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# taz.de -- Geplanter Einmarsch in Syrien: Weg frei für türkische Truppen
> Die Türkei plant eine Militäroffensive gegen Kurden in Nordsyrien.
> Zunächst geht es offenbar um ein Gebiet, in dem auch viele Araber leben.
Bild: Oktober 2019: türkische Militärfahrzeuge in Grenznähe auf syrischer Se…
Berlin taz | Die in Nordsyrien stationierten US-Truppen haben am Montag
ihren Rückzug von der syrisch-türkischen Grenze begonnen. Nach einem
Telefonat des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan mit US-Präsident
Donald Trump am Sonntag kam am Montag der Rückzugsbefehl für die
US-Soldaten. Damit ist nun der Weg frei für den Einmarsch türkischer
Truppen in Syrien östlich des Euphrats.
Dabei geht es zunächst um ein rund 120 Kilometer langes Grenzgebiet
zwischen den syrischen Städten Ras al-Ain und Tal Abjad. Die Türkei hat
westlich des Euphrats in den letzten Jahren bereits zwei weitere Gebiete
besetzt – zuerst das Gelände um al-Bab und später das noch weiter westlich
gelegene kurdische Afrin.
Ziel des türkischen Einmarschs soll es sein, eine bis zu 35 Kilometer tiefe
Puffer- oder „Sicherheitszone“ auf syrischem Staatsgebiet zu errichten, aus
der die kurdische YPG-Miliz vertrieben werden soll. Aus offizieller
türkischer Sicht ist diese nichts anderes als der syrische Ableger der
türkisch-kurdischen PKK, die seit 1984 für die Abspaltung oder Autonomie
der kurdisch besiedelten Gebiete in der Türkei kämpft. Präsident Erdoğan
hat seit Jahren erklärt, er werde keinen PKK-Staat an der
syrisch-türkischen Grenze dulden.
Seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges 2011 hatten die im Nordosten des
Landes lebenden Kurden sich aus den Kämpfen gegen das Assad-Regime
weitgehend herausgehalten. Stattdessen konzentrierten sie sich darauf, für
ihre „Kantone“ eine Selbstverwaltung durchzusetzen.
Nachdem der kurdische Kanton Kobane 2014 massiv vom IS angegriffen worden
war, hatte sich die YPG zunächst mit US-Luftunterstützung erfolgreich gegen
den IS gewehrt und war dann später eine Allianz mit den USA eingegangen, um
den IS auch aus Rakka und den Gebieten östlich des Euphrats zu vertreiben.
Diese Allianz zwischen US-Truppen und kurdischen Milizen hat Trump nun auf
massives Drängen des türkischen Präsidenten aufgekündigt. „US-Soldaten“,
sagte ein Pentagon-Sprecher, „werden die Kurden nicht gegen die türkischen
Armee verteidigen.“ Kurdische Sprecher werfen den USA deshalb vor, sie
verraten zu haben.
Die Allianz zwischen den USA und der kurdischen YPG-Miliz war seit Jahren
ein heftiger Streitpunkt zwischen den Nato-Verbündeten USA und Türkei.
Während Trump schon lange dazu neigte, Erdoğan in Nordostsyrien freie Hand
zu lassen, war das US-Verteidigungs- sowie das US-Außenministerium immer
dagegen. Die Rücktritte des früheren [1][Verteidigungsministers James
Mattis] und des früheren [2][Sicherheitsberaters John Bolton] hingen auch
damit zusammen.
## Einige Orte überwiegend arabisch
Erdoğan bestätigte am Montag, dass die US-Truppen sich aus der Zone
zwischen Ras al-Ain und Tal Abjad zurückziehen und seine Truppen entlang
der Grenze bereitstehen, auf syrisches Gebiet vorzurücken.
Aus Sicht Ankaras soll das aber nur der Beginn einer umfangreichen
Militäroperation sein. Erdoğan hatte immer wieder erklärt, er werde vom
Euphrat bis zur irakischen Grenze über rund 400 Kilometer eine
„Sicherheitszone“ einrichten. Davon wären dann auch die großen kurdischen
Städte Kamischli und Kobane betroffen.
Das jetzt zum Angriff freigegebene Gebiet zwischen Ras al-Ain und Tal Abjad
gehörte ursprünglich nicht zu den drei kurdischen Kantonen Afrin, Kobane
und Cizre, sondern liegt zwischen Kobane und Cizre. In diesem Gebiet leben
neben Kurden auch viele Araber, einige Orte sind sogar überwiegend von
Arabern bewohnt. In der türkischen Propaganda wird deshalb davon geredet,
die türkische Armee würde jetzt die Araber von den Kurden befreien.
Darüber hinaus hat Erdoğan bereits angekündigt, er wolle nach erfolgreicher
Besetzung in dieser Zone rund eine Million syrische Flüchtlinge, die sich
jetzt in der Türkei befinden, ansiedeln. Dafür erwartet er auch finanzielle
Unterstützung aus Europa.
Die EU warnte die Türkei vor einem Militäreinsatz in Nordsyrien. „Weitere
bewaffnete Auseinandersetzungen werden nicht nur das Leiden der
Zivilbevölkerung verschlimmern und zu massiven Vertreibungen führen,
sondern auch die aktuellen politischen Bemühungen gefährden“, sagte die
Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am Montag in
Brüssel.
Ähnlich äußerte sich die Bundesregierung. „Die Bundesregierung nimmt die
wiederholten Ankündigungen türkischer Politiker, eine einseitige
Militäroperation in Nordsyrien zu starten, sehr ernst“, sagte die
stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag in Berlin.
„Ein solches militärisches Eingreifen würde zu einer weiteren Eskalation in
Syrien führen.“ Sie zeigte jedoch gleichzeitig Verständnis für die
Sicherheitsinteressen der Türkei im Grenzgebiet.
7 Oct 2019
## LINKS
[1] /Ruecktritt-des-US-Verteidigungsministers/!5561857
[2] /Kriegstreiber-John-Bolton/!5625463
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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