| # taz.de -- Geflüchtete im Kirchenasyl: Seehofer sieben Monate zu spät | |
| > Im Sommer entschied ein Gericht, dass Geflüchtete im Kirchenasyl nicht | |
| > als untergetaucht gelten. Erst jetzt zieht das Innenministerium | |
| > Konsequenzen. | |
| Bild: Horst Seehofer setzt sieben Monate zu spät ein Urteil zum Kirchenasyl um | |
| Berlin taz | Mit sieben Monaten Verspätung setzt Bundesinnenminister Horst | |
| Seehofer (CSU) jetzt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zum | |
| [1][Kirchenasyl] um. Dabei geht es um sogenannte Dublin-Fälle, die rund 90 | |
| Prozent aller Kirchenasylfälle ausmachen. Sie sollen in Zukunft weniger | |
| Zeit im Kirchenasyl ausharren müssen, um vor Rückführung geschützt zu | |
| werden. | |
| Konkret geht es dabei um ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem | |
| Sommer, laut dem Geflüchtete im Kirchenasyl von den Behörden nicht so | |
| behandelt werden dürfen, als seien sie untergetaucht. Während | |
| untergetauchte Geflüchtete sich mindestens 18 Monate in Deutschland | |
| aufhalten müssen, bevor sie vor einer Rückführung in andere EU-Staaten | |
| geschützt sind, gilt sonst eine Frist von nur 6 Monaten. | |
| Derzeit gibt es laut „Asyl in der Kirche“ bundesweit 295 Kirchenasyle. 282 | |
| von ihnen sind Dublin-Fälle. Das heißt, ihnen droht nicht die Abschiebung | |
| ins Herkunftsland sondern eine Rückführung in den europäischen Staat, in | |
| dem sie auf ihrer Flucht erstmals von Behörden registriert wurden. Dort | |
| sollen sie laut der Dublin-Verordnung ihr Asylverfahren abwickeln. | |
| Oftmals haben die Menschen aber traumatische Erfahrungen in diesen | |
| EU-Staaten gemacht und wollen darum nicht zurück: Sie vegetierten | |
| beispielsweise [2][in griechischen Elendslagern], wurden in Italien | |
| obdachlos ausgesetzt oder in Bulgarien unter widrigen Bedingungen | |
| inhaftiert. Andere Menschen trauen sich den Weg nach Südeuropa nicht mehr | |
| zu, weil sie krank sind oder sie haben Angehörige in Deutschland, die sich | |
| um sie kümmern. | |
| ## Warum brauchte das Innenministerium so lange? | |
| Nach der Dublin-Verordnung wäre es legal möglich, dass Deutschland auch von | |
| solchen Flüchtlingen das Asylverfahren durchführt, die zuvor in Italien | |
| oder Ungarn registriert wurden. Falls diese Menschen 6 Monate nach ihrem | |
| ersten Kontakt zu deutschen Behörden nicht nach Südeuropa zurückgeschickt | |
| wurden, muss Deutschland das Asylverfahren sogar durchführen. Es sei denn, | |
| die Flüchtlinge sind in Deutschland untergetaucht. | |
| Dann haben deutsche Behörden nicht 6, sondern 18 Monate Zeit, sie nach | |
| Griechenland oder Bulgarien zu schicken. Wenn sogenannte Dublinfälle ins | |
| Kirchenasyl gehen, brauchen sie nur zu warten, bis die sechs oder 18 Monate | |
| um sind. Dann können sie bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens hier | |
| bleiben. | |
| Im Sommer 2018 hatten die Innenminister von Bund und Ländern beschlossen, | |
| mit allen Flüchtlingen im Kirchenasyl so umzugehen, als seien sie | |
| untergetaucht. Das heißt, Kirchengemeinden mussten sie nicht sechs, sondern | |
| 18 Monate lang beherbergen, um ihnen vorübergehenden Schutz zu gewähren, es | |
| sei denn, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte einen | |
| Härtefall an. Das war aber selten der Fall. | |
| Für die Flüchtlinge bedeutete das: Sie waren 18 Monate lang von allen | |
| Integrationsmaßnahmen ausgeschlossen. Für die Kirchengemeinden hieß das, | |
| sie mussten 18 Monate lang für den Lebensunterhalt ihrer Gäste sorgen. Auch | |
| für medizinische Leistungen. Denn wer im Kirchenasyl ist, wird von | |
| staatlichen Leistungen ausgeschlossen. | |
| Laut dem Gerichtsurteil aus dem Sommer ist dies aber rechtswidrig, die | |
| Behörden wissen schließlich, wo sich die Geflüchteten befinden und schieben | |
| sie nur aus Respekt vor den Kirchen nicht ab. Dennoch brauchte Seehofers | |
| Behörde nun sieben Monate, um das höchstrichterliche Urteil umzusetzen. Im | |
| Sommer hatte sein Haus gegenüber Medien erklärt, das Urteil noch juristisch | |
| prüfen zu müssen. | |
| Die ökumenische Arbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ begrüßt die sp�… | |
| Entscheidung von Seehofers Behörde. „Wir hoffen nun, dass das insgesamt | |
| eine Rückkehr zu einer lösungsorientierten Verständigung über humanitäre | |
| Härtefälle einleitet,“ sagt Sprecherin Dietlind Jochims. Ihrer Darstellung | |
| nach hat das Bundesamt allerdings bisher nur bei zukünftigen Fällen | |
| eingelenkt, noch nicht hingegen bei den Fällen, bei denen es bereits eine | |
| 18-Monats-Frist verhängt hat. „Wir hoffen da auf eine Rücknahme.“ | |
| 16 Jan 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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