# taz.de -- Junger Olivenölproduzent in Slowenien: Fruchtig, pfeffrig, bitter | |
> Student und DJ Rok Babič hat die Ölmühle seiner Eltern in einem kleinen | |
> slowenischen Dorf übernommen. Er will das Geschäft zukunftsfähig machen. | |
Bild: Rok Babič, 23, aus Babiči: Die Olivenbäume, die er jetzt anpflanzt, si… | |
BABIčI taz | Wenn es nach frisch geschnittenem Gras riecht und auch nach | |
Apfel und ein bisschen nach Banane, dann ist es gut. Und schmecken soll es | |
fruchtig, aber auch ein bisschen bitter – und im Abgang pfeffrig. Nicht zu | |
fettig soll es sein und von der Farbe her möglichst grün. Ein gutes | |
Ölivenöl herzustellen ist nicht einfach, schon gar nicht hier in einem der | |
nördlichsten Anbaugebiete des Mittelmeerraums, in Istrien, Slowenien. | |
Babiči heißt der kleine Ort, nahe der kroatischen Grenze, oberhalb der | |
Bucht von Piran. Der Blick reicht weit; wie kleine Streichhölzer wirken die | |
riesigen Kräne des Hafens von Koper. Im Dorf Babiči steht die Ölmühle der | |
Familie Babič, dort empfängt Rok Babič, 23 Jahre alt, zu einer | |
Olivenölverkostung. Er trägt Schwarz und eine Brille mit Goldrand, dahinter | |
hellblaue Augen. | |
Die hochmoderne Ölmühle, „Made in Tuscany“, gehört seinem Vater Sandi. | |
Babič ist tagsüber Student der Mikrobiologie in Sloweniens Hauptstadt | |
Ljubljana und nachts ein gefragter DJ. Doch er möchte nicht – wie so viele | |
junge Leute – das [1][von der letzten Wirtschaftskrise nachhaltig | |
erschütterte Slowenien] verlassen. Er möchte zu Hause bleiben und die Mühle | |
seiner Familie übernehmen – und eigene Oliven anbauen. | |
## Das Alte ist das Neue | |
Die silbern glänzenden Maschinen der Mühle waren zuletzt Anfang Dezember in | |
Betrieb; da wurden die letzten Kisten mit Oliven gebracht. Sie wurden in | |
der Mühle gewaschen, zerkleinert, das Öl aus ihnen gepresst. 100 Kilo | |
Früchte ergeben etwa 17 Liter Öl. „Man kann die Maschine auch anders | |
einstellen“, sagt Babič, „dann bekommt man allerdings eine schlechtere | |
Qualität.“ | |
Zu Gast ist heute [2][Vanja Dujc], der bekannte slowenische | |
Olivenölproduzent, ein freundlicher, agiler Mann mit weißem Haar, weißem | |
Bart; der Feinschmecker hat über ihn berichtet, die New York Times ihn | |
erwähnt. Dujc ist ein Kunde von Familie Babič, seine Oliven lässt er hier | |
in der Mühle verarbeiten. Er hat einige seiner Öle mitgebracht, mit denen | |
er überall Preise gewonnen hat, sogar in Italien. | |
Mit Masse hat Dujc nichts am Hut, er produziert im Jahr um die 3.000 Liter, | |
meistens „Cuvées“, die aus bis zu sechzehn verschiedenen Sorten bestehen: | |
Leccino und Maurino zum Beispiel, vor allem aber enthalten sie die | |
autochthone Sorte Belica, die sich durch eine gewisse Bitterkeit | |
auszeichnet. „Das verweist auf einen hohen Anteil von Polyphenolen und | |
Antioxidantien“, sagt Rok Babič und Vanja Dujc ergänzt: „In Russland läs… | |
sich das schwer verkaufen – wie überhaupt außerhalb des Mittelmeerraums. | |
Dort kennt man den Zusammenhang nicht. Die Bitterstoffe sind gut für die | |
Gesundheit.“ | |
Bei der Herstellung geht es also darum, das richtige Gleichgewicht zu | |
finden zwischen Fruchtigkeit, Bitterkeit, Pfeffrigkeit. „Der Erntezeitpunkt | |
spielt eine Rolle, auch die Mühle und wie schnell die Oliven verarbeitet | |
