# taz.de -- Kalbitz verliert Prozess gegen die AfD: Klage abgewiesen, Kläger p… | |
> Kalbitz verliert seine Klage. die Mitgliedschaft bleibt annulliert. | |
> Außerdem wurde bekannt, dass er dem Finanzamt 46.000 Euro schuldet. | |
Bild: Draußen und doch irgendwie noch drin: Andreas Kalbitz ist offiziell kein… | |
BERLIN taz | Der Rechtsextremist und ehemalige Chef der AfD Brandenburg, | |
Andreas Kalbitz, bleibt draußen. Die Klage des 49-Jährigen gegen die | |
Annullierung seiner Parteimitgliedschaft im Jahr 2020 wurde abgewiesen. Das | |
hat die Zivilkammer 43 des Landgerichts Berlin erstinstanzlich [1][im | |
Hauptsacheverfahren entschieden]. Bereits in zwei anderen gerichtlichen | |
Eilverfahren unterlag der weiterhin in der AfD präsente Strippenzieher der | |
völkischen Parteiströmung. Kalbitz selbst erschien nicht vor Gericht und | |
ließ sich von seinem Anwalt Andreas Schoemaker vertreten. | |
Der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Luhm-Schier machte am Freitagvormittag | |
im Wortsinn kurzen Prozess und verkündete das Urteil kurz nach Elf. Er ließ | |
keinen Zweifel daran erkennen, dass er das Verfahren aus juristischer Sicht | |
für Zeitverschwendung hielt: „Das Kammergericht hat bereits gesagt, dass es | |
doch gar keinen Anspruch gibt. Spätestens da hätte man fragen können: Warum | |
jetzt noch einen Prozess?“ | |
Der Richter stellte klar, dass Kalbitz' Mitgliedschaft rechtmäßig | |
annulliert wurde und es daran keine Zweifel gebe: „Es geht nicht um einen | |
Parteiausschluss. Wenn man nicht Mitglied geworden ist, kann man nicht | |
ausgeschlossen werden.“ Er machte dabei geltend, dass Kalbitz bei seiner | |
Aufnahme nicht angegeben hatte, 1994 Mitglied bei den Republikanern gewesen | |
zu sein. Das sei bereits so eindeutig, dass man gar nicht erst über dessen | |
mutmaßliche [2][Mitgliedschaft in der rechtsextremen Heimattreuen Deutschen | |
Jugend] verhandeln müsse. | |
Die Partei habe Kalbitz’ unvollständige Beitrittserklärung erfolgreich | |
angefochten, so der Richter: „Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist | |
bürgerliches Recht, das ist eine ziemlich einfache Rechtsanwendung. Die | |
Mitgliedschaft ist hin“, und fragte dann leicht entnervt: „Was sollen wir | |
jetzt hier machen?“ Kalbitz' Anwalt erwiderte nichts juristisch | |
Stichhaltiges, außer, dass er offenbar auch ohne Argumente in die nächste | |
Instanz ziehen wolle. | |
## Verzögerungstaktik und Kontopfändung | |
Und auch sonst sprach alles für Verzögerungstaktik: Laut Gericht hat | |
Kalbitz seit zwei Jahren in dem ziviligerichtlichen Streit keinen | |
Schriftsatz mehr verschickt – außer einem kurzen auf den letzten Drücker | |
nach 17 Uhr am Vorabend vor der Verhandlung am Freitag. Der allerdings | |
ändere auch nichts an der juristischen Einschätzung des Gerichts, wie der | |
Richter durchblicken ließ und die Verhandlung nach einer guten halben | |
Stunde unterbrach, um die Urteilsverkündung für zwanzig Minuten später | |
anzusetzen. Nach der Entscheidung sagte er: „Schönen Vormittag, ist ja noch | |
deutlich vor 12 Uhr.“ Klage abgewiesen, die vollstreckbaren Kosten des | |
Theaters trägt Kalbitz. | |
Der AfD-Anwalt Joachim Steinhöfel, noch von mittlerweile Ex-Bundesvorstand | |
Jörg Meuthen bestellt, deutete Kalbitz’ Vorgehen so: „Das ist ein | |
politisches Spiel. Man will die Rechtskraft herauszögern – in der Hoffnung, | |
dass sich die Kräfteverhältnisse im Bundesvorstand ändern“, sagte | |
Steinhöfel. Er persönlich vermutete, dass Kalbitz darauf spekulierte, dass | |
sich möglicherweise nach der Bundesvorstandswahl im Juni die | |
Kräfteverhältnisse in der AfD ändern könnten. Ein vom offiziell aufgelösten | |
„Flügel“ dominierter Bundesvorstand könnte das AfD-Mandat verändern und … | |
