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# taz.de -- Fanfestival und Demokratiedemo: Der Aufstieg ist politisch
> Der FC St.Pauli hat am Montag seinen Aufstieg in die erste Bundesliga
> gefeiert. Verbunden hat der Verein das mit einer Kundgebung gegen Rechts.
Bild: Den Verein und die Demokratie feiern: Für St.Pauli Fans geht das zusammen
hamburg taz | Pünktlich um halb zwei beginnt der Platzregen auf dem
Hamburger Rathausmarkt. Ein paar Hundert Menschen sind trotzdem gekommen.
Die braun-weiße Flagge des FC St. Pauli weht an der Fassade des Rathauses.
Unter seinen Balkon drängen sich Menschen. Auch unter den
gegenüberliegenden Arkaden suchen sie dicht gedrängt Schutz.
Unter dem Titel „Alle gemeinsam zur Demonstration und Abschlussfeier“ hatte
der FC St. Pauli für Pfingstmontag zu einem „Aktionstag“ eingeladen, der
gleich zwei Funktionen erfüllen sollte: Eine Demonstration für Demokratie
und gegen rechts sowie für den Erhalt der Clubkultur in Hamburg, die für
den Stadtteil St. Pauli – noch – prägend ist. Und ein vom Verein
organisiertes Festival zur Feier des Aufstiegs in die erste Bundesliga, der
seit Mitte Mai feststand. Seit er am Sonntag mit 2:1 beim SV Wehen
Wiesbaden siegte, ist der Verein nicht nur Aufsteiger, sondern auch Meister
der 2. Bundesliga.
Darum scheint es am Montagmittag auf dem Rathausplatz auch erst mal zu
gehen. Im Eingangsbereich der U-Bahn-Station stehen, da wo der Regen sie
nicht mehr erwischen kann, rund 50 Menschen. Ein paar springen auf der
Treppe auf und ab und rufen „Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey“ und
„Die Nummer eins der Stadt sind wir“. Sie tragen St.-Pauli-Trikots,
Fan-Schals und braune Pullover mit dem Totenkopfsymbol, das zum zweiten
Logo für den Verein und auch den namensgebenden Stadtteil geworden ist.
Als der Regen ein wenig nachlässt, strömen die Fans auf den Rathausplatz.
Aus Lautsprechern tönen Rockgitarren, als die Spieler des FC St. Pauli in
einheitlichen weißen Poloshirts und schwarzen Hosen über den Rathausmarkt
laufen. Die Menschen laufen hinterher, jubeln und machen Fotos, bevor die
Spieler im Hintereingang des Rathauses verschwinden.
Für den Verein passen Demo und Aufstiegsfeier gut zusammen: „Sport und
Politik gehören beim FC St. Pauli zusammen“, sagt Pauli-Pressesprecher
Patrick Gensing der taz im Vorfeld. „Wir nutzen unsere Bekanntheit ja immer
wieder für politische Themen.“
Auch das diesjährige „entscheidende Wahljahr“ ist für den Verein ein Grund
für die Doppelveranstaltung: „Demokratiefeinde versuchen, unsere
gemeinsamen Grundsätze zu zersetzen und werden immer aggressiver, lauter
und bedrohlicher“, wurde Vereinspräsident Oke Göttlich im Vorfeld in einer
Mitteilung zitiert. Wegen seiner progressiven Fanszene, die teilweise aus
der Hamburger Hausbesetzerszene der 80er-Jahre hervorgegangen ist, gilt St.
Pauli als linker, politischer Verein.
Als die Kundgebung beginnt, trauen sich ein paar mehr Menschen auf den
Platz und in den weiter anhaltenden Regen. „Dieser Regen repräsentiert die
Widrigkeiten, gegen die ihr euch stellen müsst und die Widrigkeiten, durch
die das Team gehen musste“, sagt Oke Göttlich von einem LKW aus.
Die verbale Verbindung von Sport und Politik zieht sich durch die ganze
Kundgebung. Die Omas gegen Rechts überbieten sich in ihrer Rede mit
politischen Fußballmetaphern. Sie wollen „Menschenhass ins Abseits
schießen“ und fordern „Stopp. Keine Verlängerung für rechts“ und „Ab…
für die NSAfD“. Die Menge, die inzwischen auf über Tausend Menschen
angewachsen ist, jubelt.
Unter ihnen sind Inge (32) und Jannik (37), die gekommen sind „weil wir
St.-Pauli-Fans sind und weil wir auf die Demo gehen wollen“ sagt Inge. „Wir
mögen die Demokratie“, ergänzt Jannik. Die beiden finden es gut, dass der
Verein seine Plattform für politische Inhalte nutzt.
Der 61-jährige Götz ist schon seit den 80ern St.-Pauli-Fan. Er ist auf den
Rathausplatz gekommen, um ein „Zeichen gegen rechts“ zu setzen, aber auch
weil er bei der Aufstiegsfeier dabei sein will. Die Verbindung findet er
„ganz passend“.
Der 18-jährige Julian ist mit zwei Freund*innen gekommen. Sie tippen auf
ihre Trikots und sagen, sie sind „offensichtlich“ vor allem für St. Pauli
da, finden das mit der Demo aber auch „gut“.
Er sei wegen der Aufstiegsfeier gekommen, sagt der 49-jährige Tim. Auf die
Frage nach dem politischen Teil antwortet er trocken: „Es gibt nichts
Gutes, außer man tut es.“
## Shoa-Überlebender mahnt zur richtigen Wahl
Inzwischen steht der Holocaust-Überlebende Ivar Buterfas-Frankenthal auf
der kleinen Bühne. „Unsere Demokratie ist noch nie so gefährdet gewesen wie
jetzt“, sagt er, lobt den Verein mit den Worten „diese Leute kämpfen
unermüdlich gegen rechts“ – und fordert die Fans dazu auf, bei den nächst…
Wahlen „das Kreuz an der richtigen Stelle“ zu machen.
Geplant wurde der Tag ohne Einbezug der aktiven Fanszene „in einem sehr
kleinen Kreis“, wie Patrick Gensing der taz auf Nachfrage sagte. „Denn der
ganze Fokus lag auf dem sportlichen Erfolg“, so Gensing. Miteinbezogen
waren dafür einige gesellschaftspolitische Initiativen für Stadt- und
Clubkultur, wie etwa das Clubkombinat, das Hofprojekt Viva la Bernie oder
das künstlerische Parkprojekt Park Fiction. „Eine progressive, diverse
Kulturszene ist auch ein Gegenentwurf zu einer gleichförmigen Gesellschaft,
die autoritäre und rechtsradikale Kräfte anstreben“, sagt Gensing.
Anders als zunächst angekündigt zeigten sich am frühen Nachmittag auch noch
die Spieler auf dem Rathausbalkon. Mit dabei: eine selbst gebastelte
Meisterschale aus Pappe und Sportsenator Andy Grote (SPD) in echt. Die
Original-Schale wurde ihnen erst später beim Festival auf dem
Spielbudenplatz überreicht.
20 May 2024
## AUTOREN
Franziska Betz
## TAGS
Schwerpunkt Demos gegen rechts
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