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# taz.de -- Kino nach dem Lockdown: Er dreht gerade einen Film
> Letzte Woche gab's den ersten richtigen Kinobesuch seit Corona. Und die
> Frage, ob in den großen Studios noch neue Filme entstehen?
Bild: Jede zweite Reihe frei: Kino nach dem Lockdown
Mein letzter Kinobesuch vor Corona war Ende Februar, im Rahmen der
Berlinale, ein Screening von [1][Hirokazu Kore-edas] „After Life“. Der
Regisseur war anwesend, ließ sich von Ang Lee interviewen, war schüchtern
und charmant und lenkte die Aufmerksamkeit stets auf die Filme seines
Gesprächspartners. Das war in der Akademie der Künste, in einem großen
Saal, jeder Platz war besetzt.
Einige Leute trugen Masken, die meisten nicht. Ich hatte überlegt, ob ich
nicht besser zu Hause bleiben sollte, die Phase des Überlegens und
Abwägens, die wenige Wochen später schon vorbei sein sollte, denn dann gab
es nichts mehr zu überlegen, hatte gerade begonnen. Aber die Entscheidung
fiel mir leicht. Den großen Kore-eda wollte ich nicht verpassen. Es war der
letzte Kinobesuch für fast ein halbes Jahr.
In den Wochen und Monaten danach habe ich wahrscheinlich so viele Filme wie
noch nie gesehen, auf dem Laptop, nahezu jeden Abend einen. Meine Frau und
ich haben eine Lockdown-Film-Routine entwickelt. Fünf Filme stehen zur
Auswahl – mit der Zusammenstellung dieser Auswahl wechseln wir uns ab –,
und dann entscheidet ein Online-Glücksrad, welcher Film es wird, und so
erschließen wir uns seit Anfang März die Filmografien von Kelly Reichardt
oder Mikio Naruse oder die von Kore-eda.
## Ein Laptop ist keine Leinwand
Das Daheimschauen hat seinen Reiz, es macht Spaß, gemeinsam auf der Couch
zu bleiben und zwischendurch zu pausieren, um Snacks aus der Küche zu holen
oder ein kleines Nickerchen zu machen (looking at you, Naruse). Aber ein
Laptop ist keine Leinwand, und ein Wohnzimmer ist kein Kino.
Einmal waren wir im Freiluftkino in der Hasenheide, denn die Freiluftkinos
haben früher aufgemacht, und uns „Porträt einer jungen Frau in Flammen“
angeschaut, Céline Sciammas malerisches Meisterinnenwerk, das ich durch
Heuschnupfentränen halbwegs erkennen konnte. (Mir ging es wie in dieser
alten Werbung, wo ein Machotyp im Kino nicht zugeben will, dass er weint
und seiner Begleitung gegenüber beteuert, er habe nur etwas in den Augen.
Ich hatte etwas in den Augen!).
Aber im Freiluftkino waren die Leute so unaufmerksam und tuschelten und
raschelten die ganze Zeit, und ich konnte mich dann auf nichts anderes
konzentrieren als auf das Tuscheln und Rascheln, außer vielleicht auf meine
Heuschnupfensymptome, es war also auch nicht das beste Kinoerlebnis.
## Verschobene Filme
Letzte Woche aber dann der erste richtige Kinobesuch seit Corona. „Undine“
von Christian Petzold, im Delphi Filmpalast. Ein praktischer Nebeneffekt
der neuen Regel, dass jede zweite Reihe frei bleiben muss, ist, dass sich
nun niemand direkt vor einen setzen und die Sicht stören kann. „Undine“,
ein Berlinale-Film, wie viele andere der diesen Monat gestarteten Filme
auch.
Verschobene Filme, die längst hätten anlaufen sollen. Ich frage mich,
welche Filme in den nächsten Wochen und Monaten hier starten werden, wenn
das Virus in den USA weiterhin grassiert und die amerikanischen Studios
ihre großen Filme zurückhalten. Dann haben die Kinos hier zwar auf, aber
können keine Filme zeigen, oder eben keine, die ein nennenswertes Publikum
anziehen. Was ist schlimmer: die Türen geschlossen zu lassen oder sie offen
zu halten, aber für niemanden?
Vorhin hat mir mein Freund aus Tulsa, Oklahoma geschrieben und ein wenig
berichtet. Nicht gut, die Lage. Eine Straße weiter schießt die
Nationalgarde mit Tränengas auf Protestanten. Die Anzahl der Erkrankten
steigt genauso rapide wie die Anzahl derer, die das Virus für Quatsch
halten. Er habe aufgehört, die Nachrichten zu verfolgen. Stattdessen
konzentriert er sich auf ein Projekt. Er dreht einen Film.
31 Jul 2020
## LINKS
[1] /Cannes-Hauptpreis-geht-nach-Japan/!5507242
## AUTOREN
Jan Jekal
## TAGS
Kolumne Berlin viral
Kino
Filmproduktion
Filme
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