Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Klima und Allergien: Energieschub für die Pollen
> Die Klimakrise verstärkt das Risiko an Heuschnupfen und Asthma zu
> erkranken. Woran liegt das und was können wir dagegen tun?
Bild: Die Haselnuss blüht oft schon im Dezember
Viele Menschen fürchten sie, die Pollenflugzeit. [1][In Deutschland leiden]
fast 15 Prozent der Erwachsenen an Heuschnupfen, bei allergischem Asthma
sind es rund 9 Prozent. Bereits Kinder und Jugendliche haben mit den
Allergien zu kämpfen. Die Frühlingsluft genussvoll in die Lungen zu atmen,
kann mit tränenden Augen und Atembeschwerden enden.
Was jetzt schon ein Problem ist, wird sich in den kommenden Jahren und
Jahrzehnten noch verstärken, sagen Fachleute. Die Pollen werden wohl immer
früher und länger fliegen. [2][Schuld daran ist der Klimawandel, der die
Grundbedingungen für die Pflanzen verändert] – und damit auch ihr
Verhalten. Höhere Temperaturen, gemeinsam mit dem natürlichen Düngemittel
Kohlenstoffdioxid, sorgen für [3][ausgedehnteres Wachstum und intensivere
Blütezeiten]. Und so beginnen Frühblüher wie Hasel oder Erle nun schon oft
im Winter, die ersten Pollen loszuschicken.
Dazu kommt: Luftverschmutzung und Trockenheit stressen die Pflanzen. Diese
reagieren darauf mit Strategien, die ihr Überleben sichern sollen. Sie
sorgen dafür, dass die Pollen, also ihre Nachkommen, widerstandsfähiger
werden, und verstärken dabei auch ihre Wirkung als Allergie-Auslöser. Das
lässt sich in wissenschaftlichen Studien im Labor zeigen. Die Allergologin
Claudia Traidl-Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin an der Universität
Augsburg, [4][züchtete mit weiteren Forschenden] beispielsweise
beifußblättrige Ambrosien.
Einige Pflanzen wuchsen mit einer normalen Menge CO2 in der Luft, bei
anderen war die CO2-Konzentration erhöht. Alle anderen Umweltbedingungen
wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Licht waren für die Pflanzen
identisch. Danach analysierte das Forschungsteam die Pollen und fand in den
CO2-verstärkten Proben mehr Stoffe, die Entzündungsreaktionen hervorrufen.
Spezielle Mäuse, die ohnehin schnell allergisch reagieren, bekamen durch
die CO2-Pollen stärkere Entzündungen in der Lunge als bei den normalen
Proben, und menschliche Zellen produzierten besonders viele
entzündungsfördernde Stoffe.
## Zusätzliche Allergene
Dass auch Luftverschmutzung durch Stoffe wie etwa Stickoxide die Atemwege
angreift, ist bekannt. Gelangen sie in den Körper, fördern sie dort
Entzündungen. Weniger sicher ist, welche Partikel möglicherweise
allergische Reaktionen verstärken können, sagt Jeroen Buters,
stellvertretender Direktor des Zaum-Zentrums für Allergie und Umwelt und
Professor an der Technischen Universität München: „Der Schwellenwert für
Luftschadstoffe für eine Allergie ist nicht bekannt.“
Noch eine weitere Eigenschaft von Pflanzen verändert sich durch den
Klimawandel: Sie kommen zunehmend an Orten vor, an denen wir sie bisher
nicht oder kaum angetroffen haben. Und auch das kann zum Problem für
Menschen mit Asthma oder Heuschnupfen werden. Einerseits, weil es
zusätzliche Allergene sind, die unser Immunsystem noch nicht kennt.
Andererseits, weil manche der Neuankömmlinge besonders schnell Allergien
hervorrufen.
Die bereits erwähnte beifußblättrige Ambrosie, auch Ragweed genannt, ist so
ein Kandidat. Nur wenige Pollen pro Quadratmeter reichen aus, um bei
sensitiven Menschen einen Asthma-Anfall auszulösen. Daher auch der
Spitzname „Asthma-Pflanze“. In manchen europäischen Ländern wie Ungarn und
der Ukraine ist sie schon verbreitet, und auch über Österreich [5][kommt
sie Deutschland näher].
Noch findet sich das Ragweed hierzulande eher selten, doch Studien gehen
davon aus, dass es sich in absehbarer Zeit in der [6][Bundesrepublik
ausbreiten wird]. Ebenso wie die als Götterbaum bekannte [7][Ailanthus
altissima]. Der Götterbaum stammt ursprünglich aus Asien und wurde vor
einigen Jahrzehnten vereinzelt als Zierpflanze in Deutschland angesiedelt.
Seitdem verbreitet er sich zusehends, vor allem in größeren Städten. In
Berlin befinden sich bereits messbare Pollenmengen in der Luft.
