# taz.de -- Justizsenator zu Internet im Strafvollzug: Foodporn statt Hardcore | |
> Erstmals dürfen Häftlinge in Berlin ins Internet. Der Modellversuch dient | |
> vor allem dem E-Mail-Verkehr. Ein Gespräch mit Justizsenator Dirk | |
> Behrendt (Grüne). | |
Bild: Feies WLAN für Gefangene? Schön wärs … | |
taz: Herr Behrendt, 70 Gefangene JVA Heidering haben an einem | |
Tablet-Versuch teilgenommen. Wie lautet Ihr Fazit? | |
Dirk Behrendt: Wir haben das Projekt „Resozialisierung durch | |
Digitalisierung“ vor drei Monaten gestartet. Der Versuch ist so gut | |
gelaufen, dass wir ihn ausweiten werden. Es gab keinen Missbrauch, die | |
Geräte wurden nicht beschädigt. Auch die technischen Barrieren, die in die | |
Software eingebaut worden sind, konnten nicht überwunden werden. Die | |
Realität draußen ist doch, dass ein Leben ohne Internet beruflich und | |
privat gar nicht mehr möglich ist. Das wollen wir unseren Gefangenen auch | |
ermöglichen. | |
Der Internetzugang ist aber begrenzt. Auf wie viele Seiten haben die | |
Gefangenen überhaupt Zugriff? | |
Nicht alle 70 Gefangene haben ein eigenes Tablet, das sie mit in ihren | |
Haftraum nehmen können. Es gibt auch stationäre Computer mit | |
Internetzugang. Wir haben um die 30 Internetseiten freigegeben. Das war | |
eine bewusste Entscheidung für die Startphase. Dabei handelt es sich zum | |
Beispiel um die Seite der Bundesagentur für Arbeit, um Medien- und | |
Bildungsangebote, und es gibt E-Mail-Möglichkeiten. | |
Das Ganze ist ein Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts. Welche Seiten | |
haben die Gefangenen am häufigsten aufgerufen? | |
Sehr großer Beliebtheit hat sich Chefkoch.de erfreut und natürlich die | |
Möglichkeit der E-Mail-Kommunikation. Die Insassen können sich mit allen | |
schreiben. Die Adressen von Polizei und Staatsanwaltschaft haben wir | |
allerdings gesperrt. | |
Warum das? | |
In den Gefängnistelefonen ist die Nummer der Polizei für die Insassen auch | |
gesperrt. Sonst würden sie da ständig anrufen und anzeigen, dass sie gegen | |
ihren Willen festgehalten werden. Aber auch das werden wir überdenken. | |
Wie lange waren die Insassen pro Tag circa online? | |
Im Schnitt waren das ein bis zwei Stunden. Manche deutlich mehr, andere | |
weniger. Die Anzahl der E-Mails war erheblich, die wurden auch als eine Art | |
Chat genutzt. | |
Was wünschen sich die Insassen für die Zukunft? | |
Bisher ist nur Arbeitssuche möglich. Gewünscht wird bei der | |
Entlassungsvorbereitung auch die Möglichkeit zur Wohnungssuche. Auch im | |
Freizeitbereich wird mehr gewünscht und auch YouTube. | |
Wie steht es mit Pornoseiten? | |
Das ist nicht beabsichtigt. Wir werden auch nicht jeden Wunsch erfüllen. | |
Wie geht es jetzt weiter? | |
Zunächst werden wir das Angebot in Heidering ausweiten. Politisch hat | |
Rot-Rot-Grün verabredet, dass die Strafgefangenen der Berliner Gefängnisse | |
Zugang zum Internet bekommen sollen. Wie schnell wir das hinkriegen, hängt | |
von technischen Fragen ab und – nicht zuletzt – auch davon, dass wir die | |
benötigen Haushaltsmittel bewilligt bekommen. | |
Was kostet das Ganze? | |
Das ermitteln wir gerade. Die Testphase inklusive Projektstudie hat bislang | |
870.000 Euro gekostet. Das sind hohe Anlaufkosten, um das alles technisch | |
hinzubekommen. Wenn man es in die Fläche bringt, wird es günstiger. Relativ | |
teuer ist die Installation der WLAN -Infrastruktur. Durch die dicken | |
Betonmauern zu kommen, ist gar nicht so einfach. | |
1 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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