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# taz.de -- Geldstrafe wegen Paragraf 219a: Das Wort „narkosefrei“ ist zu v…
> Das Kammergericht Berlin hat die Revision einer Berliner Ärztin gegen
> ihre Verurteilung verworfen. Sie ist damit rechtskräftig verurteilt.
Bild: Die Ärztin Bettina Gaber steht vor ihrem Prozess im Juni vor dem Amtsger…
Berlin taz | Bettina Gaber ist eher resigniert als empört. „Damit bin ich
nun die erste Ärztin, die nach dem [1][reformierten Paragrafen 219a
rechtskräftig verurteilt ist]“, sagt sie. Im Juni hatte das Berliner
Amtsgericht sie und ihre Kollegin zu einer Geldstrafe von jeweils 2.000
Euro verurteilt – weil auf ihrer Webseite stand: „Auch ein medikamentöser,
narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu
unseren Leistungen.“
Nach Paragraf 219a Strafgesetzbuch ist das unerlaubte „Werbung“ für den
Abbruch der Schwangerschaft. Gaber legte Revision ein – diese wurde nun vom
Kammergericht – das ist das Oberlandesgericht Berlins – verworfen. Der
Rechtsweg ist somit erschöpft, das Urteil des Amtsgerichts ist
rechtskräftig.
„Ein bisschen habe ich das ja schon befürchtet“, sagt Gaber. Der Paragraf
war bundesweit heftig in die Kritik geraten, nachdem im November 2017 die
[2][Gießener Ärztin Kristina Hänel] zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro
verurteilt worden war – ebenfalls wegen eines sachlichen Hinweises auf
ihrer Webseite. Denn nach dem Paragrafen galt schon als verbotene Werbung,
wenn eine Ärztin öffentlich darüber informiert, dass sie Abtreibungen
durchführt.
Nach langem politischen Gezerre hatte sich die Große Koalition Ende 2018
dann [3][auf eine Reform geeinigt], die der Bundestag Anfang 2019 dann
beschloss: Ärzt*innen dürfen nun schreiben, dass sie Abtreibungen
vornehmen. Jede weitere Information bleibt aber verboten, dafür müssen sie
auf befugte Stellen verweisen – etwa auf eine Liste der Bundesärztekammer.
## Auch „medikamentös“ darf nicht sein
Allein die Begriffe „medikamentös“ und „narkosefrei“ auf Gabers Websei…
sind also schon zu viel. „Und diese Liste der Bundesärztekammer gab es zur
Zeit des Urteils noch gar nicht, und auch jetzt ist sie noch sehr
lückenhaft“, sagt Gaber. „Das greift doch in das Recht auf Information der
Frauen ein.“
Gabers Anwalt hatte vor Gericht argumentiert, dass seine Mandantin sachlich
informiert und keinesfalls geworben habe – dass laut Überschrift des
Paragrafen aber explizit Werbung verboten sei. Dem widersprach das
Kammergericht nun. Schon nach der alten Form des Paragrafen sei es „auf
einen werbenden Charakter der Information“ nicht angekommen. Mehr noch: Mit
der Reform hätten die Fraktionen von CDU/CSU und SPD dies nun
„klargestellt“. Die Unionsfraktion habe klargestellt, dass „allein die
Setzung eines Links“ auf die Seite der Bundesärztekammer oder „das Kopieren
der Information unter Angabe der Quelle straffrei bleiben solle“.
Nicht erlaubt sei hingegen, wenn sie Ärzt*innen „diese Information auf der
eigenen Homepage zu eigen“ machten, die SPD habe sich mit ihrer Forderung,
Mediziner*innen diese Möglichkeit zu geben, „nicht durchgesetzt“, so das
Gericht. Auch die Argumentation, das Gesetz greife in die Berufsfreiheit
Gabers ein, ließ das Kammergericht nicht gelten: Ein solcher Eingriff sei
„zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls
gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
genügen“.
Im Juni stand Gaber noch mit ihrer Kollegin vor Gericht. Deren Revision
wurde zugelassen, wie das Gericht auf Nachfrage angibt. Die Ärztin nimmt
selbst keine Abbrüche vor. Ihr Fall wird noch einmal vor dem Amtsgericht
verhandelt werden.
„Das Kammergericht macht sich zur rechtssprechenden Speerspitze der Hetze
von ‚Lebensschützern‘ gegen Ärzte, die zurückhaltend, sachlich und auf d…
gebotene Maß beschränkt über die Methode des Schwangerschaftsabbruchs
informieren“, sagt Gabers Anwalt Johannes Eisenberg. Es setze damit die
Kriminalisierung von Ärzt*innen fort, „die ihre Pflicht tun und die
Hilfesuchenden darüber sachlich informieren“.
## Keine Rechtssicherheit
Die versprochene Rechtssicherheit hat die Gesetzesreform jedenfalls nicht
gebracht: So hatte das Amtsgericht Kassel im Juli das Strafverfahren
[4][gegen zwei Frauenärztinnen eingestellt], weil nach neuem Recht „keine
Strafbarkeit mehr gegeben“ sei. Den Fall der Gießener Ärztin Kristina
Hänel, Gesicht des Kampfs gegen Paragraf 219a, hat das Oberlandesgericht
Frankfurt wiederum an das Gießener Landgericht zurückgegeben. Am 12.
Dezember [5][wird die Sache dort neu verhandelt].
„Das Urteil bestätigt, dass die letztjährige Änderung des Paragrafen 219a
nicht weit genug ging“, sagt Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher
der SPD-Bundestagsfraktion der taz. „Erfreulich deutlich führen die Richter
aus, dass die Union daran Schuld ist, dass Ärzte leider bestraft werden
können, selbst wenn sie nur über erlaubte Behandlungsmethoden informieren.“
„Es ist nicht hinnehmbar, dass Ärzt*innen weiterhin nicht sachlich zu den
Themen informieren dürfen, bei denen sie nun mal die Fachleute sind“, sagt
auch Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im
Bundestag. Das ist doch an Absurdität nicht zu überbieten.“
So sieht es auch die Ärztin Bettina Gaber. „Das ist schon alles ein
bisschen irrwitzig“, sagte sie. Im ganzen Land gebe es [6][immer weniger
Ärzt*innen, die Abbrüche machen]. „Und so werden es sicher nicht mehr.“ S…
erwägt nun, Verfassungsbeschwerde einzulegen.
28 Nov 2019
## LINKS
[1] /Urteil-zum-Abtreibungsparagrafen-219a/!5603013
[2] /Kristina-Haenel-ueber-Paragraf-219a/!5632534
[3] /Abstimmung-im-Bundestag/!5575168
[4] /Schwangerschaftsabbruch-in-Kassel/!5610076
[5] /Abtreibung-und-Paragraf-219a/!5642892
[6] /Immer-weniger-Aerztinnen/!5487589
## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
Kristina Hänel
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