Die invasiven Arten lassen sich nicht aufhalten, ebenso wenig wie die
Blütezeiten verkürzt oder die Aggressivität der Pollen verringert werden
kann. Dennoch sind wir der Entwicklung nicht hilflos ausgesetzt. Wichtig
ist es, Allergien so früh wie möglich vorzubeugen, sagt Claudia
Traidl-Hoffmann, und zwar mithilfe einer hohen Mikrobiodiversität: „Wir
brauchen ein Training des Immunsystems, und dabei helfen uns ganz viele
unterschiedliche Bakterien.“
## Waldboden gut für das Immunsystem
Das heiße nicht, dass die Kinder alle möglichen Erkrankungen bekommen
müssten. Vielmehr gehe es um die Spielumgebung, die reich an
Kleinstlebewesen sein sollte. „Wenn die Spielplätze in Kindergärten
beispielsweise mit artenreichem Waldboden bedeckt sind, ist das für das
Immunsystem der Kinder [8][besser als gewöhnlicher Sand].“
Gerade da liegt allerdings ein weiteres Problem, denn wir stecken nicht nur
in einer Klima-, sondern auch einer Biodiversitätskrise. Das heißt, wir
verlieren genau den Artenreichtum, der unsere Gesundheit schützt.
Wer bereits eine oder mehrere Allergien entwickelt hat, kann versuchen,
[9][möglichst wenige Pollen abzubekommen]. Konkret funktioniert das
zumindest teilweise durch clevere Urlaubsplanung oder indem Betroffene den
Sport im Freien meiden. Allerdings machen wir es den Menschen häufig
unnötig schwer, sich von Allergie-Auslösern fernzuhalten. So gibt es in
städtischen Wohngebieten und öffentlichen Räumen wie dem Potsdamer Platz in
Berlin gerne Birken-Alleen. Dabei sind Birken die am stärksten allergenen
Bäume in kühlen und gemäßigten Klimazonen, sagt Stefanie Gilles, Leiterin
des Fachbereichs „Umwelt-Immunologie“ an der Universität Augsburg: „Ihre
Pollen sind Auslöser von allergischem Schnupfen und Asthma bei 10 bis 30
Prozent der Bevölkerung.“
Die Innenstädte zu begrünen, ist zwar aus Klimasicht eine gute Idee, aber
wir sollten dabei die Allergien mitdenken. Claudia Traidl-Hoffmann schlägt
vor, bei der Städteplanung Fachleute aus verschiedenen Disziplinen
einzubeziehen. „Neben Stadtplanern, Architekten und Mobilitätsexperten
müssen beispielsweise auch Gesundheitsexperten mitreden.“ Schließlich gibt
es [10][Gewächse mit geringem Allergierisiko], wie etwa die Blasenesche,
der japanische Schnurbaum und der Ginkgobaum.
Gänzlich vermeiden können Betroffene die Pollen schwer, doch Hilfsmittel
können die Tagesplanung unterstützen. Die Stiftung Deutscher
Polleninformationsdienst zeigt auf seiner Webseite aktuelle Entwicklungen
im Pollenflug. Am Tag vor Weihnachten 2022 warnte dort der Pollenanalyst
Matthias Werchan bereits vor den ersten Hasel- und Purpurerlenpollen
[11][der neuen Pollensaison].
Außerdem kann man auf der Seite nach Bundesland geordnet die
Pollenbelastung verschiedener Pflanzen tagesaktuell abfragen und sich
entsprechend darauf vorbereiten. Wer mehr als nur leichte Allergiesymptome
hat, sollte mit seiner Ärztin oder seinem Arzt über den Umgang damit
sprechen, von der Heilung bis zur symptomatischen Behandlung.
6 Mar 2023
## LINKS
[1] https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/UmweltKommission/Stellungnahmen_…
[2] /Die-These/!5748536
[3] https://link.springer.com/article/10.1007/s40629-022-00212-x
[4] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/all.14618
[5] https://link.springer.com/article/10.1007/s40629-015-0060-6
[6] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5332176/
[7] https://link.springer.com/article/10.1007/s40629-022-00228-3
[8] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412021004360
[9] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29438602
[10] https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1059125039
[11] https://www.pollenstiftung.de/news/eintrag/2022-12-23-vorwarnung-erste-pol…
## AUTOREN
Stefanie Uhrig
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Krankheit
Gesundheit
Pflanzen
Hamburg
wochentaz
Gesundheit
Schwerpunkt Gentechnik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gesundheitsrisiken durch Klimawandel: „Wir sind darauf nicht vorbereitet“
Der Klimawandel bringt Hitze und Infektionserreger mit sich. Das bedeutet
erhöhte Gesundheitsrisiken auch für die Menschen hierzulande.
Heuschnupfen breitet sich aus: Haaatschi!
Immer mehr Menschen leiden unter Heuschnupfen. Unser Autor ist seit seiner
Kindheit Allergiker und ruft zum Kettensägen-Aufstand.
Pollensaion in Berlin: Ganz entspannter Start
Für viele Menschen mit Heuschnupfen sinkt die Lebensqualität in der
Pollensaison. Bisher ist die Lage in Berlin noch nicht dramatisch.
Bundesweite Gentechnikverbote: Denn Pollen können fliegen
Ein Gesetzentwurf der großen Koalition sieht vor, dass gentechnisch
veränderte Pflanzen deutschlandweit untersagt werden können.
Demo zum Auftakt der Bonner Biowochen: Pollen kennen keine Grenzen
Während 2.000 Gentechnik-Gegner aus aller Welt demonstrieren, verhandeln
Delegierte darüber, wer für Schäden durch genmanipulierte Organismen haften
muss.
Schadstoffe: Samthandschuhe gegen Allergien
Verbraucherminister Seehofer hat der Plage durch Pollen und Chemikalien den
Kampf angesagt. Sein Plan: Vereinbarungen mit der Wirtschaft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.