| # taz.de -- Jubiläumskolumne: Drei Jahre friedlich-lustvolles Anrempeln | |
| > Unsere Autorin feiert den Geburtstag unserer Kolumne und fragt dabei: Wie | |
| > streitet man mit Stil? Welche Texte haben unerwarteterweise angerempelt? | |
| Bild: Herzliches Austeilen und würdevolles Einstecken: Eine Kolumne feiert Geb… | |
| [1][Seit drei Jahren gibt es diese Kolumne:] Unser kleiner Moshpit hier | |
| feiert Geburtstag. „Diskurspogo“ entstand aus dem Wunsch nach | |
| Bubble-übergreifendem linken Diskurs. Ich war auf der Suche nach Verbindung | |
| durch Auseinandersetzung – und wollte mit „Diskurspogo“ einen Raum zum | |
| freundlich-lustvollen Anrempeln schaffen, auch wenn ich dabei selbst ins | |
| Schwitzen komme. | |
| Ein harter Tanz unter Genoss*innen. [2][Nazis] müssen draußen bleiben. Das | |
| heißt: Es werden keine rechten Talking Points aufgegriffen und es wird sich | |
| nicht an Provokationen abgearbeitet von Leuten, mit denen wir sonst auch | |
| niemals die Tanzfläche teilen würden. Denn es bleibt zwar immer wichtig, | |
| Menschenverachtung und rechten Positionen zu widersprechen. Doch ohne | |
| eigene Themen, Gespräche über Strategien, solidarische Selbstkritik und | |
| gegenseitigen Zuspruch kommen wir auch nicht weiter. | |
| Was ich in meinem Jubiläumsrückblick gleich sagen kann: Das ist mir nicht | |
| immer gelungen. Manchmal hat mich dann doch etwas direkt zum Kolumnentag so | |
| aufgewühlt, dass ich in den Reaktionsmodus gefallen bin. | |
| Ich habe viel gelernt, aber noch zu wenig verstanden. Über mich weiß ich | |
| jetzt, dass ich ein Deadline-Typ bin. Wenn ich es schaffe, die Kolumne | |
| einen Tag vor Abgabe fertig zu haben, schreibe ich eine Stunde, bevor sie | |
| bei der Redaktion sein soll, doch noch mal alles um und muss mich für die | |
| Verspätung entschuldigen. | |
| ## Die Reaktionen hauen mich fast um | |
| Was ich immer noch nicht weiß, ist, welche Themen wie viel Aufmerksamkeit | |
| ziehen. Manchmal schreibe ich einen Text, von dem ich denke, dass alle auf | |
| ihn gewartet haben, und es interessiert niemanden so richtig. Manchmal | |
| schreibe ich einen vermeintlichen Nischentext, und die Reaktionen hauen | |
| mich fast um. Wenn ich merke, dass ich gerade nicht deep genug sein kann, | |
| schreibe ich über ein spielerisches Thema, von dem ich denke, dass es | |
| niemanden wirklich verletzten kann. | |
| Wer gerade keine Körperbeherrschung hat, sollte sich nicht mitten ins | |
| Moshpit wagen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mit einem lockeren Text über | |
| das Siezen bei vielen Menschen blaue Flecken hinterlasse. Auch Witze machen | |
| wird immer komplizierter: Das Thema Humor kriegt eine eigene Kolumne. | |
| Den meisten Hass gibt es für irgendwas mit Feminismus. Ich meine mit „Hass“ | |
| auch nicht Kritik, sondern diese „Du bist unfickbar/Dich sollte man | |
| vergewaltigen“-Messages. | |
| Meine schönste Erfahrung waren die Reaktionen auf „Hört uns zu und haltet | |
| uns aus“. Normalerweise danken mir diejenigen, deren Positionen ich | |
| verteidige. Hier aber haben mir viele geschrieben, wie dankbar sie für den | |
| Perspektivwechsel sind und wie sie versuchen, Aktionen und Veranstaltungen | |
| inklusiver zu gestalten. Das Konzept Verbindung durch Auseinandersetzung | |
| ist aufgegangen. | |
| ## Mehr Mut | |
| Ich denke beim Schreiben nie daran, wen ich aufregen möchte. Sondern nur | |
| daran, wen ich zum Lachen bringen, zum Nachdenken anregen oder trösten | |
| könnte. Selbstkritik verbindet. | |
| Für das nächste Kolumnenjahr wünsche ich mir selbst mehr Mut zu heiklen | |
| Themen und mehr Lust am Rempeln. Und dem Diskurs wünsche ich entspanntes | |
| Tanzen. Herzliches Austeilen und würdevolles Einstecken. Nicht jeder, der | |
| in einem Punkt nicht deine Meinung teilt, wird zum Feind. Etwas zu | |
| hinterfragen, ist nicht unsolidarisch. Ein Witz, über den ich gerade nicht | |
| lachen kann, ist nicht automatisch problematisch. | |
| 9 Aug 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simone Dede Ayivi | |
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