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# taz.de -- Golden Globe für „12 Years a Slave“: Die Wiederkehr der R-Frage
> „12 Years a Slave“ hat viel mehr erreicht, als einen Golden Globe zu
> gewinnen. Endlich wird in den USA wieder über Rassismus diskutiert.
Bild: Es brauchte 150 Jahre, bis Hollywood reif war für die Geschichte – Sz…
Die Frau neben mir schluchzt. Der Mann hinter mir hat ein verquollenes
Gesicht, als das Licht wieder angeht. Und ein paar Tage später erzählt
meine Freundin Augustine beim Abendessen davon, wie sie und ihre
Geschwister aus dem Wasser mussten, wenn die weißen Kinder von der anderen
Seite des Bachs zum Schwimmen kamen. Sie ist in Alabama aufgewachsen.
Die „R-Frage“ – die „racial question“ – ist in den USA ständig in …
Köpfen. Aber sie ist heikel. Um sie anzusprechen, braucht es Anlässe. Die
Wahl des ersten schwarzen Präsidenten war so einer. Manchmal lösen auch
tödliche Schüsse auf unbewaffnete schwarze Teenager die Gespräche aus. Oder
ein Film wie „12 Years a Slave“, der in der Nacht zu Montag den Golden
Globe für das „beste Drama“ erhalten hat und der am Donnerstag in den Kinos
in Deutschland startet.
Der Film erzählt die wahre Erfahrung von Solomon Northup. Der frei geborene
Afroamerikaner ist bei einem Aufenthalt in Washington gekidnappt,
verschleppt und bei einer Auktion an einen Plantagenbesitzer in den
Südstaaten verkauft worden. Erst zwölf Jahre später erlangte Northup seine
Freiheit zurück. Es brauchte noch mal 150 Jahre, bis Hollywood reif war für
seine Geschichte.
Als der Film in den USA im vergangenen Herbst in die Kinos kommt, löst er
quer durch das Land heftige Reaktionen aus. Erinnerungen an alte
Familiengeschichten werden wach – und an neue eigene Erfahrungen: Ich denke
an meinen ersten abendlichen Ausgang in Washington im Jahr 2010. Eine
afroamerikanische Freundin lädt mich in ein Restaurant ein. Als wir
anschließend auf die Straße gehen, bittet sie mich, das Taxi heranzuwinken.
Warum? „Du bist weiß. Da halten sie eher an.“
## Das Ende getrennter Schulen – nicht das Ende der Diskriminierung
Offiziell ist die Sklaverei in den USA seit 1865 abgeschafft. Per
Verfassungszusatz am Ende des Bürgerkriegs. Doch erst ein Jahrhundert
danach, im Jahr 1965, schafft es die Bürgerrechtsbewegung nach vielen
Protesten, die formalen Bürgerrechte zu erhalten. Inklusive Wahlrecht. Auch
die „Civil Rights“ kamen 1965 mit einem Verfassungszusatz daher. Sie
beendeten das Zeitalter getrennter Schulen, Trinkbrunnen und Sitzplätze.
Aber sie beendeten nicht die Diskriminierungen.
Kurz vor Ende des Jahres 2013 stehe ich in einem Washingtoner Museum vor
einem Gemälde des afroamerikanischen Malers James Marshall. Sein großes
Thema ist die „afroamerikanische Erfahrung“. Von der Deportation über den
Atlantik bis zur Ankunft einiger in der Mittelschicht. Das sind Themen, an
denen keine afroamerikanische Künstlerin und kein Künstler vorbeikommt.
Ich bin Teil eines sogenannten Museums-Talks. In unserer Gruppe sind viele
Weiße und wenige Schwarze. Vor einem Gemälde beginnt eine Debatte über die
Zwangstaufe. Eine Besucherin – sie ist weiß – wundert sich, dass
Plantagenbesitzer ihre Sklaven tauften, „obwohl sie sie nicht als Menschen
betrachteten“. Eine andere – auch weiß – nennt Religion einen
„Kontrollmechanismus“.
Dann erklärt eine schwarze Besucherin sehr bestimmt: „Sie haben uns nicht
als Menschen betrachtet. Sie haben uns in denselben Statistiken geführt wie
das Vieh und die Ländereien.“ Ein älterer weißer Mann reagiert heftig: „…
stimmt nicht, die Plantagenbesitzer haben sehr wohl zwischen Sklaven und
Vieh unterschieden.“
Damit ist der Frieden in dem Museums-Talk gebrochen. Die schwarze Frau
verlässt mit lauten Schritten die Gruppe. Der alte weiße Mann vergräbt sich
in Schweigen. Die Führerin sagt hastig: „Wie wir sehen, ist das Thema
kontrovers.“ Und bittet uns zum nächsten Kunstwerk.
14 Jan 2014
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
12 Years a Slave
Schwerpunkt Rassismus
USA
Diskriminierung
Film
Schwerpunkt Rassismus
Ku-Klux-Klan
Steve McQueen
12 Years a Slave
Golden Globes
George Zimmerman
Schwerpunkt Rassismus
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