# taz.de -- Schadstoffe: Samthandschuhe gegen Allergien | |
> Verbraucherminister Seehofer hat der Plage durch Pollen und Chemikalien | |
> den Kampf angesagt. Sein Plan: Vereinbarungen mit der Wirtschaft. | |
Bild: Sinf`s Pollen oder doch Erbeeren? Der Allergietest klärt auf | |
Jeder dritte Deutsche quält sich mit Allergien herum: Der erste kann keine | |
Erdbeeren essen, ohne dass es juckt. Der zweite wird durch Pollen | |
gepiesackt. Der dritte kriegt Pusteln vom Parfum. | |
CSU-Bundesverbraucherminister Horst Seehofer will nun "die Plage bekämpfen" | |
und stellte gestern einen "Aktionsplan gegen Allergien" vor. | |
Triefende Nasen, tränende und juckende Augen: Der Mensch nimmt immer öfter | |
an sich harmlose Substanzen in Lebensmitteln, Kosmetika und T-Shirts als | |
gefährlich wahr - und reagiert heftig. Etwa 20.000 "reizende" Stoffe haben | |
Mediziner mittlerweile ausfindig gemacht. Im Extremfall verursachen Zutaten | |
im Essen sogar lebensbedrohliche Schocks, die den Kreislauf zusammenbrechen | |
lassen. | |
Auch die Volkswirtschaft leidet. Mediziner der Berliner Universitätsklinik | |
Charité schätzen, dass der Schaden durch Krankentage und Behandlungen | |
europaweit jedes Jahr rund 25 Milliarden Euro ausmache. "Zu teuer", sagt | |
Seehofer. Er will darum "besser schützen, mehr helfen und effektiver | |
vorbeugen". Das hört sich gut an. Nur bleibt der Aktionsplan mit seinen | |
zehn Seiten und sechs "Handlungsschwerpunkten" vage. | |
Zum Beispiel bei "Essen & Genuss". Schon heute müssen, so will es die EU, | |
auf verpackten Lebensmitteln die zwölf wichtigsten allergieauslösenden | |
Stoffe gelistet sein. Darunter: Gluten, Soja oder Nüsse. Darum steht auf | |
Schokoriegeln etwa "kann Spuren von Nüssen enthalten". Seehofer will diese | |
Kennzeichnung ausdehnen - auf lose Ware beim Bäcker, beim Fleischer oder im | |
Restaurant. Der Minister setzt dazu auf eine "freiwillige Vereinbarung mit | |
der Wirtschaft". Das Problem: Eine Zusage von den Verbänden hat er nicht. | |
Bei "Kleidung & Spielzeug" sieht es nicht anders aus. Manche Farbstoffe in | |
T-Shirts oder Schlafanzügen sind schlecht verträglich. Seehofer Idee: | |
"Gespräche mit der Wirtschaft zur Stärkung des Problembewusstseins und | |
Erörterung freiwilliger Maßnahmen." Konkrete Hilfe ist für Allergiker nicht | |
in Sicht. | |
Dafür will Seehofer die Forschung verstärken. So soll zum Beispiel die | |
beifußblättrige Ambrosia, eine Pflanze, die sich seit kurzem in Deutschland | |
ausbreitet, beobachtet werden. Denn die Pollen dieses Traubenkrauts gelten | |
als besonders aggressiv. Zudem sollen Fälle von Lebensmittel und | |
Atemwegsallergien in einer Datenbank gespeichert werden. Wie viel Geld | |
investiert wird, ist allerdings offen. | |
Noch rätseln die Mediziner, wie Allergien genau entstehen. So viel steht | |
aber fest: Vor allem bei Kindern nehmen Allergien zu. Das läge zum einen an | |
zu viel Hygiene - am "übersterilen Aufwachsen", so Jon Genuneit, der am | |
Institut für Epidemiologie der Universität Ulm zu Allergien forscht. Bei | |
Allergikern spiele das Immunsystem verrückt. In der Jugend werde es oft zu | |
wenig trainiert, mit Schmutz zum Beispiel. Kinder, die auf dem Bauernhof | |
aufwachsen und mit Tieren im Stall spielen durften, leiden seltener unter | |
Asthma und Allergien. Zum anderen erhöhten, so sagt Genuneit, "Rauchen, | |
Fastfood oder Abgas das Risiko". | |
Seehofer setzt "vor allem auf Aufklärung und Information der Bevölkerung", | |
sagt er. Im Herbst will er ein Internetportal zum Thema freischalten und zu | |
einer verbraucherpolitischen Konferenz laden. Dort soll der Aktionsplan | |
"diskutiert" und "gegebenenfalls ergänzt" werden. | |
14 Mar 2007 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
Hanna Gersmann | |
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