| # taz.de -- Globale Mindeststeuer für Unternehmen: Regierungen können abkassi… | |
| > Die 20 größten Wirtschaftsnationen beschließen eine globale Mindeststeuer | |
| > für Unternehmen. Die Höhe der Zusatzeinnahmen ist aber umstritten. | |
| Bild: Zur Kasse bitte: Eine globale Mindeststeuer könnte bald Realität werden | |
| Berlin taz | Auf eine „stabilere und fairere internationale | |
| Steuer-Architektur“ haben sich die 20 wichtigsten Industrie- und | |
| Schwellenländer geeinigt. Das sei „ein historisches Abkommen“, erklärten | |
| die Finanzminister:innen der G20 am Samstag in Venedig. Bisher wollen | |
| 132 Staaten mitmachen, fast drei Viertel aller Länder der Erde. | |
| Die Vereinbarung über eine internationale Mindeststeuer für große | |
| Unternehmen von 15 Prozent und eine neue Verteilung der Abgaben unter | |
| anderem von Digitalkonzernen wie Amazon, Facebook und Google ist bisher nur | |
| eine Absichtserklärung. In Kraft treten soll der Vertrag 2023. Die | |
| Finanzminister:innen forderten in ihrer Abschlusserklärung, „die | |
| verbleibenden Fragen schnell anzugehen“ und bis zum nächsten Treffen der | |
| G20 im Oktober „einen detaillierten Plan zur Umsetzung“ vorzulegen. [1][Zu | |
| den G20 gehören die USA, China, Russland, Europa, Brasilien, Indien, | |
| Indonesien, Südafrika und weitere Staaten.] | |
| „Das ist eine große Reform“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). | |
| „Sie wird dazu beitragen, dass wir besser in der Lage sein werden, die | |
| Aufgaben in unseren Ländern zu finanzieren.“ Große Unternehmen könnten sich | |
| bald nicht mehr „mit Steuervermeidung ums Steuerzahlen drücken“, so Scholz, | |
| der sich stark für das Abkommen engagiert hatte. | |
| Antje Tillmann, die finanzpolitische Sprecherin der Union im Bundestag, | |
| kritisierte den Ansatz. „Statt eines großen Schrittes hin zu mehr | |
| Steuergerechtigkeit erleben wir genau das Gegenteil.“ Die teilnehmenden | |
| Staaten könnten selbst wählen, ob sie die Mindeststeuer einführen, erklärte | |
| Tillmann. Außerdem würden die EU-Mitglieder Irland, Ungarn und Estland | |
| bisher nicht mitmachen. Das stelle die nötige Einstimmigkeit zur Umsetzung | |
| in Europa in Frage. | |
| ## Steueroasen könnten ein bisschen unattraktiver werden | |
| Die Vereinbarung der G20 beruht auf dem sogenannten Zwei-Säulen-Modell, das | |
| 139 Staaten während der vergangenen Jahre im Rahmen der Organisation OECD | |
| ausgearbeitet haben. [2][Dabei geht es erstens um die weltweite Verteilung | |
| von Gewinnsteuern grenzüberschreitend tätiger Firmen.] Unternehmen wie | |
| Facebook und Google zahlen bisher eher dort Abgaben, wo ihre | |
| Konzernzentralen stehen, und weniger in den Ländern, in denen ihre | |
| Kundinnen und Kunden wohnen. | |
| Europa und Deutschland erhalten deshalb kaum Steuern etwa von Google, | |
| obwohl die Firma hier Milliarden verdient. Für ungefähr 100 Unternehmen mit | |
| einem jeweiligen Umsatz ab 20 Milliarden Euro jährlich soll sich das bald | |
| ändern. Die US-Digital-Firmen müssten dann ein paar Milliarden mehr in | |
| Europa entrichten, hiesige Unternehmen wie VW und Daimler etwas mehr in den | |
| USA oder China. Später könnte die Umsatzschwelle beispielsweise auf zehn | |
| Milliarden sinken. | |
| In der zweiten Säule geht es um die Mindeststeuer. Für international tätige | |
| Firmen ab einem Umsatz von 750 Millionen Euro wird eine einheitliche | |
| Untergrenze von 15 Prozent eingeführt. Eine derartige Regelung gibt es | |
| bisher nicht. | |
| Wenn künftig ein in Deutschland ansässiges Unternehmen einen Teil seiner | |
| Einnahmen im Ausland mit weniger als 15 Prozent versteuert, dürften die | |
| hiesigen Finanzämter bis zu dieser Grenze nachversteuern. Das würde der | |
| Steuerverlagerung ins Ausland und den Geschäftsmodellen von Steueroasen | |
| teilweise die Grundlage entziehen. Staaten wie Deutschland nähmen einige | |
| Milliarden Euro jährlich mehr ein. Bis zu 8.000 Unternehmen weltweit sind | |
| angeblich betroffen. | |
| Über die Höhe der Zusatzeinnahmen für die Staaten liegen bislang | |
| unterschiedliche Schätzungen vor. Die OECD rechnet mit rund 130 Milliarden | |
| Euro alleine durch die Mindeststeuer. Die Steuerbeobachtungsstelle der EU | |
| schätzt die Mehreinnahmen für die gesamte EU auf gut 50 Milliarden Euro. | |
| Deutschland könnte demnach mindestens sechs Milliarden pro Jahr mehr | |
| bekommen. Die Unternehmensberatung Deloitte geht dagegen davon aus, dass | |
| der Bundesfinanzminister nicht mal eine Milliarde pro Jahr zusätzlich | |
| erhält. | |
| ## Schlupflöcher wird es auch weiterhin geben | |
| Der Mindeststeuersatz von 15 Prozent soll die Untergrenze bilden. Die | |
| teilnehmenden Länder können auch mehr von ihren Firmen verlangen. Die | |
| US-Regierung hat schon angekündigt, das tun zu wollen. Dort sind 21 Prozent | |
| in der Planung. Die Europäische Union will dagegen bei den 15 Prozent | |
| bleiben. Ein Grund: [3][Irland nimmt heute nur 12,5 Prozent Gewinnsteuer. | |
| Deswegen sitzen die europäischen Zentralen der US-Digitalkonzerne dort.] 15 | |
| Prozent sind ein Kompromiss, der ohnehin schon schwierig umzusetzen ist. | |
| Falls die EU keine Einstimmigkeit herstellen kann, ist allerdings ein | |
| koordiniertes Vorgehen einer Mehrheit der Mitglieder möglich. | |
| Im Bundesfinanzministerium ist man optimistisch, dass die Vereinbarung auch | |
| in der Praxis durchgesetzt wird. Die Staaten, die das Abkommen | |
| unterstützen, repräsentierten 90 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. | |
| Deswegen könne sich kein Staat der Dynamik entziehen, heißt es. Abzuwarten | |
| bleibt, welche Löcher in den kommenden Detailverhandlungen noch eingebaut | |
| werden. Bislang sind schon international tätige Banken von der Säule Eins | |
| ausgenommen. Darauf hatte die britische Regierung gedrungen, die die City | |
| of London schützen will. Auch Bergbauunternehmen und Reedereien sollen | |
| ähnliche Ausnahmen bekommen. | |
| 11 Jul 2021 | |
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| [1] /Miese-Bilanz-der-G20-beim-Klimaschutz/!5639902 | |
| [2] /EU-will-strenge-Regeln-fuer-Steueroasen/!5750692 | |
| [3] /Steuervermeidung-von-Grosskonzernen/!5767297 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
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