werden.“ | |
Vanja Dujc füllt Olivenöl in kleine Becher. Man muss den Becher in der Hand | |
reiben, die Öffnung bedeckt. Das Öl so erwärmen, auf 29 Grad, damit sich | |
das Aroma entfalten kann. Es darf nicht nach altem Gras riechen und nicht | |
nach Holz, auch nicht nach Vanille. Hat es eine gelbliche Farbe, dann ist | |
es nicht gut. | |
## Ein Stück Land und italienische Bücher | |
All sein Wissen über Olivenöl hat sich der gelernte Maschinenbauingenieur | |
selbst angeeignet: „1979 fing ich an, mich dafür zu interessieren, und | |
dann, Anfang der Achtziger wurde klar, dass es mit Jugoslawien | |
wirtschaftlich bergab ging. Man musste sich um einen Nebenverdienst | |
kümmern“, erzählt er. | |
Anfangs hatte er noch an den Anbau von Pilzen gedacht – Olivenbäume gab es | |
nämlich gar keine mehr in Slowenien und auch kein Wissen um ihren Anbau: | |
„Es gab diese harten Winter in den Jahren 1929 und 1956, der letzte hat | |
sämtliche Bäume zerstört. Und nach dem Zweiten Weltkrieg sind sehr viele | |
Menschen emigriert und haben ihr Wissen mitgenommen.“ | |
Vanja Dujc wusste so wenig wie die Leute vom Landwirtschaftsministerium, | |
aber der Staat gab ihm ein Stück Land samt Kredit – und das Wissen eignete | |
er sich über italienische Bücher an. „Das war 1984, da haben wir die ersten | |
Bäume gepflanzt.“ Ein Jahr später waren sie alle kaputt. Wieder ein harter | |
Winter. Doch Dujc machte weiter und hatte Glück: „Die Inflation – so konnte | |
ich den Kredit mit zwei Monatsgehältern zurückzahlen.“ | |
## Weniger Arbeit, mehr Geld | |
Auf den Erfolg musste er warten. 2003 bekam er erstmals einen Preis. Heute | |
ist Dujc so bekannt, dass er auf den in Koper anlegenden Kreuzfahrtschiffen | |
aus der ganzen Welt Olivenöl-Degustationen veranstaltet. Nur reich ist er | |
nicht geworden. „Es ist zu viel Arbeit für eine Person, und zwei können | |
nicht davon leben“, sagt er und blickt dabei Rok an: „Die jungen Leute | |
müssten dafür sorgen, dass die Arbeit weniger wird und das Geld mehr.“ | |
Dujc hat ungefähr 1.200 Bäume in seinen Gärten, er schätzt, dass man | |
mindestens 5.000 Bäume braucht, um über die Runden zu kommen. Vor zehn | |
Jahren hat die Familie Babič die ersten eigenen Bäume gepflanzt, rund | |
hundert, im letzten Jahr kamen 210 dazu. Rok Babič aber wird, anders als | |
Vanja Dujc, auch die Mühle haben, mit der sich Geld verdienen lässt. | |
Öl anbauen ist ein Familiengeschäft, oft von Vater und Sohn: „Mein Vater | |
hat nicht studiert, dafür hat er das ganze praktische Wissen“, sagt Babič. | |
Die beiden sind ein Team, in den drei Monaten, in denen die Mühle läuft, | |
wird kaum geschlafen. | |
Sandi Babič, der die ganze Zeit mit am Tisch gesessen hat – er versteht | |
Englisch besser, als er es spricht –, bringt nun Wein, Weißbrot und eine | |
Platte mit istrischer Salami, luftgetrocknetem Schinken aus dem Karst und | |
würzigen Hartkäse aus dem nur vierzig Kilometer entfernten Italien. Taucht | |
man das frische Brot in das samtig-grün schimmernde Olivenöl und isst dazu | |
ein Stück Käse oder salzigen Schinken, zum Nachspülen einen Schluck Wein, | |
dann erschließt sich die Sinnhaftigkeit des hiesigen Tuns ganz unmittelbar | |
– und man versteht, warum Rok in Slowenien bleiben will: „Mein Vater sagt | |
immer: Wo kannst du schon einen Fisch im Meer fangen, den du anschließend | |