Verfahren beerdigen, sodass Kalbitz’ Mitgliedschaft in Konsequenz wieder | |
hergestellt wäre. Immerhin: Nach Meuthens Austritt und faktischem | |
Kräftegewinn der völkischen Strömung in der Partei änderte sich nichts am | |
Prozessziel der AfD, dass Kalbitz draußen bleiben müsse, wie Steinhöfel der | |
taz sagte. | |
Für einen inhaltlichen Schwenk von einem pro-Kalbitz dominierten Vorstand | |
stünde Steinhöfel nicht zur Verfügung, wie er der taz sagte: „Ich würde | |
mich in keiner Weise daran beteiligen, Herrn Kalbitz die Rückkehr in eine | |
politische Position einer im Bundestag vertretenen Partei zu ebnen. Damit | |
möchte ich nichts zu tun haben.“ Er habe das Mandat übernommen, weil | |
[3][bekannte Parteienrechtler öffentlich behauptet hatten], dass Kalbitz | |
Parteirausschmiss auf wackeligen Füßen stünde und sich zudem die | |
Möglichkeit geboten habe, einen Rechtsextremisten aus der | |
Parteienlandschaft zu entfernen, wie er sagte. Steinhöfel persönlich halte | |
Kalbitz und dessen politische Positionen für unappetitlich. | |
Die Prozesskosten dürften bereits jetzt ein Problem für Kalbitz darstellen: | |
Denn nebenbei teilte AfD-Anwalt Steinhöfel anwesenden Journalisten mit, | |
dass Kalbitz der Partei für Festsetzungsbeschlüsse noch Geld geschuldet | |
hätte, eine beantragte Kontopfändung aber ins Leere lief, weil Kalbitz' | |
Konto bereits vorrangig gepfändet gewesen sei. | |
Demnach schuldete Kalbitz dem Finanzamt Königs Wusterhausen bereits zuvor | |
46.237,40 Euro. Eine das belegende „Drittschuldnererklärung und | |
Empfangsbekenntnis“ der Commerzbank vom 24. November 2021 legte Steinhöfel | |
anwesenden Journalisten vor. Kalbitz' Anwalt wollte sich dazu nicht äußern. | |
Auch Kalbitz selbst antwortete auf taz-Anfrage dazu bislang nicht. | |
Billiger wird’s für den Rechtsextremen jedenfalls nicht. In der mündlichen | |
Verhandlung einigten sich beide Seiten auf einen Streitwert von 10.000 | |
Euro. Die Einigung könnte für Kalbitz allerdings auch ein Eigentor sein: | |
Berufung ans BGH ist erst [4][ab einem Streitwert von 20.000 Euro möglich]. | |
## AfD Brandenburg hält weiter zu Kalbitz | |
Die AfD Brandenburg hält Kalbitz trotz allem weiter die Stange, auch ganz | |
offiziell und trotz klarer juristischer Lage. Kurz nach dem | |
Gerichtsbeschluss veröffentlichte die frisch gewählte Brandenburger | |
Vorsitzende und Kalbitz-Vertraute Birgit Bessin eine Solidaritätsbekundung. | |
Kalbitz sei immer offen mit seiner Mitgliedschaft bei den Republikanern | |
umgegangen, die Ausschlussgründe seien nur vorgeschoben. Kalbitz | |
verteidige, so Bessin, „die Partei und ihre politischen Ziele weiterhin | |
unbeeindruckt, weshalb ich davon ausgehe, dass er auch in der nächsten | |
Instanz weiterhin für seine Mitgliedsrechte in der AfD streiten wird.“ | |
Kalbitz ist bis heute parteiloses Mitglied der Brandenburger AfD-Fraktion, | |
auch wenn er seinen Vorsitz abgegeben hatte – auch nachdem er seinem | |
Fraktionskollegen Dennis Hohloch per angeblich freundschaftlichem Boxschlag | |
einen Milzriss verpasst hatte. | |
Die Urteilsgründe gehen laut Gericht beiden Parteien binnen zwei Wochen zu. | |
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Kalbitz kann dagegen Berufung beim | |
Kammergericht innerhalb von einem Monat nach Zustellung der schriftlichen | |
Urteilsgründe einlegen. | |
22 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-g… | |
[2] /Kalbitz-Klage-gegen-Parteiausschluss/!5849771 | |
[3] /Streit-um-rechtsextremen-Ex-AfDler/!5696300 | |
[4] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/gesetzesentwurf-streitwertgrenze-nic… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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