# taz.de -- Geschichte des Fußballs im EM-Land: Graham’s Eleven und ihre Tö… | |
> Um 1920 waren britische Fußballerinnen überaus populär. Die Männer | |
> reagierten darauf mit Verboten, doch die Frauen kickten weiter. | |
Bild: Kopfballtraining: der Preston Ladies Football Club beim Training für ein… | |
BERLIN taz | Am Boxing Day 1920, dem zweiten Weihnachtsfeiertag, spielten | |
im Liverpooler Goodison Park die Dick, Kerr Ladies gegen die St. Helens | |
Ladies vor 53.000 Zuschauern. Etwa 14.000 Fans wurden abgewiesen und | |
konnten den 4:0-Sieg der Dick, Kerr’s aus Preston nicht erleben. Zu den | |
Heimspielen der Männer des Everton FC kamen damals im Schnitt nur 38.000 | |
Fans. | |
Eine Bedrohung. Die FA, die Football Association, schritt zum Verbot und | |
untersagte damit etwas bis dato Selbstverständliches. Die Vorformen des | |
Fußballspiels, der Folk Football, als Dorfgemeinschaften auf großen Wiesen | |
gegeneinander spielten, waren meist gemischtgeschlechtlich, manchmal gab es | |
auch reine Frauenspiele, etwa Verheiratete gegen Ledige. Als der Fußball | |
modern wurde, Regeln erhielt, in Vereinen und Ligen gespielt wurde, sind | |
Frauen hinausgedrängt worden. [1][Doch bald gründeten sich Frauenklubs]. | |
Der erste war Mrs. Graham’s XI, 1881 in Schottland von Helen Graham | |
Matthews ins Leben gerufen. Ein weiterer war der British Ladies Football | |
Club 1895, unter anderem von der Journalistin Nettie Honeyball gegründet. | |
Ihr Name ist ein Pseudonym, der richtige Name bis heute nicht bekannt. | |
1895 trat der BLFC erstmals öffentlich an: Ein Team Nord schlug ein Team | |
Süd vor 10.000 zahlenden Zuschauern 7:1. Dass sie Eintritt verlangten, | |
wurde den Frauen vorgeworfen. Niemand habe etwas gegen sportelnde Frauen, | |
schrieb eine Zeitung, „solange sie bereit sind, sich bescheiden im | |
Hintergrund zu halten“. | |
## Harsche Reaktion aus der Männerwelt | |
Verbote oder Häme, das prägte den Frauenfußball von nun an. Doch aufhalten | |
ließ er sich nicht. Als die FA wegen des Ersten Weltkriegs die Männerligen | |
aussetzte, spielten Frauen – mit Erfolg. Zeitgenössische Berichte belegen, | |
dass auf hohem Niveau gespielt wurde. In diesem Umfeld wurden 1917 die | |
Dick, Kerr Ladies gegründet. Es waren Arbeiterinnen der „Dick, Kerr & | |
Co“-Waffenfabrik, und zum sportlichen Erfolg trug eine besonders | |
talentierte Spielerin bei: Lily Parr, etwa 1,80 Meter groß, ein Raubein, | |
dem eine Mitspielerin attestierte, sie habe einen „Tritt wie ein Maultier“. | |
Bemerkenswert an Parr war auch, dass sie offen lesbisch lebte und überhaupt | |
nicht einsah, warum sie sich verstecken solle. | |
Die Dick, Kerr Ladies sammelten auch etwa für streikende Bergarbeiter. Die | |
Bedrohung, die die Herren der FA erblickten, war eine soziale. Barbara | |
Jacobs, die ein Buch über die Dick, Kerr Ladies geschrieben hat, sagt, dass | |
[2][Frauenfußball] „für diejenigen, die die Gewerkschaften als ihre Feinde | |
betrachteten, zu einem politisch gefährlichen Sport geworden war“. | |
Das Verbot von 1921 zeigte Wirkung: Die Klubs warfen die Frauen hinaus, die | |
meisten der 150 Frauenvereine lösten sich auf. Doch so ganz war ihr Fußball | |
nicht zu verhindern, er wurde informell gespielt. Es gibt etwa ein Foto, | |
das 1939 englische Soldaten zeigt, wie sie Fußballerinnen trainieren. Ein | |
anderes Foto zeigt, wie Cissie Charlton ihren Söhnen Bobby und Jackie Bälle | |
zuspielt. Bis heute hält sich das – von den Brüdern bestrittene – Gerüch… | |
es sei Cissie gewesen, die ihnen den Fußball beigebracht hat, der sie 1966 | |
zu Weltmeistern machte. | |
## Informelle Titelkämpfe | |
1957 fand in Berlin eine inoffizielle EM statt, die von den Manchester | |
Corinthians, gegründet 1949, gewonnen wurde. Und um 1967/68 nahmen die | |
Proteste zu. Die damals 19-jährige Patricia Gregory schaltete eine | |
Zeitungsanzeige, und sowohl Spielerinnen als auch Vereine, die ihnen Plätze | |
anboten, meldeten sich bei ihr. Gregory gründete den Verein White Ribbon. | |
Der Funktionär Arthur Hobbs baute mit Gregory zusammen ein Netz an Ligen | |
auf, und sie gründeten 1969 die Women’s Football Association (WFA), ein | |
Gegenstück zur mächtigen FA. | |
Neben Gregory, Hobbs und ihrer WFA gab es noch andere, unabhängige | |