im Gebirge grillst?“ | |
Rok Babič will sich hier eine Zukunft aufbauen, auch mithilfe seines | |
Bruders, der Wirtschaft studiert hat: „Ich muss mich auch stärker auf die | |
Vermarktung konzentrieren und den Vertrieb.“ Vanja Dujc nickt dazu und | |
sagt: „Ja, was weiß ich schon von Instagram?“ Das Internet verändert Ding… | |
das Wissen, das er sich über Jahre ganz allein hat erarbeiten müssen, könne | |
man sich heute in einer Woche aneignen, sagt Dujc. Er wusste damals nicht | |
einmal, wie man Olivenbäume richtig beschneidet. Heute schaut man | |
YouTube-Tutorials. | |
## Der Klimawandel macht sich bemerkbar | |
Doch auch in Zukunft wird es Herausforderungen geben für den jungen Rok | |
Babič. Slowenisches Olivenöl ist, wegen der höheren Produktionskosten, mit | |
etwa 20 Euro pro Liter viel teurer als durchschnittliche Produkte. Die | |
Qualität ist daher entscheidend. „Aber das Wissen um gutes Essen nimmt zu, | |
sagt Rok Babič, „und das hiesige Öl ist gesund, hat einen Säuregehalt von | |
nur 0,1 bis 0,3 Prozent. Der EU-Standard ‚Extra-Vergine‘ schreibt weniger | |
als 0,8 vor.“ | |
Auch der Klimawandel macht sich bemerkbar. Die Wetterkapriolen mit starker | |
Hitze und Kälte setzen die Pflanzen unter Stress, auch die bis in den | |
September anhaltende Trockenheit kann zum Problem werden. „Dadurch werden | |
die Oliven zu Rosinen, die Verarbeitung wird schwierig“, sagt Rok Babič, | |
und Vanja Dujc ergänzt: „Ein einziger harter Winter kann alles ruinieren.“ | |
Dann dauert es fünf Jahre, bis die neuen Bäume so weit sind. | |
Draußen vor der Tür scheint derweil die Sonne. Es ist frühlingshaft. 16 | |
Grad im Februar, das ist auch für die istrische Küste ungewöhnlich. Und | |
doch ist der Schatz in der Scheune der Familie Babič noch bedeckt von | |
mehreren Lagen Schutzfolie. Als Rok Babič sie vorsichtig zur Seite zieht, | |
sieht man dahinter 150 junge Olivenbäume, die eingetopft darauf warten, in | |
die rote Erde Istriens gepflanzt zu werden – und einer ungewissen, aber | |
hoffnungsvollen Zukunft entgegenzuwachsen. | |
1 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Wirtschaftskrise-in-Europa/!5045716 | |
[2] http://www.vanjadujc.net/ | |
## AUTOREN | |
Martin Reichert | |
## TAGS | |
Slowenien | |
Landwirtschaft | |
EU-Mitgliedstaaten | |
Jugend | |
Wirtschaftskrise | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Öl | |
Toskana | |
Spanien | |
Slowenien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Öl als Brotbelag: Schmeckt wie geschmiert | |
Butter? Margarine? Nee, Öl muss aufs Brot. Doch die Auswahl der richtigen | |
Sorte erfordert etwas Experimentierfreude. Ein Erfahrungsbericht. | |
Zu Besuch bei der Fattoria La Vialla: Satt in Olivenöl eingelegte Sehnsucht | |
Der Lieblings-Lebensmittelhändler der Toskanafraktion wird dieses Jahr 40. | |
Sein Erfolgsrezept? Qualität – und ein perfektes Marketing. | |
Bioanbau-Boom in Spanien: Europas wichtigster Ökoproduzent | |
Beim Ökolandbau hat Spanien Frankreich, Italien und Deutschland überholt. | |
Aber um an der Spitze zu bleiben, müsste sich einiges ändern. | |
First Lady Melania Trump: Stolz und Vorurteil | |
Die nächste First Lady der USA ist Melanija Knavs aus Sevnica. In Slowenien | |
hofft man darauf, dass der Ruhm bis in ihr Heimatland strahlt. |