenn diese Fluten vorbei sind, sollte
unbedingt eine ähnliche Analyse wie die der Hitzewelle durchgeführt werden.
Von Landwirten hört man oft Beschwerden, dass es nun kürzer, aber heftiger
regnet. Können Sie das bestätigen?
Die Schwankungen bei den Niederschlägen nehmen in der Tat zu. So ist zum
Beispiel in diesem Jahr während der Monsunzeit in der Provinz Belutschistan
die Niederschlagsmenge 300 Mal höher als der Durchschnitt. In der Provinz
Sindh ist es 400 Mal höher als der Durchschnitt. In diesen beiden Regionen
fällt während des Monsuns sonst kaum Niederschlag.
Wer ist am stärksten betroffen?
Es trifft vor allem die ärmere Bevölkerung. Schätzungsweise eine Millionen
Häuser wurden zerstört. Es gibt nun die Sorge, dass sich Durchfall, Cholera
und Dengue-Fieber ausbreiten.
Wie stark sind die Auswirkungen die Landwirtschaft? Fast 800.000 Nutztiere
sind verendet, dabei sind sie die Lebensgrundlage für so viele. Wir sollten
nicht vergessen, dass Pakistan ein Agrarland ist, das während der
Hitzewelle in diesem Jahr bereits fast drei Millionen Tonnen Weizen
verloren hat. Das sind 10 Prozent der Weizenproduktion. Es gab Waldbrände
und einen Gletscherbruch. Auch die Obstplantagen litten. Damit ist Pakistan
mehr und mehr auf Importe aus dem Ausland angewiesen. Zudem hat das Land
mit politischer und wirtschaftlicher Instabilität zu kämpfen.
Pakistan hat mit Sherry Rehman immerhin eine Klimaschutzministerin, aber
reicht das aus?
Es gibt neben dem Ministerium für Klimawandel in Islamabad in jeder Provinz
eine Katastrophenschutzbehörde. Doch wie wirksam sie sind, ist eine andere
Frage. Für jedes Land mit niedrigem und mittlerem Einkommen und sogar für
Industrieländer ist es sehr schwer, mit dieser Art von Extremen fertig zu
werden. Es ist wirklich höchste Zeit, dass Industriestaaten Ländern wie
Pakistan helfen, die Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren, indem sie
ihnen zumindest die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, die sie
benötigen, um sich auf diese Art von Katastrophen vorzubereiten. Wir müssen
unsere Infrastruktur klimaresistenter gestalten, auf nachhaltiges Wohnen
setzen und widerstandsfähigere Pflanzen einführen. Bei den kommenden
Klimagespräche im November in Ägypten ist daher der Tagesordnungspunkt
namens „Verluste und Schäden“ wichtig
Kommt mittlerweile immerhin Fluthilfe in Pakistan an?
Es gibt internationale NGOs, die derzeit vor Ort sind, und auch die
Regierung leistet einen Teil der Unterstützung, um den Menschen zu helfen,
die im Moment in der Flut gestrandet sind. Aber das Ausmaß der Zerstörung
ist gewaltig, sodass wir viel Hilfe von internationalen Gebern benötigen
werden, um die Menschen zu rehabilitieren und ihre Häuser wieder
aufzubauen.
31 Aug 2022
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Überflutung
Pakistan
Schwerpunkt Klimawandel
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Schwerpunkt Afghanistan
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Pakistan
Kolumne Poetical Correctness
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