# taz.de -- Film „Drei Gesichter“ von Jafar Panahi: Wo die Vorhaut begraben… | |
> Was macht ein Filmemacher, wenn er unter Hausarrest steht? Der iranische | |
> Regisseur Jafar Panahi spielt in seinem Roadmovie sich selbst. | |
Bild: So lange verbotene Filme im Iran heimlich geguckt werden, juckt es das Re… | |
„Drei Gesichter“ ist bereits der vierte Film Jafar Panahis, den der | |
iranische Regisseur heimlich dreht und zur Aufführung außer Landes | |
schmuggelt. 2010 wurde [1][Panahi] wegen seiner Kritik am Mullah-Regime ins | |
Evin-Gefängnis in Teheran gesteckt. In einem Schauprozess bekam er eine | |
Haftstrafe von sechs Jahren. Er wurde zudem mit einem 20-jährigen Berufs- | |
und Ausreiseverbot belegt. | |
Dennoch gab er nicht auf und gewann 2015 mit „Taxi Teheran“ den Goldenen | |
Bären der [2][Berliner Filmfestspiele]. Das iranische Regime wirkt mitunter | |
ein wenig bizarr: Es versucht die künstlerische Opposition im Inland | |
totzuschweigen. Solange die verbotenen Filme heimlich gesehen werden, juckt | |
es nicht groß. Gegen jede offen politische und umstürzlerische Bewegungen | |
geht das [3][Regime] jedoch weiterhin frontal und brutal vor. | |
Doch wie dreht man im Iran unter Hausarrest? Panahis „Drei Gesichter“ geben | |
eine humorvolle, gelassene, aber auch bissige Antwort darauf. Zunächst hat | |
sich Panahi von der Tochter aus Frankreich eine empfindliche Kamera | |
schicken lassen. Mit der hat sich der 1960 geborene Regisseur sodann als | |
sein eigener Hauptdarsteller ins Auto gesetzt. Und sich zusammen mit der | |
berühmten iranischen Schauspielerin Behnaz Jafari, der zweiten | |
Hauptdarstellerin von „Drei Gesichter“, filmen lassen, wie sie zu einem | |
Roadtrip in den Nordwesten des Landes aufbrechen. | |
Genauer gesagt in die Provinz Mianeh, aus der Panahi, seine Eltern und | |
Großeltern kommen. Die Schauspielerin Jafari, Regisseur Panahi und die | |
Bewohner dreier Dörfer spielen sich in der Handlung des Films quasi selbst. | |
Sie bleiben dennoch fiktive, sind keine „wirklichen“ Figuren, auch wenn sie | |
bei ihren tatsächlichen Namen angesprochen werden. Panahi mischt | |
selbstironisch die dokumentarischen mit den fiktionalen Ebenen. | |
## Zwischen Archaik und Moderne | |
Die Kamera fängt in „Drei Gesichter“ die spröde Schönheit der Landschaft | |
und ihrer Bewohner*innen im kärglichen Nordwesten ein. Es sind stille, doch | |
sehr starke, erzählerische Bildern aus fast jeder Tages- und Nachtzeit. | |
Jeder Satz, jede Einstellung, jeder Blick erscheint wie ein lapidar | |
hingeworfener Kommentar zur gegenwärtigen Situation in der Islamischen | |
Republik. Oder eben auch nicht. Der Schauspieler Panahi wirkt souverän, | |
friedfertig, freundlich und interessiert am Leben anderer. | |
Diese Parabel zeigt eine Provinz, dominiert von Hundegeheul und | |
Schafsgeblök, mit ungepflasterten Straßen, in denen aber auch Smartphone | |
und Fernseher selbstverständlich sind. Rätselhaft bleibt insbesondere für | |
westliche Zuschauer, was sich hinter der überall zur Schau gestellten | |
Höflichkeit und Gastfreundschaft auf dem Land tatsächlich verbirgt. Man hat | |
oft das Gefühl, die Stimmung könnte schnell umschlagen, was den Film eine | |
fortwährende Spannung verleiht. | |
Im Kern von „Drei Gesichter“ geht es um den zäh ausgetragenen | |
Stellungskrieg zwischen Mann und Frau, zwischen Archaik und Moderne im | |
ländlichen Iran. Männer pochen, insbesondere vor den anderen Männern, | |
stramm auf ihrer Führer- und Vorherrschaft gegenüber Frauen, obwohl sie | |
Seite an Seite mit diesen leben und es zu Hause oft ein wenig anders | |
aussieht. Das Patriarchat ist im Iran keineswegs so unangefochten und | |
stark, wie die Mullahs sich das wünschen. Und dennoch gerade auf dem Land | |
allgegenwärtig. | |
## Cholerisch randalierende Männer und ihre Mütter | |
In Panahis Drehbuch gibt es viele gegenläufige Bewegungen: Da ist die junge | |
Marzieh, die im fernen Teheran Schauspiel studieren will. Um dies zu | |
erreichen, hat sie Behnaz Jafari und Jafar Panahi mit einem digital | |
gefilmten (vorgetäuschten?) Selbstmord in ihr Dorf gelockt, aus dem sie | |
unbedingt weg will – was der männliche Teil ihrer Familie auf keinen Fall | |
zulassen will. | |
Behnaz Jafari und Jafar Panahi erleben bei ihrer Suche nach der toten | |
(oder noch lebenden) Marzieh – für deren möglichen Selbstmord sie sich | |
wegen Klassenarroganz mit verantwortlich fühlen – cholerisch randalierende | |
Männer. Diese müssen von den Müttern in Schach gehalten und theatralisch | |
weggesperrt werden. Die Laiendarsteller spielen dabei sehr authentisch. | |
Jafar Panahis Film bewegt sich in Differenz zu ihnen, vermeidet aber | |
elitären Hochmut. | |
Und noch ganz andere Parallelwelten werden sich auftun, hier in der | |
absoluten iranischen Einöde. Am Rande des Dorfes und verstoßen von der | |
örtlichen Männergesellschaft sowie der islamistischen Revolution lebt die | |
einst berühmte Schauspielerin „Scharzad“. Und während die Alten den Söhn… | |
die Vorhaut nehmen, sie auf fremdem Terrain verbuddeln, sitzt diese | |
Scharzad in freier Natur. Sie malt ein Gemälde – ihren Rücken den | |
Betrachter*innen zugewandt. | |
26 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
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