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# taz.de -- Flüchtlinge in Südamerika: Tausende verlassen täglich Venezuela
> Der Exodus der VenezolanerInnen schafft immer mehr Spannungen in den
> Nachbarländern. Mitte September soll ein Krisengipfel Lösungen finden.
Bild: MigrantInnen aus Venezuela in Peru
Berlin taz | Die anhaltende Fluchtbewegung von VenezolanerInnen in die
Nachbarländer sorgt für immer mehr Sprengstoff. Am Dienstag entschied
Brasiliens Regierung, das Militär in den Bundesstaat Roraima zu entsenden.
Der nördliche Bundesstaat, den eine gemeinsame Grenze mit Venezuela
verbindet, war in den letzten Monaten der Haupteinreisepunkt für
VenezolanerInnen, die vor der anhaltenden Wirtschaftskrise in ihrem
Heimatland Zuflucht in Brasilien suchen oder aber auf der Durchreise nach
Argentinien sind.
Am Mittwoch verglich Kolumbiens Außenminister Carlos Holmes Trujillo im
Parlament in Bogotá die lage in Venezuela mit der in Syrien und bat um
internationale Hilfe bei der Versorgung der Geflüchteten. „Sie kommen in
einem Umfang vergleichbar mit Syrien und jeden Tag werden es mehr“, sagte
er. Er plädierte für einen internationalen Hilfsfonds, um die
venezolanischen Flüchtlinge mit Lebensmitteln und Medikamenten zu
versorgen.
Insgesamt 2,3 Millionen VenezolanerInnen leben inzwischen im Ausland, davon
haben rund 1,6 Millionen ihre Heimat seit 2015 verlassen. In Kolumbien
leben derzeit rund 870.000, in Peru 400.000, in Ecuador 385.000 Menschen
aus Venezuela, und ein Ende des Zuzugs ist nicht abzusehen.
In der vergangenen Woche entschied zuerst Ecuador, weitere VenezolanerInnen
nur noch gegen Vorlage eines gültigen Reisepasses ins Land zu lassen – was
de facto einem Einreiseverbot für die allermeisten gleichkäme, da das
Dokument in Venezuela nur schwer und kostspielig zu bekommen ist. Der
Großteil der VenezolanerInnen reist lediglich mit einem Personalausweis.
Ecuador eröffnete wenig später einen humanitären Korridor für die
Durchreise der Flüchtenden nach Peru – sie wurden in Bussen und unter
Polizeibegleitung auf die rund 800 Kilometer lange Reise geschickt. Seit
dem Wochenende allerdings nimmt auch Peru nur noch Flüchtlinge mit
Reisepass auf. Ausnahmen gelten lediglich für Schwangere, Menschen über 70
und Minderjährige auf dem Weg zu ihren Familien.
Gleichzeitig wurde die Einreisebeschränkung in Ecuador am Freitag per
Gerichtsentscheid gekippt: Die Bürgerbeauftragte des Landes hatte gegen die
Einreisebeschränkung geklagt, weil sie das Recht auf einen Zufluchtsort und
die Einheit der Familie verletze, und damit Recht bekommen. Jetzt soll
Ecuadors Außenministerium binnen 45 Tagen einen Plan entwickeln, wie der
Aufenthalt der Flüchtenden zu regeln ist. Zuletzt waren pro Tag rund 5.000
Menschen von Kolumbien aus über die Grenze nach Ecuador gekommen.
## Gesucht wird ein gemeinsame Strategie
Ecuadors Regierung ruft nun insgesamt 13 lateinamerikanische Staaten auf,
bei einem Treffen am 17. und 18. September über eine gemeinsame Strategie
im Umgang mit der Krise zu beraten. Daran soll auch eine Vertretung der
Vereinten Nationen teilnehmen, um eine regionale Antwort zu
erarbeiten. Außerdem erklärte Ecuador in der vergangenen Woche seinen
Austritt aus dem einst von Hugo Chávez ins Leben gegründeten
Regionalbündnis Alba, dem neben Venezuela derzeit noch Bolivien, Kuba,
Nicaragua und einige Karibikstaaten angehören.
Auch Spanien will sich an der Lösung der Krise beteiligen – denn auch das
EU-Land ist vom venezolanischen Exodus betroffen. 2017 kamen rund 40
Prozent der in Spanien gestellten EU-Anträge von venezolanischen
Staatsbürgern. Allerdings gehören viele derjenigen, die per Flugzeug nach
Spanien einreisen, zur durchaus wohlhabenden Schicht Venezuelas. In
spanischen Medien hieß es, viele suchten als Behausungen durchaus teure
Immobilien mit Sicherheitspersonal.
In den USA hingegen haben Venezolaner nur wenig Aussicht auf politisches
Asyl. Die New York Times berichtete, der Großteil der Asylanträge würde
abgelehnt, die Menschen würden entweder nach Mexiko, in andere Staaten der
Region oder direkt zurück nach Venezuela deportiert. Die Zeitung zitiert
einen venezolanischen Oppositionellen damit, aufgrund der harschen
Gegnerschaft Washingtons zur Maduro-Regierung in Caracas habe er es
eigentlich für selbstverständlich gehalten, als Regierungsgegner in den USA
Asyl zu finden – und sei nun schwer enttäuscht.
Die jüngst von der Regierung unter Präsident Nicolás Maduro eingeleiteten
Wirtschaftsreformen – im Kern die Einführung einer neuen Währung und die
drastische Erhöhung des Mindestlohns – haben keinerlei Erholung gebracht,
und Experten erwarten das auch nicht. Nach wie vor geht der Internationale
Währungsfonds davon aus, Venezuela werde dieses Jahr eine Inflation von
eine Million Prozent erreichen, bei gleichzeitiger Schrumpfung der
Wirtschaftsleistung um 18 Prozent.
30 Aug 2018
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
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Peru
Ecuador
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