| # taz.de -- Jakob Blasel in der Boulevardpresse: Wer mit dem Hund Gassi geht, k… | |
| > Die „Bild“ hat den neuen Chef der Grünen Jugend Jakob Blasel als | |
| > „Welpenfeind“ bezeichnet. Haustierhasser sind der neue Lieblingsfeind der | |
| > Politik. | |
| Bild: Schlechte Klimabilanz, aber meistens kein Arschloch: der Hund | |
| Wozu braucht man Haustiere? Klammern wir mal diejenigen domestizierten | |
| Tiere aus, die, problematisch genug, eine klar erkennbare Funktion haben: | |
| Kühe, die Milch geben, braucht man, wenn man Milch und Milchprodukte haben | |
| will – ob das nun ethisch vertretbar ist oder nicht. In vielen | |
| landwirtschaftlichen Betrieben dämmen Katzen die Mäusepopulation ein. Bei | |
| Blinden-, Wach- und Assistenzhunden ist klar, wozu sie dienen sollen. Aber | |
| im Alltag oder in der Politik, wozu braucht man sie da? | |
| Okay, in der Politik ist das leicht zu beantworten: Tiere binden Emotionen, | |
| also zumindest diejenigen, die nur zum Kuscheln da sind, und weder in | |
| Produktions- noch Dienstleistungszusammenhänge hineingezwungen sind. Wer | |
| mit Ressentiments Politik betreiben will, oder genauer: wer Empörung, | |
| blinde Wut und Hass auf Einzelpersonen und Menschengruppen schüren will, | |
| der braucht – oder missbraucht – solche Tiere. | |
| Er wird beispielsweise dem Zielobjekt seiner Menschenverachtung | |
| unterstellen, Hunde und Katzen zu essen, wie Donald Trump im TV-Duell den | |
| Schutzsuchenden aus Haiti. Oder er wird ihn als „Welpenfeind“ brandmarken. | |
| Das hat mit Jakob Blasel nun anlässlich seiner Wahl zum Bundessprecher der | |
| Grünen Jugend [1][die Bild getan]. Streng genommen, und man sollte es | |
| durchaus ab und zu mal streng nehmen, ist das wahrheitswidrig. Denn das | |
| Wort „Feind“ bezeichnet laut Akademie-Wörterbuch zunächst einmal jemanden, | |
| „dessen persönliches Verhältnis zu einer bestimmten anderen Person durch | |
| Feindschaft bestimmt ist“, oder auch jemanden, dessen Verhalten den | |
| Interessen einer bestimmten Gruppe zuwiderläuft, und schließlich noch | |
| jemanden, der etwas entschieden bekämpft. | |
| Die staatsrechtliche Ebenen klammern wir mal aus, denn von einem | |
| Welpenstaat fabuliert selbst der Bild-Autor Jan Schumann nicht, der seine | |
| berufliche Karriere nach eigenen Angaben als ebay-Powerseller begonnen hat. | |
| Auch in der Bild verramscht er Gebrauchtwaren: Das Zitat, mit dem er dem | |
| 24-jährigen Blasel ein problematisches Verhältnis zu Junghunden andichten | |
| will, stammt aus einem 5 Jahre alten Interview. Über Haustiere sagt Blasel | |
| darin, dass sie liebenswürdig seien – was jetzt nicht sonderlich feindselig | |
| klingt. | |
| Zugleich verweist er auf die Tatsache, dass Hunde und Katzen eine | |
| problematische Klima- und Umweltbilanz haben: Einem Zehn-Kilo-Hund müssen | |
| in Deutschland pro Jahr etwa eine Tonne [2][CO2-Emissionen zugerechnet | |
| werden]. Das ist mehr, als ein Mensch beispielsweise in Dschibuti | |
| verbraucht. Insofern ist Blasels Einschätzung, dass Haustiere klima- und | |
| umweltpolitisch Luxus sind, sachlich richtig. | |
| Seine politische Forderung damals: Es sollte verboten werden, „Tiere | |
| unnötig zu züchten“. Läge die unnötige Zucht von Hunden etwa im Interesse | |
| von Welpen? Wenn überhaupt, dann könnte die Äußerung als Mikro-Aggression | |
| gegen Züchter*innen feindlich gedeutet werden. Wäre die Bild etwa schon | |
| so woke, dass sie auf so etwas reagiert? | |
| Verrückt allerdings ist, wie stark diese reaktivierte beiläufige Äußerung | |
| nicht nur in den Social-Media-Echokammern weitergetragen wird, sondern auch | |
| zum Beispiel von Neuer Osnabrücker Zeitung und von Medien der Funke Gruppe. | |
| Dabei sind Blasels jüngere Äußerungen noch viel leichter zu recherchieren, | |
| zum Beispiel seine vor zwei Jahren auf derselben Welle veröffentlichte | |
| Kritik am Kleidungskonsum – ist der Chef der Nachwuchsgrünen ein | |
| Kleidungshasser? | |
| Kommt jetzt die Nacktpflicht bei den Jung-Grünen? Oder sein Hinweis darauf, | |
| dass der Umgang mit der Klimakatastrophe eine Frage der Menschenrechte ist. | |
| Beides hat allemal mehr politisches Gewicht, gerade auch in der aktuellen | |
| Diskussion ums Lieferkettengesetz. | |
| Aber die Tiere fehlen: Wahrscheinlich sind sie genau deshalb so wichtig, | |
| weil sie ermöglichen, das menschliche Bedürfnis auszuleben, Gefühle und | |
| Zuwendung zu zeigen, ohne dass man viel soziale Energie oder gar Zeit dafür | |
| benötigen würde. Ein, zwei Stunden Gassi gehen reichen ja schon, um sich | |
| wie ein Mensch zu fühlen. Danach hat man wieder den Kopf frei, um ganz | |
| Arschloch zu sein. Das ist, wozu wir Haustiere brauchen. Und wer uns das | |
| wegnehmen will, ist der Feind. | |
| 21 Oct 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bild.de/politik/inland/nachwuchs-waehlt-neue-spitze-welpen-fein… | |
| [2] https://www.mdpi.com/2071-1050/12/8/3394 | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
| ## TAGS | |
| Bild-Zeitung | |
| Boulevardpresse | |
| Boulevard | |
| Tier | |
| Grüne Jugend | |
| US-Wahl 2024 | |
| US-Wahl 2024 | |
| Haustiere | |
| Landwirtschaft | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Hund in süßer Soße: Trump, Haustiere und warum Nordkorea schuld ist | |
| Das Essen wurde auf den Tisch gestellt und alle aßen es brav. Einmal sagte | |
| die Reiseleitung später: Das war übrigens Hundefleisch. | |
| Haitianische Migranten in den USA: Die rassistischen Gerüchte | |
| Haltlose Behauptungen Trumps bringen haitianische Migranten in den USA | |
| zunehmend in Gefahr. Ihre Dämonisierung hat eine lange Tradition. | |
| Mensch-Tier-Beziehungen: Wo die Liebe hinbellt | |
| Laut einer Befragung ersetzen Hunde und Katzen zunehmend Menschen als | |
| Freund:innen und Partner:innen. Warum alle von dieser Entwicklung | |
| profitieren. | |
| Gläubischenfantasie: Bethlehems Krippe, Norddeutschlands Stall | |
| Der zentrale Ort des Weihnachtsmythos ist der Stall. Heute freilich dient | |
| er einer Produktionsoptimierung, die sich kaum als erfülltes Leben | |
| bezeichnen lässt |