# taz.de -- Die Heiterkeit mit neuem Album: Fast schon Kalifornien | |
> Nun erscheint „Monterey“, das neue Album der Hamburger Band. Die | |
> Heiterkeit zeigt einen rundum erneuerten Sound, inklusive | |
> No-Nonsense-Attitude. | |
Bild: Stilleben mit Die Heiterkeit. | |
Das heiß erwartete zweite Album von Talenten, das beweisen viele Beispiele, | |
geht leicht daneben. Mal wird versucht, exakt den erprobten Sound des | |
Debüts beizubehalten. Dann ist es schlicht langweilig. Oder es werden krude | |
Experimente gewagt, die nur nach erzwungener musikalischer Entwicklung | |
klingen. Dann kann es richtig böse werden. Es erleichtert, dass Die | |
Heiterkeit es besser wissen, und zugleich verwundert es auch kein bisschen. | |
Zur Erinnerung: Im Sommer 2012 hatten die drei Musikerinnen Die Heiterkeit | |
ihr Debütalbum „Herz aus Gold“ veröffentlicht und es durch wohlplatziertes | |
Schweigen geschafft, dass ihre Musik allseits hibbelig erwartet wurde. | |
Ganz schön mutig für eine junge Band, die biertrinkend in Hamburger Kneipen | |
Freundschaften zu anderen Musikern knüpfte. Aber die Strategie | |
funktionierte. „Herz aus Gold“ und Die Heiterkeit wurden zu | |
Kritikerlieblingen. Unter den HörerInnen dagegen fielen die Reaktionen | |
polarisierter aus. „Die kann ja gar nicht singen“, „Das Schlagzeug ist | |
nicht zum Streicheln da“, solche Sätze mussten sich die drei Hamburgerinnen | |
zunächst gefallen lassen. | |
Wirklich gejuckt hat das die Band nicht. Bereits die ersten Liveauftritte | |
fanden in wichtigen Clubs statt. Auf der Bühne sah man drei durchaus | |
zugewandte, aber unaufgeregte junge Frauen, die aussahen, als wäre das | |
alles ein piece of cake. Vergeblich hätte man auf überschwänglichen Dank | |
oder hastig gesäuselte Aufforderungen, doch bitte das Album zu kaufen, | |
gewartet. | |
Nun sind sie zurück in veränderter Besetzung: Stella Sommer und Rabea | |
Erradi, Gesang, Gitarre und Bass, sind geblieben. Schlagzeugerin Stefanie | |
Hochmuth verließ Die Heiterkeit im Mai, kurz vor der Aufnahme des neuen | |
Albums. An ihre Stelle ist Anna-Leena Lutz, eine Freundin Erradis und | |
Sommers und vorher Schlagzeugerin bei der Berliner Indie-Pop Band Half | |
Girl, getreten. Eine Lokalband wollten Die Heiterkeit nie sein. Und nun | |
sind sie auch endgültig keine Hamburger Band mehr: Die drei leben | |
mittlerweile auf Hamburg, Berlin und Leipzig verteilt und treffen sich zum | |
Proben in der Hauptstadt. | |
## Bewusst übertreiben | |
Den Hamburger-Schule-Sound wird man dennoch weiter assoziieren, wenn im | |
Februar das neue Album „Monterey“ erscheint. Die Heiterkeit haben sich für | |
die Produktion Moses Schneider ins Boot geholt, der vor allem für seine | |
Zusammenarbeit mit Tocotronic bekannt ist. Mit ihnen werden Die Heiterkeit | |
auch oft verglichen. „Monterey“ bewahrt sich diese Nähe, bewegt sich aber | |
auch davon weg. Schneider sei mit dem dezidierten Anspruch in die | |
fünftägige Aufnahmephase gegangen, „es soundmäßig so richtig zu | |
übertreiben“, wie Sommer sagt. | |
So gesellt sich auf „Monterey“ ein vom Touch her schneidender New Wave zum | |
vom Debüt her bekannten Signatursound von E-Gitarre, Schlagzeug und Bass. | |
Es klingt konzeptueller als bei „Herz aus Gold“. Die zehn Songs halten mit | |
Overdubs, Hall und melodischen Basslines weitaus mehr musikalische Brüche | |
bereit. Trotzdem wurde auf Subtilität geachtet, sodass die neuen Stücke | |
nicht over the top klingen. Immer noch ist da Sommers unkonventioneller | |
Gesang, einen Tick tiefer als eigentlich nötig. Immer noch sind da ihre | |
schwer greifbaren Texte, denen inhaltlich zu folgen Probleme bereitet. | |
Durch das Album zieht sich eine Ästhetik des Ungefähren, musikalisch wie | |
textlich. Mal klingt ein Lied fast melancholisch, fast kitschig, dann | |
schlägt es plötzlich um in Frohsinn. „Pauken und Trompeten“ könnte fast … | |
Liebeslied durchgehen. „Du liebst mich immer noch / Wie am ersten Tag / Und | |
wenn ich will / Lässt es niemals nach.“ Aber nein, so recht glücklich mag | |
das dann doch nicht rüberkommen. | |
Von Fern fühlt man sich im Refrain von „Wässere mich“ gar an einen Schlag… | |
erinnert: „Du siehst vertrocknet aus / Und kommst, weil ich dich brauch / | |
Komm wässere mich / Mit einer Träne von dir.“ Wäre da nicht das | |
hinterlistige Wörtchen „vertrocknet“ und vor allem Sommers unaufgeregte | |
Stimme, die so betont unbeteiligt singt. | |
## Aus dem Zusammenhang, in den Kontext | |
„Ich finde es interessant, Dinge aus ihrem Kontext zu reißen und sie neu zu | |
kombinieren“, erklärt die Sängerin und Gitarristin. Dahinter steckt auch | |
eine Absage an Authentizität und den Gedanken, dass Texte im stillen | |
Kämmerlein als Ausgeburten eines vermeintlich geniehaften Geistes | |
entstehen. „Monterey“ verschleiert seine Zitathaftigkeit nicht, bezieht | |
seine Originalität aus der Neuzusammensetzung von Inspirationsquellen. | |
Der Song „Die ganzen müden Pferde“ etwa ist eine Hommage an Bob Dylans „… | |
the tired horses“, aber nicht im ehrfürchtig-bewundernden Sinn: „Ich finde | |
Dylans Song überraschend schwach“, sagt Sommer, „und dachte, das kann ich | |
besser machen.“ | |
Keine Angst vor den Großen, Lässigkeit und eine gesunde Portion | |
Selbstironie – diese Kombination hat sich für Die Heiterkeit schon bei | |
ihrem Debüt bewährt. Da streuten sie ebenso konsequent wie nebenbei die | |
kalifornische Band Pavement als Einflussgröße ein, bis wirklich jeder von | |
Sommer als weibliche und deutsche Version von Stephen Malkmus schrieb. | |
Doch große Würfe muss man sich leisten können, sonst wird es schnell | |
lächerlich. Ihr Album „Monterey“, benannt nach der Stadt in Kalifornien, | |
die sich Die Heiterkeit von der Landkarte pickten, kann es sich leisten. | |
2014 jedenfalls würde ein gutes Jahr werden, wenn alles so ist, wie auf | |
„Monterey“: Das Gute bewahrend, das Neue und Erweiternde umarmend. | |
14 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Carla Baum | |
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