# taz.de -- Hamburger Musikerin Peta Devlin: Hosenbeine zum Vibrieren bringen | |
> Peta Devlin ist eine unterschätzte Größe der Hamburger Musikszene. Nun | |
> veröffentlicht die 46-Jährige ein Album mit Ärzte-Sänger Bela B. | |
Bild: Peta Devlin (Zweite von rechts) mit ihrer Band „Die Braut haut ins Auge… | |
Eigentlich war es als Kompliment gemeint. Peta Devlin aber tut erschrocken: | |
„Ich – ein Urgestein der Hamburger Musikszene? Hilfe!“ Dabei muss man | |
heutzutage im kurzlebigen Musikbiz gar nicht mehr so alt sein, um als | |
Urgestein durchzugehen. Und tatsächlich scheinen die Flegeljahre der | |
Hamburger Schule, mit der Devlin Anfang der Neunziger in Berührung kam, | |
schon einer längst versunkenen, oft auch nostalgisch verklärten Ära | |
anzugehören. | |
„Viel zu lange her“, findet auch Peta Devlin und befürchtet, dass ihre | |
Erinnerung sie im Stich lässt. Als sie aber anfängt zu erzählen, bei | |
veganem Salat und Kaffee, klingt das wie ein Querschnitt durch die | |
Popgeschichte der letzten 50 Jahre. Im Akkord fallen Namen wie Sex Pistols, | |
Die Braut haut ins Auge, Black Sabbath, Die Goldenen Zitronen, Dolly Parton | |
oder Oma Hans. Was die gemeinsam haben? Sie sind InspiratorInnen, | |
Weggefährten oder Bands von Peta Devlin. Aber mal der Reihe nach. | |
Alles fing damit an, dass Devlin als junge Frau die Enge ihrer britischen | |
Heimat nicht mehr ertrug. Im Thatcher-England wurden kreative Perspektiven | |
kleingeschrieben. „Ich sah wenig Möglichkeiten, so zu leben, wie ich es | |
wollte“, sagt Devlin rückblickend, „ich wollte in die Welt hinaus, ein Teil | |
davon sein.“ Was vor ihr lag, das wollte sie sich zumindest nicht vom | |
konservativen England der späten Achtziger diktieren lassen. | |
## Der große Welthunger | |
Fluchtreflex und Welthunger brachten Devlin eher zufällig nach Hamburg. | |
„Ursprünglich wollte ich sechs Monate bleiben“, sagt sie schmunzelnd, | |
„daraus sind jetzt 24 Jahre geworden.“ 1990 gab es in Hamburg noch keine | |
Elbphilharmonie, keine Luxushotels auf St. Pauli, kein Clubsterben. Dafür | |
regte sich eine lebendige Straßenmusikszene und ein Kreis junger Leute | |
gründete Bands. Ihre Sounds waren verschieden, von Punk bis Pop, aber ihr | |
gemeinsamer Nenner bestand darin, in deutscher Sprache zu singen und ein | |
kritisches Auge auf das popkulturelle Establishment zu werfen. Bald sprach | |
man von diesem losen Zusammenhalt als „Hamburger Schule“. | |
Peta Devlin, die zu der Zeit in der Mönckebergstraße, im Zentrum der Stadt, | |
Rock-’n’-Roll-Klassiker auf der Straße spielte, lernte erst ihren | |
Lebensgefährten Thomas Wenzel (Die Goldenen Zitronen, Die Sterne) und kurz | |
darauf Bernadette La Hengst kennen. „Das war eine tolle Begegnung“, | |
erinnert sich Devlin, „eine Frau in meinem Alter, blond, wie ich, die | |
ähnliche Musik machte und mochte.“ | |
Bernadette La Hengst spielte in der Girlband Die Braut haut ins Auge, und | |
eines Tages bekam Devlin einen Anruf von ihr. Sie müsse auf den nächsten | |
Konzerten als Bassistin einspringen. Devlin hatte aber noch nie einen Bass | |
in der Hand gehabt. „Das lernst du in zwei Wochen“, versicherte ihr La | |
Hengst. Devlin ging auf die Bühne – und blieb Bassistin der Braut bis zu | |
ihrer Auflösung im Jahr 2000. | |
## Feministische Subversion | |
Im Nachhinein wird Die Braut in Zusammenhang mit der Riot-Grrrl-Szene | |
gebracht, die sich Anfang der neunziger Jahre um Kathleen Hanna in den USA | |
formierte. „Revolution Girl Style now!“, lautete der Kampfspruch der | |
Bewegung, ihr Ziel war eine feministische Subversion des Musikbiz. Man | |
wollte sich unabhängig machen von der männlich geprägten | |
Verwertungsmaschinerie. Alben, Singles und Fanzines wurden in Eigenregie | |
produziert. US-Girl-Punkbands wie Bikini Kill verschafften sich damals | |
internationale Aufmerksamkeit. | |
Peta Devlin bezweifelt, dass es überhaupt eine deutsche Riot-Grrrl-Szene im | |
engeren Sinn gegeben hat. Die Braut haut ins Auge will sie nicht in | |
direkter Verbindung damit sehen, auch wenn man sich, was das feministische | |
Gedankengut anging, einig war. Der Sound der Braut war zu poppig, auch die | |
Vorbilder waren andere. „Unsere Helden waren The Liverbirds, eine britische | |
