| # taz.de -- Kinofilm „12 Years a Slave": Eine Geschichte der Gewalt | |
| > Steve McQueen beschreibt in seinem neuen Film die Sklavenhalterkultur der | |
| > Südstaaten. Über die Art und Weise der Inszenierung lässt sich streiten. | |
| Bild: Filmszene aus „12 Years a Slave“ mit Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor | |
| Solomon Northup ist ein freier Afroamerikaner im Bundesstaat New York. Er | |
| hat eine Frau und zwei Kinder, er versteht sich darauf, die Geige zu | |
| spielen, und er kann als Violonist von der Musik gut leben. Doch eines | |
| Tages im Jahr 1841 wird er von zwei Männern angesprochen, die ihm ein | |
| Engagement in einem Zirkus in Aussicht stellen, allerdings nicht im Norden | |
| der USA, wo die Sklaverei abgeschafft ist, sondern in Washington. | |
| Northup reist mit ihnen, und nach einem Abendessen, in dessen Verlauf ihm | |
| etwas Giftiges verabreicht wird und er das Bewusstsein verliert, wacht er | |
| eingesperrt in einer Art Pferch auf. Er wird nach Louisiana verschleppt, wo | |
| er zwölf Jahre lang auf verschiedenen Plantagen arbeiten muss. | |
| Nachdem es ihm gelungen ist, einen weißen Zimmermann dazu zu bewegen, einen | |
| Brief für ihn aufzugeben, durch den seine Angehörigen informiert werden, | |
| wird er schließlich befreit. 1853 veröffentlicht er den Bericht „Twelve | |
| Years a Slave“, einen wichtigen – und auch heute überaus lesenswerten – | |
| Text, der das System der Sklaverei minutiös beschreibt und sich für die | |
| Abolition stark macht. Danach verliert sich Solomon Northups Spur. | |
| Steve McQueen hat sie nun in seinem Spielfilm „Twelve Years a Slave“ | |
| aufgegriffen. | |
| ## Radikale Zäsur | |
| Chiwetel Ejiofor spielt die Hauptfigur. Die chronologische Abfolge der | |
| Ereignisse ist zugunsten eines kunstvollen Systems von Vor- und Rückblenden | |
| aufgehoben, ebenso kunstvoll lässt McQueen Szenen äußerster Anspannung und | |
| Zuspitzung mit solchen wechseln, in denen der Film zu einer beinahe | |
| kontemplativen Ruhe findet. | |
| Nachdem der Dampfer, der Northup und andere versklavte Menschen nach | |
| Louisiana bringen soll, abgelegt hat, sieht man für eine Weile das rötliche | |
| Innere des Dampferrads, die Speichen, die sich unablässig drehen und in das | |
| Wasser hineinschneiden wie Messer, es ist ein radikales Bild für die Zäsur, | |
| die in Northups Leben hineingreift, unterlegt von einem aggressiv | |
| treibenden Soundtrack, für den Hans Zimmer verantwortlich zeichnet. | |
| ## Ruhe und Zerstörung | |
| Auf der ersten Plantage legt sich Northup mit einem besonders sadistischen | |
| Vorarbeiter an. Zur Strafe soll er erhängt werden, doch ein anderer | |
| Vorarbeiter schreitet ein. Northup bleibt einen ganzen Tag lang am Ast | |
| eines mächtigen Baums hängen, den Kopf in der Schlinge, die Fußspitzen | |
| berühren kaum den schlammigen Boden, und McQueen macht im Wechsel von nahen | |
| Einstellungen und Totalen deutlich, wie die Zeit verstreicht, wie Hitze, | |
| Angst und Durst Northup plagen. Um ihn herum geht das Leben auf der | |
| Plantage weiter, als hinge niemand zwischen Leben und Tod, sanfter Wind | |
| spielt mit dem silbergrauen Louisianamoos. | |
| Manchmal mag die Virtuosität, mit der der Regisseur ans Werk geht, | |
| deplatziert wirken; wenn etwa im letzten Drittel eine versklavte Frau, | |
| Patsey, ausgepeitscht wird, lässt sich lange darüber debattieren, ob die | |
| elaborierten Bewegungen der Kamera angemessen sind; zunächst kreisen sie | |
| mit dem Schwung der Peitsche mit, ohne dass der versehrte Rücken der Frau | |
| zu sehen wäre, später wird er umso radikaler ins Bild gerückt. | |
| Das ändert nichts daran, dass „12 Years a Slave“ ein Film ist, um den man | |
| nicht herumkommt, wenn man vor dem zentralen Kapitel, das die Sklaverei in | |
| der US-amerikanischen Geschichte darstellt, nicht die Augen verschließen | |
| möchte. | |
| 16 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Cristina Nord | |
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