# taz.de -- Frankreich und der ruandische Genozid: Gefälschte Totenscheine | |
> Es gibt neue Erkenntnisse über den Tod zweier Franzosen in Ruanda 1994: | |
> Frankreichs Militär wusste mehr über den Vorlauf des Völkermords als | |
> bisher bekannt. | |
Bild: Bei dem Völkermord in Ruanda 1994 wurden weit über 800.000 Menschen bes… | |
GOMA taz | Alain Dilot und René Maier waren französische Entwicklungshelfer | |
in Ruanda, entsandt im Rahmen der militärischen Zusammenarbeit. Das war | |
1992-94, als radikale Elemente in Ruandas Armee und Regierung den | |
Völkermord an den ruandischen Tutsi vorbereiteten, der zwischen April und | |
Juli 1994 mindestens 800.000 Menschen das Leben kosten sollte. | |
Maier und Dilot sowie dessen Ehefrau Gilda starben, das steht auf ihren | |
Totenscheinen, am Abend des 6. April, unmittelbar nach dem Abschuss des | |
Flugzeuges von Ruandas damaligem Präsidenten Juvénal Habyarimana, der | |
unmittelbare Auslöser der Massaker. | |
Die Totenscheine wurden ausgestellt vom französischen Militärarzt Michel | |
Thomas in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, damals | |
Drehscheibe der französischen Militärpräsenz in Afrika, wohin die Leichen | |
ausgeflogen wurden. Als Todesursache steht da „Unfalltod“, verursacht durch | |
„Feuerwaffen mit sofortiger Wirkung“. | |
## Französisches Geheimnis | |
Wer die drei tötete, wurde nie geklärt. Jetzt ziehen neue französische | |
Ermittlungsergebnisse die bisherigen Erkenntnisse in Zweifel und werfen | |
neue Fragen über die französische Verstrickung in den Völkermord auf. | |
Die Erkenntnisse des französischen Untersuchungsrichters Marc Trévidic, die | |
die Pariser Tageszeitung Libération gestern unter der Schlagzeile „Ein | |
französisches Geheimnis“ ausbreitete, sind explosiv. Demnach sind die | |
Totenscheine gefälscht; der unterzeichnende Arzt habe ausgesagt, sie nie | |
unterschrieben zu haben. Die Franzosen starben nicht am 6. April, sondern | |
später. Und sie spielten eine Schlüsselrolle in der militärischen | |
Zusammenarbeit Frankreichs mit der für den Völkermord mitverantwortlichen | |
ruandischen Armee. | |
Denn Dilot und Maier waren Radiotechniker, direkt dem Leiter der | |
französischen Militärmission unterstellt. Dilot bildete Ruandas Armee in | |
Funktechnik aus und unterhielt danach die Verbindungen zwischen der | |
ruandischen Armee und der französischen Botschaft aufrecht. Maier, | |
offiziell an die ruandische Justizpolizei angegliedert, arbeitete mit ihm | |
zusammen. Beide waren regelmäßig mit dem damaligem Armeechef Théoneste | |
Bagosora in Kontakt, der als Chefplaner des Völkermords gilt und nach dem | |
Abschuss der Präsidentenmaschine faktisch die Macht übernahm. | |
## Unangenehme Zeugen | |
Dilot und Maier dürften also alles mitgehört haben, was es in jenen Tagen | |
an Kommunikation zwischen der ruandischen Armeespitze und offiziellen | |
französischen Stellen gab. Noch am 8. April 1994, zwei Tage nach ihrem | |
offiziellen Tod, so Libération, telefonierten sie mit Freunden. Ihr Tod | |
wurde am 10. April gemeldet, als französische Militärs in Ruanda die | |
dortige UN-Mission um Hilfe bei der Bergung der Leichen bat. Belgische | |
Soldaten durchsuchten zweimal vergeblich das Haus der beiden; erst nach | |
einem Hinweis des französischen Militärs fanden sie sie Tage später im | |
Garten vergraben. | |
Die Hinterbliebenen in Frankreich mussten schriftlich versichern, auf | |
Nachforschungen zu verzichten. Waren die beiden unangenehme Zeugen? Richter | |
Trévidic vermutet, so Libération, dasss sie wussten, wer die | |
Präsidentenmaschine abschoss. Offiziell behauptete Frankreich lange, es | |
seien die Tutsi-Rebellen gewesen, geführt vom heutigen Präsidenten Paul | |
Kagame, und daher sei dieser für den Völkermord mitverantwortlich. | |
Untersuchungsrichter Trévidic stellte Ende 2011 nach Ermittlungen vor Ort | |
abschließend fest, dass es die damalige ruandische Hutu-Armee war. | |
Frankreichs Militär, das legen die neuen Erkenntnisse nahe, wusste schon | |
die ganze Zeit die Wahrheit – und überhaupt viel mehr, als es bis heute | |
zugibt. | |
11 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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