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# taz.de -- Gegen das System Spotify: Im luftleeren Raum
> Valentin Hansen trickst mit seinen Songs den Algorithmus von Spotify aus.
> Auch seine Installation macht höllischen Lärm – und ist völlig
> unsichtbar.
Bild: Valentin Hansen hebelt den Algorithmus der Streamingdienste aus
Der Algorithmus bei Spotify möchte, dass Songs vor dem Weiterklicken
mindestens 30 Sekunden lang gehört werden. [1][Als Musiker:in möchtest
du das auch, denn erst ab 30 Sekunden gibt es Tantiemen]. Was tun, wenn die
Klicks nicht reichen? Du lässt sie generieren. Das funktioniert mit
„Klickfarmen“. Die werden irgendwo in Kellern betrieben, mehrere Hundert
Handys nebeneinander, alle mit einem anderen Spotifyaccount verbunden, und
eine Person lässt dann von allen Handys gleichzeitig denselben Song immer
wieder laufen. Dass das die Zahlen verfälscht, geschenkt.
Valentin Hansen, Berliner Musiker und Produzent, hat mit seinem neuen Album
„Crisis (The Worthless Album)“ und mit der darauf aufbauenden Installation
„The Farm“ die Logik des Klickbusiness thematisiert. Die Musik hat der
26-Jährige sozusagen in den luftleeren Raum der Unzählbarkeit fliegen
lassen; weder er noch Spotify können an ihr verdienen – geschweige denn
Klicks generieren. Indem er die acht Songs in 29-sekündige Sequenzen
zerlegt hat, entgeht er dem [2][System von Spotify].
Mit der Installation „The Farm“ treibt Valentin Hansen den
Verwertungszusammenhang auf die Spitze: Über 50 Handys spielen über Stunden
seine Musik – und nichts wird davon jemals registriert. Somit wird sein
Album tausendfach geklickt, behält immer den gleichen Wert, und zwar den,
den der Künstler selbst bestimmt. Und so macht die Installation einen
unglaublichen Krach, bleibt aber in der virtuellen Welt non-existent,
obwohl aus ihr heraus generiert.
Radikal zerstückelt
Im Gespräch vor dem kleinen Ausstellungsraum in Berlin-Kreuzberg wird dann
aber doch klar, dass es ein zweischneidiges Schwert ist, wofür Hansen
gearbeitet hat, so radikal zu zerstückeln. „Das Nichts ist echt absurd. Auf
der einen Seite ist es natürlich schade, dass ich nicht weiß, wer meine
Musik hört.[…] Ich werde es niemals erfahren und das ist schon eine
Befreiung.“ Aber auf der anderen Seite, so der Künstler weiter, würden die
Qualität der Songs und auch die Hörfreundlichkeit beschnitten.
Als Kunstaktion ist das Projekt in seiner Radikalität also genau richtig.
Eine Klickfarm für ein Produkt, welches keine Klicks generiert. Ein großer
Haufen Kabel und Displays, der unglaublich laut ist, vor sich hin funzt,
aber per se unsichtbar ist, von keinem System zählbar und nicht zu
materialisieren.
Aus musikalischer Sicht ist es aber fatal, und gäbe es nicht die Funktion
von Spotify, automatisch und vor allem nahtlos Stücke hintereinander
abzuspielen, wäre es kaum vernünftig hörbar. Denn dass das Hörerlebnis
trotz Algorithmus eine wichtige Rolle beim Genießen von Musik ist, ist doch
klar. Nur wäre ein siebenminütiger Song mit ewigem Intro nach
Spotify-Algorithmus ein No-Go. Warum? Weil vor der magischen
30-Sekunden-Grenze weitergeskippt würde. Und hier sollte man sich fragen,
ob das an Spotify oder der Ungeduld der Hörerschaft liegt – oder vielleicht
an beidem?
22 Sep 2021
## LINKS
[1] /Streit-um-Streaming-Modelle/!5737347
[2] /Studie-zu-Spotify-Geschaeftspraktiken/!5613333
## AUTOREN
Charlotte Eisenberger
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Spotify
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