| # taz.de -- Flüchtlingsunglück vor der Küste Libyens: Staatsanwälte bestät… | |
| > Auf Grundlage von Videoaufnahmen und Zeugenaussagen wurden die Ereignisse | |
| > vom 19. April nachvollzogen. Es hätte sogar noch mehr als 800 Tote geben | |
| > können. | |
| Bild: Einige der wenigen Geretteten vom 19. April. | |
| CATANIA afp | Beim bislang schlimmsten Flüchtlingsunglück auf dem | |
| Mittelmeer mit mehr als 700 Toten Mitte April wären der italienischen | |
| Staatsanwaltschaft zufolge beinahe noch wesentlich mehr Menschen ums Leben | |
| gekommen. „Es hätten 1.200 Menschen auf dem Schiff sein sollen, aber | |
| nachdem Menschen in alle Ecken gestopft worden waren, konnten sie niemanden | |
| mehr an Bord bringen, bevor sie Libyen verließen“, sagte der in dem Fall | |
| ermittelnde Staatsanwalt Giovanni Salvi aus der sizilianischen Stadt | |
| Catania der Nachrichtenagentur AFP mit Blick auf die Schleuser. | |
| Bei der Havarie eines überfüllten Flüchtlingsboots im Mittelmeer könnten im | |
| April nach Behördenangaben wie befürchtet rund 800 Menschen ums Leben | |
| gekommen sein. Ein Video des mit Leichen gefüllten Inneren des vor Libyen | |
| gekenterten Schiffs sowie Aussagen von Überlebenden ließen dies plausibel | |
| erscheinen, erklärte die Staatsanwaltschaft in Sizilien am Freitag. | |
| Nach Angaben der Staatsanwälte deuten „die Dimensionen des Fischerboots“, | |
| „die ungenaue, aber sehr hohe Zahl von Leichen, die im Innern des Wracks | |
| oder direkt in der Nähe zu sehen sind“, sowie „die übereinstimmenden | |
| Aussagen von Überlebenden“ darauf hin, dass sich „etliche Hundert Personen, | |
| vielleicht 800“ in dem Schiff befanden. | |
| ## Eine exakte Opferzahl lässt sich nicht ermitteln | |
| Das Video von der Inspektion des Schiffswracks soll den Angaben zufolge zum | |
| Schutz der Würde der Toten unter Verschluss bleiben. Die Namen und | |
| Nationalitäten der Opfer werden womöglich niemals in Erfahrung gebracht | |
| werden. „Es ist nicht möglich, die genaue Zahl von Frauen und Kindern | |
| festzustellen, und nicht einmal ihre Herkunftsländer“, erklärten die | |
| Staatsanwälte im sizilianischen Catania. | |
| Salvi bezeichnete seine Ermittlungen als abgeschlossen. Über die Anklage | |
| gegen den 27-jährigen Malek werde bald entschieden. Diese könnte auf | |
| fahrlässige Tötung, Verursachung eines Schiffsunglücks, Freiheitsberaubung | |
| und Beihilfe zur illegalen Migration lauten. Auch gegen den aus Syrien | |
| stammenden mutmaßlichen Bootsmann des Schiffs, der ebenfalls in Haft sitzt, | |
| könnte Anklage erhoben werden. | |
| Das Unglück ist Salvis dritter großer Fall im Zusammenhang mit der | |
| Flüchtlingskrise in den zurückliegenden anderthalb Jahren. Die ersten | |
| beiden waren nach seinen Angaben aber leichter zu handhaben, weil die | |
| Schiffe von Ägypten aus gestartet seien und Italien auf die Zusammenarbeit | |
| mit der dortigen Justiz zählen könne. „In Libyen gibt es aber keine | |
| Behörden, an die wir uns wenden können“, sagte er. | |
| ## Vorwurf der Entführung fallen gelassen | |
| Nach dem Untergang hatten einige Überlebende berichtet, Schmuggler hätten | |
| Hunderte Migranten in den Laderaum des Schiffs gesperrt. Staatsanwälte | |
| sagten am Freitag, die Türen seien zwar geschlossen, nicht aber abgeriegelt | |
| gewesen. Mit Hilfe der Unterwasser-Inspektion durch die Marine kamen | |
| Ermittler zu dem Schluss, dass mindestens eine Tür offen war. | |
| Zwei Überlebende sagten später aus, dass sie aus dem Laderaum auf das Deck | |
| hätten gelangen können. Daraufhin ließ die Staatsanwaltschaft den Vorwurf | |
| der Entführung gegen die Verdächtigen fallen. | |
| Die Flüchtlingstragödie veranlasste die Europäische Union dazu, eine | |
| Strategie im Kampf gegen Menschenschmuggel auszuarbeiten. Dieser hat dazu | |
| geführt, dass allein in diesem Jahr Zehntausende Migranten nach ihrer | |
| Rettung im Meer nach Italien kamen. Am Freitag erreichten Hunderte von | |
| insgesamt 2200 Flüchtlingen Land, die am Vortag bei elf separaten, von der | |
| italienischen Küstenwache koordinierten Einsätzen gerettet worden waren. | |
| 15 May 2015 | |
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