# taz.de -- Grünen-Co-Chefin Brantner zu Gaza: „Es braucht ein Machtwort von… | |
> Die Bundesregierung müsse endlich ins Handeln kommen, fordert Grünen | |
> Co-Chefin Franziska Brantner. Es brauche ein gemeinsames europäisches | |
> Vorgehen. | |
Bild: Rechte Aktivist*innen protestieren für eine Besiedlung des Gazastreifens… | |
taz: Frau Brantner, [1][Außenminister Johann Wadephul hat auf seiner | |
Israel-Reise] klare Worte für die Situation in Gaza und die im | |
Westjordanland gewählt. Richtig so? | |
Franziska Brantner: Die Bilder aus Gaza sind unerträglich. Die klaren Worte | |
von Herrn Wadephul reichen aber nicht aus, es müssen nun Taten folgen. | |
Leider hat das Sicherheitskabinett in seiner Telefonschalte am Samstag | |
wieder keine Konsequenzen beschlossen. Die SPD wäre offenbar dafür, aber | |
die CSU geht in die komplette Gegenrichtung. Innenminister Dobrindt will | |
sogar die Rüstungskooperation mit Israel vertiefen. Es braucht ein | |
Machtwort von Merz und er muss ins Handeln kommen. | |
taz: Welche Schritte erwarten Sie konkret von der Bundesregierung? | |
Brantner: Es braucht endlich ernsthaften Druck für ein Ende des Kriegs und | |
der humanitären Katastrophe, die Freilassung der Geiseln sowie eine | |
politische Perspektive. Konsequentes europäisches Handeln in diesem Sinne | |
darf Deutschland nicht mehr verhindern. Es ist begrüßenswert, dass vor | |
wenigen Tagen eine Reihe arabischer Staaten die Hamas aufgefordert hat, die | |
Macht abzugeben. Für Frieden in der Region muss die Hamas die Geiseln | |
freilassen und die Waffen niederlegen. Auf der anderen Seite muss die | |
israelische Regierung, auch durch Druck, dazu gebracht werden, das | |
Völkerrecht einzuhalten und die Zweistaatenlösung zu ermöglichen. | |
taz: Soll sich Deutschland dem französischen Präsidenten Macron | |
anschließen, der angekündigt hat, Palästina bei der UN-Generalversammlung | |
im September als Staat anzuerkennen? | |
Brantner: Nein, nicht ohne Bedingungen. Die Anerkennung muss Teil eines | |
politischen Prozesses sein. Aber die Bundesregierung muss sich endlich | |
aktiv für diesen politischen Prozess einsetzen. An der nächsten | |
UN-Konferenz zur Zweistaatenlösung muss der Außenminister persönlich | |
teilnehmen. Merz hatte den Anspruch, ein großer europäischer Kanzler zu | |
werden, Außenpolitik zu seinem Herzstück zu machen. Hier fehlt er. | |
Deutschlands Wort hat in Israel ein besonderes Gewicht. Das bringt | |
besondere Verantwortung mit sich, aber auch die Chance, mit Macron und | |
anderen zu sagen: Wir machen jetzt die europäische Friedensinitiative. Die | |
Hamas könnte übrigens durch ihre Kapitulation eine Anerkennung massiv | |
beschleunigen. | |
taz: Ein mögliches Druckmittel wäre [2][die Aussetzung des | |
EU-Assoziierungsabkommens] mit Israel. | |
Brantner: Das Abkommen hat verschiedene Kapitel und es wäre falsch, die | |
Teile auszusetzen, die die Zivilgesellschaft, Wissenschaftler oder | |
Kulturschaffende betreffen. Es gibt aber Vorschläge zum Handelsteil, die | |
der israelischen Regierung die Konsequenzen für den fortwährenden Bruch des | |
Völkerrechts verdeutlichen. | |
taz: Warum nicht den ganzen Handelsteil aussetzen, wie es Schweden gerade | |
vorgeschlagen hat? | |
Brantner: Man kann auch stufenweise vorgehen und es regelmäßig überprüfen. | |
Dann hat man weitere Druckmittel in der Hand, wenn die Lage in Gaza sich | |
nicht nachweislich verbessert. Wie die letzte Woche zeigt, wirkt Druck – | |
aktuell gelangen wieder etwas mehr Lebensmittel nach Gaza. Unabdingbar ist, | |
endlich ein gemeinsames europäisches Vorgehen zu ermöglichen. | |
taz: Es gibt in der EU auch Forderungen nach einem kompletten Waffenembargo | |
gegen Israel. Sie sind weiterhin dagegen? | |
Brantner: Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Exportstopp für die | |
Waffen gelten muss, die in Gaza völkerrechtswidrig eingesetzt werden. Es | |
gibt aber auch Waffen, die notwendig sind, damit sich Israel verteidigen | |
kann gegen die Huthis, gegen Iran, gegen die Hisbollah. Es ist Aufgabe der | |
Bundesregierung, diese Differenzierung umzusetzen. | |
taz: Ein komplettes Embargo wäre das effektivere Druckmittel. | |
Brantner: Als Deutsche haben wir eine doppelte Aufgabe: sich dafür | |
einzusetzen, dass das unerträgliche Leid in Gaza endet und der | |
offensichtliche Bruch des Völkerrechts aufhört. Andererseits tragen wir | |
Verantwortung für jüdisches Leben bei uns und für die Sicherheit Israels. | |
Dabei ist es wichtig, zwischen Israel und der israelischen Regierung zu | |
differenzieren. Netanjahu ist nicht Israel. Netanjahu war nie für eine | |
friedliche Lösung mit den Palästinensern. Und er hat rechtsextreme | |
Minister im Kabinett wie Finanzminister Smotrich und Sicherheitsminister | |
Ben-Gvir. | |
taz: Gegen diese beiden Minister fordern Sie persönliche Sanktionen? | |
Brantner: Ja. Mehrere europäische Länder haben schon Sanktionen gegen sie | |
verhängt und auf EU-Ebene wäre das auch ein großer Hebel. | |
taz: CSU-Generalsekretär Martin Huber sagt, solche Maßnahmen würden „das | |
deutsch-israelische Verhältnis schwer beschädigen“. | |
Brantner: Diese zwei Minister normalisieren willkürliche Gewalt gegen die | |
Palästinenser im Westjordanland und treiben die völkerrechtswidrige | |
Annexion des Gebiets tatkräftig voran. Wenn wir das akzeptieren, können wir | |
solche Verbrechen auch anderswo auf der Welt nicht mehr kritisieren. | |
taz: Während der ersten anderthalb Jahre des Krieges saßen die Grünen in | |
Deutschland noch in der Regierung. Ist Ihre Partei für die jetzige Lage | |
nicht mitverantwortlich? | |
Brantner: Erinnern Sie sich daran, wie sehr Frau Baerbock kritisiert wurde, | |
als sie an den UNRWA-Hilfslieferungen festgehalten hat? Oder als wir | |
Waffenlieferungen an die Einhaltung des Völkerrechts gekoppelt haben? | |
Besonders von der Union war die Kritik sehr scharf. | |
taz: Alles, was Sie jetzt von der Bundesregierung fordern, hätten Sie schon | |
vor einem Jahr umsetzen können. | |
Brantner: In Gaza materialisiert sich gerade eine Hungersnot. Es ist nicht | |
mehr nur eine Warnung, sondern eine Realitätsbeschreibung – die nun ohne | |
Zweifel die Notwendigkeit des Handelns bedingt. | |
3 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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