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# taz.de -- Kampagne in Bosnien und Herzegowina: Mit Kampfparolen auf Stimmenfa…
> Der Präsident der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, will am 25.
> September über einen nationalen Feiertag abstimmen lassen.
Bild: Auf zum Referendum: Wahlwerbung in Prnjavor
Sarajevo taz | Für Bosnien und Herzegowina gibt es dieser Tage zwei
widersprüchliche Botschaften. Die Gute kam am Dienstag. Alle
Mitgliedstaaten der EU forderten die Europäische Kommission auf, die
Kandidatur des Balkanlandes zu prüfen. Im Februar hatte Bosnien und
Herzegowina einen Beitrittsantrag gestellt. Gleichzeitig erging ein Appell
an die Politiker des Landes, endlich die Weichen für wirtschaftliche und
demokratische Reformen zu stellen sowie ernsthaft mit den internationalen
Institutionen zusammenzuarbeiten.
Die schlechte Botschaft jedoch ist, dass einige Politiker genau das
Gegenteil tun und sogar von Krieg sprechen. Vor allem der Präsident der
serbisch dominierten Teilrepublik, Milorad Dodik, versucht alles, um kurz
vor den Kommunalwahlen am 3. Oktober mit nationalistischen Parolen Stimmung
zu machen.
Anlass der hitzigen Debatte ist die von Dodik betriebene Abhaltung einer
Volksabstimmung am 25. September über die gesetzliche Verankerung eines
Feiertags. Das klingt zunächst einmal nicht besonders brisant. Es handelt
sich bei diesem Feiertag jedoch um die Gründung der „Republika Srpska in
Bosnien-Herzegowina“ am 9. Januar 1992.
Damals hatten die serbischen Extremisten unter Führung des vom UN-Tribunal
in Den Haag als Kriegsverbrecher verurteilten Serbenführers Radovan
Karadžićdie serbisch dominierten Gemeinden des Landes vereint, um den im
April 1992 erfolgten militärischen Angriff auf das Land vorzubereiten. Im
Zuge der dann erfolgten militärischen Eroberungen, die zeitweilig 70
Prozent des Landes umfassten, wurde die nichtserbische Bevölkerung mit
Gewalt und „ethnischen Säuberungen“ – rund 50 000 Zivilisten wurden dama…
ermordet – aus diesen Gebieten vertrieben.
## Urteil wird ignoriert
Das bosnische Verfassungsgericht hatte in einem Revisionsverfahren am 17.
September entschieden, dass die Volksabstimmung ungültig sei und nicht
abgehalten werden dürfe. Dodik jedoch ignoriert dieses Urteil sowie die
Aufforderungen der internationalen Gemeinschaft und ihres Hohen
Repräsentanten in Bosnien, Valentin Inzko, das Vorhaben fallen zu lassen.
Nur Russland unterstützt Dodik.
Den 9. Januar zu einem Feiertag zu erklären, stellt in den Augen der
bosniakischen und kroatischen Bevölkerung eine Provokation für die
damaligen Opfer und ihre Familien dar. Mehr noch: In der nichtserbischen
Öffentlichkeit des Landes sieht man in der Volksabstimmung einen Vorläufer
für ein Referendum über die Abtrennung der serbischen Teilrepublik von
Bosnien und Herzegowina und ihre Vereinigung mit Serbien.
Sollte es so weit kommen, schloss der frühere Kommandeur der bosnischen
Armee während des Krieges der 90er Jahre, Exgeneral Sefer Halilović,
bewaffnete Auseinandersetzungen nicht mehr aus. Die Bürger des Landes
müssten wissen, dass die Jugoslawische Arme nicht mehr existiere. Serbien
könne nicht, wie damals, eingreifen.
Sefer Halilovićspielt zwar im politischen Leben Sarajevos kaum noch eine
Rolle. Mit diesem Statement sprach er jedoch vielen Menschen aus dem
Herzen. Das wiederum führte zu einem Sturm der Entrüstung auf serbischer
Seite. „Diese Äußerungen Halilovićs über die Zerstörung der Republika
Srpska stellen die größte Drohung für den Frieden und die Stabilität der
Region dar“, erklärte der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vučićbei
einem Besuch in New York. Serbien werde alles unternehmen, um die Existenz
der Republika Srpksa zu sichern, fügte sein Außenminister Ivica Dačićhinzu.
Dass Milorad Dodik am Donnerstag dieser Woche seinen Mentor, den russischen
Präsidenten, Wladimir Putin in St. Petersburg besuchte, kann als Zeichen
für die Nervosität auf serbischer Seite gedeutet werden. Eines hat Dodik
jedenfalls erreicht: Trotz einer mäßigen Regierungsbilanz – seit dem
vergangenen Jahr wurden zusätzlich Tausende Menschen arbeitslos – ist es
ihm gelungen, die nationalen Gefühle der bosnischen Serben anzuheizen, um
so seine Chancen auf einen Sieg bei der Volksabstimmung und den Wahlen zu
erhöhen.
23 Sep 2016
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Bosnien und Herzegowina
Milorad Dodik
EU-Beitritt
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