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# taz.de -- Album „In der Zuckerfabrik“ von Kante: Ein bisschen irre
> Zwischen todtraurig und gut gelaunt: Die Hamburger Band Kante ist wieder
> da. Sie bringt ihre Theatersongs als Album heraus und gibt zwei Konzerte.
Bild: Seit dem letzten Album ist einige Zeit vergangen, doch die Musiker von �…
Ein „überbordendes, deepes, irres und wagemutiges Album“ ist angekündigt:
Es heißt „In der Zuckerfabrik“ und stammt von Kante. Lange war es still um
die Hamburger Band, die zuvor für ihre Konzeptalben sehr gelobt wurde und
mit „Zombi“ (2004) einen Postrock-Smash-Hit der unmöglich Aussehenden auf
Indiepartys schaffte.
Kante ließen mehr als sieben Jahre nichts mehr von sich hören. Zumindest
nicht im erwarteten Sinn von einer Band, die immer noch mit der Hamburger
Schule in einem Atemzug genannt wird, weil Kante-Sänger Peter Thiessen
zeitweilig Bass bei Blumfeld spielte.
Aber Kante haben seit 2007 mehr neue Songs geschrieben und regelmäßiger
live gespielt als je zuvor in ihrer Karriere. Allerdings auf Theaterbühnen
von Wien bis Hamburg. Nun scheint es an der Zeit, ihre Lieder aus den
Schauspielsälen herauszuholen und den Spielplan überdauern zu lassen. Das
ist das Ziel des neu gegründeten Labels Hook Music, das zu einem Verlag
gehört, der vor allem für die monatlich erscheinende Fachzeitschrift
Theater der Zeit bekannt ist.
Anfang des Jahres erscheint dort also „In der Zuckerfabrik“, ein
Querschnitt der Theatersongs von Kante, die für Stücke wie „Doktor Faustus�…
(nach Thomas Mann) am Burgtheater, „Dämonen“ (nach Dostojewski) am
Staatsschauspiel Dresden, für das Kinderstück „Wilde Kerle“ am Thalia
Theater Hamburg und für mehrere Stücke an der Schaubühne in Berlin
entstanden sind.
## Neue Textwelten
Nachdem Kante 2007 auf dem Album „Kante plays Rhythmus Berlin“ Texte
vertont hatten, die Sänger Peter Thiessen für eine Revue am Berliner
Friedrichstadt-Palast geschrieben hatte, folgte die Einladung nach
Österreich. Regisseurin Friederike Heller fragte, ob Kante die Musik für
ihre Inszenierung von Peter Handkes „Spuren der Verirrten“ schreiben und
performen könnten. Seitdem arbeitete die Band immer wieder mit Heller
zusammen.
Sie wurden konfrontiert mit neuen Textwelten, Bühnenenergien und
Produktionsbedingungen, irren Schauspielern, quatschenden Dramaturgen, Ruhe
bewahrenden Regisseurinnen, schimpfenden Bühnenarbeitern, entrüsteten
Kritikern, explodierenden Scheinwerfern und hormonell reich beschenkten
Intendanten, wie Thiessen es in der Ankündigung ausdrückt.
Diese unterschiedlichen Motivationen und Inspirationen, hört man den Songs
auf „In der Zuckerfabrik“ auch an. Da schweift einmal der „Geist der Lieb…
um die Häuser und weht übers Meer, trifft auf fleischliche Reize und
strahlende Augen, was er so auch auf dem Kantealbum „Zweilicht“ hätte tun
können, ohne aufzufallen.
Wenn aber in der traurigen Ballade „Als der Tag verging“, in der nur
Thiessens markante Stimme an Kante erinnert, gefordert wird: „Jetzt musst
du deinen Adel offenbaren“, dann ist das weit von den geschrammelten
Gitarren der Hamburger Schule entfernt. Eher ungewöhnlich klingen auch die
englisch gesungenen Songs wie „Black Rider“, in dem Thiessen „your blood
like wine“ trinkt. Dazu wird in etwa so fröhlich aufgespielt, dass Tom
Waits einen Bourbon in der Hand dazu schwenken könnte.
## Von verschütteten Frauen und abgerissenen Gliedern
In dem titelgebenden „Lied von der Zuckerfabrik“, das für „Candide oder …
Optimismus“ am Münchner Residenztheater performt wurde, nimmt sich
Thiessen, inspiriert von Voltaire, der politischen Schieflagen von heute
an. Ein Protestsong gegen die Festung Europa: „Das ist das Blut, das bei
uns fließt / Das ist der Preis, das ist der Preis / Um den ihr drüben in
Europa euren Zucker genießt“. Auf einer Melodie zum Mitsingen ist die Rede
von abgehackten Händen, von Litaneien in der Kirche, deren gepredigte
Gleichheit von Schwarz und Weiß nicht für alle gelte.
Von verschütteten Frauen und von abgerissenen Gliedern, zerfetzt und
blutig, erzählt auch der Song „Das Erdbeben von Lissabon“, in dem Menschen
fürs Große und Ganze geopfert müssen. Zu der Zeile „Seid ruhig und sterbt
ohne zu klagen“ hört man ein Mitklatschen. Ist es nun von Kleist, von
Goethe? Ist das egal?
Hört man die Songs jenseits des Aufführungskontextes, bleibt Irritation.
Wird Gesellschaftskritik geübt? Und was genau ist der Reiz dieser
Theaterlieder. Als Gesamtwerk klingt es überbordernd und wagemutig. Wenn es
in eine Kategorie passt, dann in die des Sammelsuriums.
Und tatsächlich wird man auch ein bisschen irre von den einzelnen Liedern.
Musikalisch lässt sich das irgendwo zwischen den Einstürzenden Neubauten
und James Blake einordnen. Mal todtraurig, mal sehnsuchtsvoll verliebt,
manchmal wütend, manchmal gut gelaunt wie ein Kind.
19 Dec 2014
## AUTOREN
Juliane Streich
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