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# taz.de -- Instagram will Mobbing vorbeugen: Sekunden für die Selbstreflexion
> Mit einem neuen Tool will Instagram künftig Beleidigungen in Kommentaren
> identifizieren – und den Verfasser kurz zum Innehalten zwingen.
Bild: Instagram wendet sich mit dem neuen Feature gezielt an die Bullies
Berlin taz | „Sind Sie sicher, dass Sie das Dokument verwerfen wollen?“,
„Alle Daten gehen verloren, wenn Sie Ihr Smartphone zurücksetzen. Ist Ihnen
das klar?“ Fragen wie diese zielen ab auf alltägliche Unachtsamkeiten.
Unsere Geräte und Programme sind so eingestellt, dass ein einziger
unbedachter Klick nicht gleich eine Katastrophe auslöst.
Die Plattform Instagram will diese aufploppenden Vergewisserungen nun auf
Zwischenmenschliches anwenden. User, die im Begriff sind, Beleidigendes
unter dem Bild einer anderen Person zu posten, sollen künftig gefragt
werden, ob sie das wirklich durchziehen wollen.
Das neue Feature gibt NutzerInnen also die Gelegenheit, es sich anders zu
überlegen, hält sie aber nicht davon ab, potenziell verletzende Kommentare
zu posten. Mithilfe künstlicher Intelligenz will die Plattform Kommentare
vor dem Absenden auf verdächtige Wörter überprüfen. Findet sie
Verunglimpfungen, muss der oder die UserIn wenige Sekunden innehalten,
bevor der beleidigende Kommentar erscheint. Ob das reicht für tiefergehende
Selbstreflexion? Schließlich kann man den Countdown auch einfach aussitzen.
Eine gezielte Zustimmung zum Veröffentlichen des verfassten Kommentars ist
nicht notwendig.
Über einen weiterführend Link gelangen NutzerInnen, wenn sie ihn denn
anklicken, zu einer Erklärung: „Wir wollen, dass Instagram ein Ort bleibt,
an dem man sich gegenseitig unterstützt“, steht da unter einer
herzerwärmenden Illustration. Ein eindringlicher Appell an die
Menschlichkeit des Users sieht anders aus. Auch von möglichen Konsequenzen,
die hasserfüllte Posts nach sich ziehen könnten, steht da nichts.
## Entfernen, blockieren, melden
Nina Pirk, zuständig für das Projekt „Safer Internet“ bei der [1][Nummer
gegen Kummer], findet diesen Ansatz trotzdem richtig. „Viele posten, ohne
groß darüber nachzudenken, wie das bei dem anderen ankommt. Oder aus einer
Wut heraus. Da kann es helfen, sich kurz sammeln zu müssen“, sagt sie.
Sanktionen brauche es da nicht sofort. Nur mit der sich stets wandelnden
Jugendsprache könnte es Probleme geben. „Beleidigungen ändern sich ja
ständig.Wie soll ein Algorithmus das verlässlich erkennen können?“
Etwa eines von zehn Beratungsgesprächen, die Nina Pirk führt, drehe sich um
Cybermobbing. Laut Einschätzung der Opferinitiative Weißer Ring seien
insbesondere junge Menschen zwischen 12 und 19 Jahren betroffen. Einer
[2][Studie aus dem Jahr 2017] zufolge gaben 13 Prozent der befragten
SchülerInnen an, schon einmal im Netz gemobbt worden zu sein.
Zahlen aus den USA und Großbritannien sind noch alarmierender: [3][59
Prozent] der interviewten amerikanischen Teenager gaben in einer Umfrage
an, schon einmal online beleidigt worden zu sein, im Vereinigten Königreich
sind es [4][laut Zahlen einer Anti-Mobbing-Initiative] etwa 42 Prozent.
Facebook listet im „Hilfebereich“ seines Netzwerks folgende Ratschläge
gegen Cyber-Mobbing: Je nach „Ernst der Situation“ solle man die Person
entweder als FreundIn entfernen, sie blockieren oder melden. Schutz gegen
Bullying bestehe darin, nicht zurückzuschlagen, mit dem Umfeld darüber zu
sprechen und die Vorfälle zu dokumentieren.
Facebook ruft also die Opfer auf, in der Situation selbst aktiv zu werden.
Instagram hingegeben wendet sich mit seinem leicht pädagogischen Ansatz an
TäterInnen, oder diejenigen, die kurz davor sind, es zu werden.
## Die Freude an der Provokation verderben
Der Grund: „Wir haben von jungen Leuten in unserer Community gehört, dass
sie oft zögern, ihre Peiniger zu blocken, zu entfolgen oder sie zu melden,
weil das die Situation erst recht eskalieren könnte. Gerade wenn sie mit
den Personen auch im wahren Leben interagieren“, schreibt Instagrams CEO
Adam Mosseri [5][in einem Blogpost].
Und stellt dann gleich noch eine weitere Maßnahme vor. Mit der Erweiterung
„Restrict“ (auf Deutsch: drosseln oder einschränken) sollen NutzerInnen
ihre Bullies blocken können, ohne dass die davon erfahren. Kommentare unter
dem Bild einer gemobbten Person bleiben demnach nur für den Bully selbst
sichtbar. Und eine mögliche Konfrontation auf dem Schulhof würde
ausbleiben.
Zu „Restrict“ hat Nina Pirk keine eindeutige Meinung. „Erst einmal ist
begrüßenswert, dass überhaupt Maßnahmen ergriffen werden und Instagram sich
klar positioniert“, sagt sie. Und der Schlüssel im Umgang mit Mobbing sei
ja, dem Bully die Freude an der Provokation zu nehmen. Zum Beispiel, indem
jegliche Reaktionen ausbleiben. „Bei ‚Restrict‘ ist aber fraglich, wie es
den Beleidigungen konkret entgegenwirken soll.“
Nina Pirk wünscht sich stattdessen, soziale Medien würden sehr viel mehr
auf die Problematik aufmerksam machen und Hilfsangebote prominenter
platzieren. Sozialen Netzwerken ist in der Vergangenheit immer wieder
vorgeworfen worden, zu lasch gegen Cyber-Mobbing vorzugehen. Nina Pirk kann
dem nicht ganz zustimmen: „Um Mobbing zu verhindern, vor allem aber
Betroffene zu unterstützen, müssen Bemühungen an vielen Stellen
zusammenkommen.“ Betroffene, Beratungsstellen, Schulen und eben das soziale
Netzwerk. „Am Ende sind alle gefragt. Wir brauchen eine Kultur, in der
Mobbing uncool ist.“
10 Jul 2019
## LINKS
[1] https://www.nummergegenkummer.de/
[2] https://www.buendnis-gegen-cybermobbing.de/index.php?id=125
[3] https://www.pewinternet.org/2018/09/27/a-majority-of-teens-have-experienced…
[4] https://www.theguardian.com/technology/2019/jul/09/instagram-bullying-new-f…
[5] https://instagram-press.com/blog/2019/07/08/our-commitment-to-lead-the-figh…
## AUTOREN
Leonie Gubela
## TAGS
Mobbing
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