Girl-Beatband aus den sechziger Jahren“, sagt Devlin. „Die verkörperten | |
unsere Idee von Feminismus.“ | |
The Liverbirds, auch die „weiblichen Beatles“ genannt, waren in den | |
sechziger Jahren im Hamburger Star-Club aufgetreten und hatten sich | |
besonders hierzulande einen Namen gemacht. „Anders als sie wollten wir vor | |
allem als Musikerinnen betrachtet werden und nicht in erster Linie als | |
Girlband“, sagt Devlin. Ein Problem, mit dem Frauen auf der Bühne heute | |
noch konfrontiert sind. Devlin aber lobt, dass sich seither viel getan | |
habe: „Feist, Chicks on Speed oder Planningtorock – das sind doch alles | |
tolle Frauenbilder.“ | |
Mit dem kritischen Blick des älteren Ich auf das jüngere findet sie | |
rückblickend, dass Die Braut damals Chancen verpasst hat, feministische | |
Positionen zu beziehen. „Es ist eher so, wie wenn man ein Foto von sich als | |
Teenager sieht. Im Nachhinein denkt man: Was hab ich denn da an? Aber zu | |
der Zeit hat es eben gepasst.“ | |
## Die schönsten Momente | |
Vorbilder waren Devlin und ihre Bandfreundinnen, genau wie ihre Heldinnen | |
The Liverbirds. Nicht selten kamen junge Mädchen nach den Konzerten zu | |
ihnen und berichteten stolz, dass sie sich gerade eine E-Gitarre gekauft | |
hätten. „Das waren die schönsten Momente“, erinnert sich Devlin. | |
Nach der Auflösung der Braut schlug Devlin musikalisch andere Wege ein. Im | |
Bandprojekt Cow, in dem auch Thomas Wenzel mitwirkte, lebte sie Anfang der | |
nuller Jahre ihre leidenschaftliche Liebe zu Country aus. Die verdankt sie | |
einer Art Aha-Erlebnis, das sie als junge Frau hatte. „Wenn ich mich | |
wirklich auf eine Musikrichtung festlegen müsste, dann wäre es Country“, | |
sagt Devlin überzeugt. Etwa zeitgleich wurde sie Bassistin der Punkband Oma | |
Hans, die vom ehemaligen Angeschissen-Sänger Jens Rachut gegründet worden | |
war. | |
Ihr Faible zu rockigen Sounds hatte Devlin schon als Kind entdeckt. Ein | |
Tennisschläger musste als Gitarrenersatz herhalten, bis der | |
musikbegeisterte Vater, der oft die ganze Familie zum vierstimmigen Singen | |
einspannte, ihr eine echte kaufte. Die Hippie-Klassenlehrerin gab ihr | |
Unterricht und hätte am liebsten eine kleine Joni Mitchell aus ihr gemacht. | |
Devlin aber hatte etwas ganz anderes im Sinn: „Ich wollte lieber der | |
Hardrock-Typ sein, der auf der Bühne steht und performt.“ | |
## Ohne Hardrock-Klischees | |
Bei Oma Hans wurden zwar die Trommelfelle bis aufs Äußerste strapaziert – | |
und die Hosenbeine zum Vibrieren gebracht, aber Hardrock-Klischees hatten | |
im Punk nichts zu suchen. Genau das gefiel Devlin: „Interessanterweise war | |
es die Punk- Szene, in der ich am wenigsten das Gefühl hatte, als einzige | |
Frau in der Band etwas Außergewöhnliches zu sein.“ Immer noch verbindet | |
Devlin eine enge Freundschaft mit Jens Rachut. Heute machen sie zwar keine | |
Musik mehr zusammen, dafür produzieren sie „wirre, irre“ Hörspiele fürs | |
Radio. Devlin hat sich ohnehin nie voll und ganz dem Musikmachen | |
verschrieben. | |
In den neunziger Jahren fing sie als Tontechnikerin im Hamburger | |
Soundgarden-Studio an, arbeitete unter anderem mit Superpunk und Blumfeld. | |
Letztes Jahr hat sie ein Soloalbum von Schorsch Kamerun produziert, gerade | |
bastelt sie mit der Folk-Pop-Sängerin Caro Garske alias Sandy Beach an | |
deren Debütalbum. „Ich bin immer auf der Suche nach Neuem,“ sagt Devlin, | |
„mir wird einfach schnell langweilig.“ | |
So zögerte sie nicht lange, als vor einem Jahr Bela B eine Mail schickte, | |
um sie zu fragen, ob sie ein Duett mit ihm aufnehmen wolle. Aus einem Duett | |
wurden viele, und nun steht eine gemeinsame Tour mit Bela B und der Band | |
Smokestack Lightnin’ vor der Tür. Auch der Girlband-Spirit hat Devlin nie | |
losgelassen. Ihre neue Band Mars Needs Women bringt im Herbst ihr Debüt | |
heraus. Der Sound ist Roots-Rock-’n’-Roll mit Tanzbein. „Da stehen drei | |
Post-40-Frauen in silbernen Raumanzügen auf der Bühne und sehen total heiß | |
aus“, freut sich Devlin. Wir dürfen gespannt sein. | |
26 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Carla Baum | |
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