# taz.de -- Gedenken in Bosnien und Herzegowina: Jeder für sich | |
> Nach den bosnischen Serben wollen auch die Kroaten einen Nationalfeiertag | |
> einführen. Die Anerkennung von Kriegsverbrechen bedeutet das nicht. | |
Bild: Stimmabgabe beim Referendum über einen Feiertag der bosnischen Serben am… | |
SPLIT taz | Eigentlich soll der 25. November der Nationalfeiertag Bosnien | |
und Herzegowinas sein. Am 25. November 1943 hatten die Partisanen im | |
Zweiten Weltkrieg gegen die deutschen und italienischen Besatzer die | |
multinationale Volksrepublik Bosnien und Herzegowina ausgerufen. Doch nur | |
noch in den von Bosniaken (Muslimen) dominierten Gebieten wird die | |
multinationale Staatlichkeit des Landes gefeiert. | |
Nachdem die serbischen Nationalisten unter Milorad Dodik einen Feiertag zur | |
Gründung der serbischen Teilrepublik am 6. Januar 1992 kreiert haben, | |
wollen die bosnischen Kroaten nachziehen. Am 18. November 1991 hatten die | |
nationalistischen Extremisten der vornehmlich von Katholiken (Kroaten) | |
bewohnten Westherzegowina unter Mate Boban ihren Teilstaat „Herceg-Bosna“ | |
ausgerufen. In der vergangenen Woche hissten seine Nachfolger in der | |
Kroatische Demokratischen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina (HDZBiH) | |
überall im kroatisch dominierten Westteil der Stadt Mostar Flaggen | |
ebenjenes Parastaates. | |
Mit dieser Aktion unterstreichen die von der Mehrheit der katholischen | |
Bevölkerung in der Westherzegowina unterstützten kroatischen Extremisten, | |
dass sie an der Politik ihrer alten Führung während des Krieges festhalten | |
wollen. Sie streben wie während des Krieges (1992 bis 1995) die Teilung des | |
Landes auf ethno-nationalistischer Grundlage an. Seit Jahren schon | |
forderten ihre Spitzenpolitiker die Gründung einer dritten Entität. Jetzt | |
bekennen sie sich offen zu „Herceg-Bosna“. | |
Normalerweise müssten sie damit auch die Last der Geschichte übernehmen. | |
Als jedoch Ende Oktober die bosnische Staatspolizei zehn Kroaten in der | |
ostbosnischen Kroatenenklave Orašje wegen Kriegsverbrechen verhaftet hatte, | |
ging ein Aufschrei nicht nur durch die kroatische Öffentlichkeit in | |
Bosnien, sondern auch in Kroatien. Die Kroaten fühlten sich an den Pranger | |
gestellt, waren sie doch nach weit verbreitetem Bewusstsein während des | |
Krieges Opfer einer serbischen Aggression und keineswegs auch Täter. | |
## „Krieg im Kriege“ | |
Dass kroatische Extremisten im sogenannten „Krieg im Kriege“ mit den | |
serbischen Extremisten in Bosnien und Herzegowina eng zusammenarbeiteten, | |
wollen nicht einmal sonst kritische Intellektuelle aus Zagreb wahrhaben. | |
Dabei ist erwiesen, dass Mate Boban sich mit dem damaligen Serbenführer | |
Radovan Karadžić am 6. Mai 1992 in Graz getroffen hatte, um Einzelheiten | |
über den Aufteilungsplan für Bosnien und Herzegowina zwischen Kroatien und | |
Serbien zu besprechen. | |
Denn schon vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien hatten sich die | |
damaligen Präsidenten Kroatiens und Serbiens, Franjo Tudjman und Slobodan | |
Milošević, im März 1991 getroffen, um Bosnien und Herzegowina unter sich | |
aufzuteilen und die nichtserbische beziehungsweise nichtkroatische | |
Bevölkerung aus den jeweils von ihnen eroberten Gebieten zu vertreiben. | |
