# taz.de -- Frauenrechte in den USA: Die Mutter-Slash-Karrierefrau | |
> Amy Coney Barrett soll das oberste Gericht nach rechts rücken und Frauen | |
> eine Heldin sein. Jedoch nur für bestimmte Frauen. | |
Bild: Amy Coney Barrett gibt sich als Feministin und inszeniert ihr Frausein so… | |
Amy Coney Barrett ist Feministin. Jedenfalls möchte sie, dass man sie so | |
sieht. Nach dem [1][Tod der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg] | |
übernimmt die Konservative deren Platz am Obersten Gerichtshof der USA. | |
Vorgeschlagen von Präsident Trump und bestätigt von der republikanischen | |
Mehrheit im Senat, [2][ist Coney Barrett diese Woche eingeschworen worden]. | |
Aktivist*innen befürchten, dass die neue konservative | |
Zweidrittelmehrheit im obersten Gericht zulasten von Frauen und queeren | |
Menschen gehen könnte. [3][Vor allem fürchten sie um das Recht auf | |
Schwangerschaftsabbruch]. | |
Aufgefallen bei Coney Barrett ist die sorgfältige Inszenierung ihres | |
Frauseins. In ihrer Rede am Montag wählte sie durchgehend die weibliche | |
grammatische Form, als sie über den Unterschied zwischen Richter*innen und | |
Politiker*innen sprach. „It is the job of a senator to pursue her policy | |
preferences“, sagte sie, und: „By contrast, it is the job of a judge to | |
resist her policy preferences.“ [4][Deutschen Konservativen würden bei so | |
einem generischen Femininum gleich die Höschen eng]. | |
Auch die Wahl ihrer Kleidung wird diskutiert – eine fragwürdige | |
Angewohnheit, die Coney Barrett bewusst für sich nutzt. Das auffällige | |
Outfit mit „fuchsiafarbenem Kleid und Perlen“, das sie bei ihrer Anhörung | |
vor dem Senat trug, war dem Magazin [5][The Atlantic sogar einen | |
Einstiegssatz wert.] | |
Das Ziel Coney Barretts und derer, die an ihrer Inszenierung kurz vor der | |
Wahl beteiligt sind, ist ein ehrgeiziges. Sie wollen die enge Assoziation | |
von „Frauenrechten“ mit der politischen Linken auflösen, die nach der Wahl | |
Trumps entstanden ist. Frauenpolitik, so die Botschaft, kann ebenso ein | |
konservatives Gesicht haben. In der Ära von Präsident Grab-em-by-the-pussy | |
war diese Botschaft schwer rüberzubringen. Entsprechend hat die | |
republikanische Partei bei weißen Frauen mit Uniabschluss zuletzt massiv | |
verloren. | |
Coney Barrett soll also nicht nur das oberste Gericht nach rechts rücken, | |
sie soll auch den Frauen eine Heldin sein. Republikaner*innen preisen | |
offensiv ihren Vorbildcharakter als Mutter-Slash-Karrierefrau. Es ist der | |
Entwurf eines – nennen wir es – Feminismus, der sich auf die | |
funktionierende Frau in der bürgerlichen cis-hetero Familie konzentriert, | |
anstatt wie der liberale Feminismus auf die Selbstbestimmtheit des | |
Individuums. Coney Barrett steht also niemals für diejenigen ein, die aus | |
welchem Grund auch immer einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen wollen. | |
Es bleibt unklar, ob der Oberste Gerichtshof den Fall | |
Schwangerschaftsabbrüche aufrollen wird. „Es ist der Job einer Richter*in, | |
ihren politischen Präferenzen zu widerstehen“, hat Coney Barrett | |
versprochen. Aber es ist wahrscheinlicher, dass sich Frauenrechte (als | |
Selbstbestimmungsrechte) in den USA verschlechtern werden. Und es ist | |
deutlich geworden: Nicht alles, was gendergerecht spricht und Weiblichkeit | |
feiert, ist Feminismus. | |
29 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Tod-der-US-Richterin-Ruth-Bader-Ginsburg/!5711442 | |
[2] /!t5716779/ | |
[3] /Recht-auf-Abtreibung-in-den-USA/!5720971 | |
[4] /Debatte-ueber-das-Gendern/!5717519/ | |
[5] https://www.theatlantic.com/politics/archive/2020/10/amy-coney-barrett-cons… | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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