# taz.de -- FDP-Parteitag in Berlin: Quote diskutiert, Ziele vereinbart | |
> Die FDP straft Spitzenkandidatin Nicola Beer ab und beschließt | |
> Zielvereinbarungen zur Frauenförderung. Auch das ist nicht allen recht. | |
Bild: Das neue Dreamteam der FDP: Linda Teuteberg und Christian Lindner | |
BERLIN taz | Am Sonntag um 11.16 Uhr war es vorbei. Fünf Stunden an | |
insgesamt zwei Tagen hatte der [1][FDP-Bundesparteitag] in Berlin | |
diskutiert, wie die Partei mehr Frauen für Ämter, Mandate und als | |
Wählerinnen gewinnen kann. Die Liberalen habe es sich nicht leicht gemacht. | |
Am Ende stand ein Beschluss, der eine parteiinterne Quote ebenso ablehnt | |
wie eine staatlich verordnete Paritätsregelung. Stattdessen soll der | |
Bundesvorstand mit den Landesverbänden Zielvereinbarungen treffen, wie | |
Frauen in der FDP gefördert werden können. Auch das war umstritten: Dafür | |
stimmten 60,6 Prozent der Delegierten, rund 36 Prozent lehnten dies ab. | |
Für die FDP war die Ausgangslage kompliziert: In den Umfragen liegt sie | |
leicht unter dem Bundestagswahlergebnis von 2017, sie wird vor allem von | |
Männern gewählt. Der Mitgliederanteil von Frauen liegt bei 23 Prozent. Wenn | |
die FDP wachsen will, braucht sie mehr Stimmen von Frauen. Gleichzeitig | |
widerspricht das Denken in starren Quoten eigentlich liberalem Denken. Vor | |
allem jüngere Frauen wehren sich dagegen. | |
„Seitdem die Partei die Frauendebatte angezettelt hat, vergeht kaum ein | |
Tag, an dem nicht ein Mann das Thema anspricht“, sagte die Ratinger | |
Delegierte Tina Pannes. „Für mich fühlt sich das an, als würden wir den | |
ganzen Tag über Brüste reden.“ Die Verlierer einer Quote seien Frauen, die | |
deshalb in Parlamente einzögen und dann „ein Frauenetikett“ hätten. „Di… | |
Frauenetikett werden wir nie wieder los.“ | |
Pannes hatte das Thema Quote und Zielvereinbarungen in der FDP erst auf die | |
Tagesordnung des Parteitages gesetzt. Der Parteivorstand hatte die heikle | |
Debatte zuvor zu umgehen versucht: Er formulierte einen Leitantrag für den | |
Parteitag, in dem es um mehr Vielfalt in Betrieben ging, der am Samstag | |
debattiert wurde. Den Beschluss für die Zielvereinbarungen fasste der | |
Bundesvorstand aber schon am Donnerstag – und legte ihn dem Parteitag nicht | |
vor. | |
Erst ein Antrag von Pannes und anderen Mitgliedern, sowohl Quote wie | |
Zielvereinbarungen abzulehnen, führte zur Debatte. Dort sprangen ihr nur | |
wenige bei. „Wenn wir den Antrag beschließen, ist die Partei der | |
Verlierer“, sagte die bayerische Landtagsabgeordnete Julika Sandt. „Wir | |
können es uns im Wettbewerb mit anderen Parteien nicht leisten, als | |
Männerverein wahrgenommen zu werden.“ | |
Auch mit der neuen, 38-jährigen Generalsekretärin Linda Teuteberg setzt die | |
FDP ein Zeichen in Richtung Frauen. Ob der Plan aufgeht? Lindner hatte zwar | |
kürzlich verkündet, dass „Männer bei polemischen Attacken gegen den Gegner… | |
applaudierten und Frauen „anders angesprochen werden“ wollten. Teuteberg | |
verzichtete in ihrer Einstandsrede aber nicht nur auf Polemik, sondern auch | |
auf Humor. Sie forderte ein Einwanderungsgesetz und die Begrenzung | |
illegaler Migration. „Dazu gehört, dass die in rechtsstaatlichen Verfahren | |
festgestellte Ausreisepflicht auch durchgesetzt wird“, sagte sie. | |
## Abteilung Attacke | |
Die Abteilung Attacke blieb fast ausschließlich Christian Lindner | |
vorbehalten. Er konzentrierte sich auf seinen Lieblingsgegner: die Grünen. | |
„Herr Habeck sagt, er wünscht sich für 2050 eine Gesellschaft ohne | |
Fleischkonsum. Wir werden alle Vegetarier und Veganer – das sind tiefe | |
Einschnitte in die individuelle Freiheit.“ Vize Wolfgang Kubicki | |
kritisierte die Fridays-for-Future-Demonstrationen: „Ich will den | |
Schülerinnen und Schülern nur sagen: Weder der Staat noch meine Frau werden | |
mir jemals verbieten, dass ich ein Steak esse.“ | |
In der anschließenden, sehr sachlichen, fast vierstündigen Debatte zum | |
Klimaschutz, dem zweiten großen Parteitagsthema, meldeten sich vor allem | |
die Fachpolitiker. Die FDP setzt auf marktwirtschaftliche Lösungen, etwa | |
den Emissionshandel. Teuteberg sagte, nicht die FDP müsse „grüner werden“, | |
sondern „die Energie- und Klimapolitik in Deutschland vernünftiger“. Im | |
verabschiedeten Antrag heißt es: „Nur in der intelligenten Verzahnung von | |
Ökologie und Ökonomie findet diese Transformation nachhaltigen Rückhalt in | |
der Bevölkerung.“ | |
Für die FDP war der Parteitag vor den Europawahlen als Aufbruchssignal | |
gedacht. Ein Risiko gab es aber: Auf dem Parteitag stand auch die reguläre | |
Wiederwahl des Parteivorstands an. Lindner erhielt 86,6 Prozent, etwas | |
weniger als 2017. | |
Gerangel gab es um die Vizeposten: Die bisherige Generalsekretärin Nicola | |
Beer, die als Spitzenkandidatin nach Brüssel weggelobt werden soll, | |
beanspruchte kurz vor dem Parteitag eine Stelle als Vizevorsitzende. Um | |
eine Kampfkandidatur zu vermeiden, zog daraufhin die in der Partei populäre | |
bisherige Vizechefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ihre Bewerbung zurück. | |
Der Parteitag strafte Beer mit nur 58,6 Prozent ab. | |
Als Beer am Sonntag ihre Rede gehalten hatte, standen Lindner und Teuteberg | |
zwar in demonstrativer Eintracht mit ihr auf der Bühne. Aber viele in der | |
Partei dürften nun noch mehr ihren Umzug nach Brüssel herbeisehnen. | |
28 Apr 2019 | |
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## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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