Anders ausgedrückt: Obwohl die beiden später in Kroatien gegeneinander | |
Krieg führten, kooperierten sie gleichzeitig – 1993 und 1994 auch | |
militärisch – im Bosnienkrieg. Dabei begingen die kroatisch-bosnischen | |
Streitkräfte HVO ebenfalls große Verbrechen vornehmlich an der | |
bosniakischen Bevölkerung. So wurden im Sommer 1993 in dem | |
zentralbosnischen Dorf Ahmići über 100 bosniakische Zivilisten in ihren | |
Häusern lebendig verbrannt. Der Imam wurde an der Moschee gekreuzigt. | |
Bis heute werden diese Verbrechen geleugnet. 21 Jahre nach Beendigung des | |
Bosnienkrieges hat sich an der Grundkonstellation nichts geändert. Indem | |
die kroatischen Extremisten „Herceg-Bosna“ erneuern wollen, erneuern sie | |
auch die Kriegskoalition mit den serbischen Nationalisten im Lande. Ihr | |
„starker Mann“ Dragan Čović und der Präsident des serbischen Teilstaates | |
Milorad Dodik haben sich in letzter Zeit oft getroffen. | |
27 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
Bosnien und Herzegowina | |
Milorad Dodik | |
Mostar | |
Radovan Karadžić | |
Bosnien und Herzegowina | |
Wladimir Putin | |
Bosnien und Herzegowina | |
Bosnien und Herzegowina | |
Kommunalwahlen | |
Serbien | |
Bosnien und Herzegowina | |
Bosnien und Herzegowina | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Finales Urteil gegen Karadžić: Die Wahrheit anerkennen | |
Das verschärfte Urteil für Radovan Karadzic wird Serbien aufwühlen. Will | |
das Land in die EU, darf esnicht länger in Rechthaberei verharren. | |
Bosnien 25 Jahre nach Kriegsbeginn: Siegreiche Nationalisten | |
Multikulturalität und Toleranz in der ex-jugoslawischen Republik sind nach | |
dem Krieg verloren gegangen. Daran ist auch Europa schuld. | |
USA und Bosnien-Herzegowina: Hoffnung auf Rückendeckung | |
Der Präsident der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, setzt bei seinen | |
Plänen, sich vom Gesamtstaat abzuspalten, auf Trump. | |
Staatschef über bosnischen Frieden: „Ich hoffe auf künftige Generationen“ | |
Trotz vieler Probleme ist Bosnien und Herzegowina beispielhaft für gute | |
Konfliktlösung, glaubt Mladen Ivanić, serbischer Vertreter im | |
Staatspräsidium. | |
Debatte Bosnien und Herzegowina: Zündeln auf dem Balkan | |
Die politische Lage in Bosnien und Herzegowina wird immer brisanter. | |
Russland und die Türkei verfolgen dort jeweils eigene Interessen. | |
Kommunalwahlen in Bosnien: Unabhängige auf dem Vormarsch | |
Mit Anti-Korruptionsprogrammen holen Unabhängige den Bürgermeisterposten in | |
fünf Städten. Auch Serben-Präsident Dodik ist erfolgreich. | |
Kommentar Referendum in Bosnien: Eine gefährliche Provokation | |
Die Republika Srpska hat über ihren Nationalfeiertag abgestimmt. Das Votum | |
könnte Bosnien-Herzegowina erneut in den Abgrund reißen. | |
Referendum in der Republika Srpska: „Wir sind gegen Bosnien“ | |
Die Mehrheit in der serbischen Teilrepublik dürfte heute dafür stimmen, den | |
Unabhängigkeitstag 9. Januar künftig wieder als nationalen Feiertag zu | |
begehen. | |
Kampagne in Bosnien und Herzegowina: Mit Kampfparolen auf Stimmenfang | |
Der Präsident der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, will am 25. | |
September über einen nationalen Feiertag abstimmen lassen. |