Bestrebungen. Mit Blick auf Italien, wo 1970 die 1. inoffizielle WM | |
stattgefunden hatte, rief das Ehepaar Harry und June Batt in Luton einen | |
Verein namens Chiltern Valley Ladies ins Leben. Das Team stellte das Gros | |
einer englischen Auswahl, die 1971 zur 2. WM nach Mexiko reiste. Über | |
100.000 Fans kamen dort in die Stadien, Spnsor war die Getränkefirma | |
Martini & Rossi. | |
Weil die WFA ihnen die Teilnahme untersagte, nannten die Batts ihr Team | |
„The British Independents“, gleichwohl wurden sie von der WFA | |
ausgeschlossen, die Spielerinnen lange gesperrt. Eine der Spielerinnen war | |
die damals 13-jährige Leah Caleb. Sie glaubt, dass die Politik der WFA | |
gegenüber dem unabhängigen Nationalteam vieles zerstört hat. „Der | |
Frauenfußball hatte die Möglichkeit, sich ab 71 explosionsartig zu | |
entwickeln.“ | |
Immerhin konnte die FA nicht anders, als 1971 – es gab bereits 44 Vereine – | |
das Verbot von Frauenfußball aufzuheben. 1972 fand das erste offiziell | |
lizenzierte Länderspiel statt: England gegen Schottland (3:2). WFA und FA | |
arbeiteten zusammen, 1993 löste sich die WFA auf, und die FA übernahm die | |
Organisation des Frauenfußballs. [3][Das hohe Niveau von 1921 oder 1971 | |
wird nun wieder angestrebt]. | |
6 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Goldene-Vergangenheit-fuer-Fussballerinnen/!5817034 | |
[2] /Fussball-EM-der-Frauen-2022/!t5865336 | |
[3] /Womens-Super-League-in-England/!5657922 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
## TAGS | |
Fußball-EM der Frauen 2022 | |
Frauenfußball | |
Sportgeschichte | |
Fußball | |
Radsport | |
Fußball-EM der Frauen 2022 | |
Fußball-EM der Frauen 2022 | |
Fußball-EM der Frauen 2022 | |
Fußball-EM der Frauen 2022 | |
Frauen-WM 2019 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2021 2024 | |
Frauenfußball | |
DFB Team Frauen | |
Frauenfußball | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nachruf auf Bobby Charlton: Der Botschafter Englands | |
Der Fußballer Bobby Charlton war zeitweise berühmter als die Queen und | |
weltweit respektiert. Er ist mit 86 Jahren gestorben. | |
Geschichte des Arbeitersports: Rote Radler machen Druck | |
Mit aktuellen Weltmeistern feiert der RKB Solidarität seine Gründung im | |
Jahr 1896. Er ist einer der wenigen Arbeitersportverbände, die es noch | |
gibt. | |
Rezeption der Frauen-EM: Popp-Kultur und der echte Fußball | |
Für fußballspielende Frauen war lange nicht mehr als ein Platz am | |
Katzentisch reserviert. Eine EM lang waren sie nun Mainstream – gut so? | |
Englands Sieg gegen Schweden bei EM: Ein nett zu schauendes Tor | |
England spielt sich mit einem 4:0-Sieg über Schweden ins EM-Finale. Jetzt | |
können die Frauen das Titeltrauma der englischen Männer beenden. | |
England gewinnt zum EM-Auftakt: Welle der Erleichterung | |
Im Eröffnungsspiel zeigen die Engländerinnen, dass sie ein Team zum | |
Verlieben sein können. Knapp wird es gegen Österreich wegen fehlender | |
Effizienz. | |
Drei Fußball-Akteurinnen über die EM: Das Spiel der Frauen bleibt anders | |
Der Frauenfußball kann mehr sein als ein Klon des Business der Männer. Auch | |
eine durchkommerzialisierte EM kann emanzipatorische Kraft entwickeln. | |
Frauen im Fußball: Hochklassig wie nie | |
Mit sechs Jahren entdeckte unsere Autorin ihre Liebe zum Fußball. Damals | |
war es Frauen noch verboten, im Verein zu kicken. | |
Doku über Fußballnationalteam der Frauen: Die große Bühne | |
Die Dokuserie „Born for this“ begleitet das Nationalteam der Frauen vor der | |
Fußball-EM in England und bietet Einblicke, die nach wie vor selten sind. | |
Goldene Vergangenheit für Fußballerinnen: Einfach zu beliebt | |
Der Frauenfußball war schon einmal weiter. In England mussten die | |
Kickerinnen vor 100 Jahren einen Verband gründen, weil sie zu viel Erfolg | |
hatten. | |
Jubiläum des Frauenfußballs: Deutschland, ein Männermärchen | |
50 Jahre Frauenfußball ist blanker Unsinn: organisierten Frauenfußball gibt | |
es viel länger als das DFB-Verbot. Es ist Zeit für eine Aufarbeitung. | |
Women’s Super League in England: Die stärkste Frauenliga der Welt | |
In Englands Women’s Super League siegt Manchester City 2:0 über Arsenal. | |
Doch der Coach geht mitten im Titelkampf in die US-Männerliga. |