# taz.de -- Experte zu Angst vor Vogelgrippepandemie: „Bei Influenza mit alle… | |
> Ohne Tierhaltung hätte das Vogelgrippevirus H5N8 nun keine Menschen | |
> infiziert, sagt Virologe Harder. Die Berichte aus Russland ließen Fragen | |
> offen. | |
Bild: Das Risiko einer Übertragung ist vor allem bei infiziertem Lebendgeflüg… | |
taz: Herr Harder, in einem russischen Geflügelbetrieb ist erstmals das | |
[1][Vogelgrippe]virus H5N8 auf Menschen übergesprungen. Wäre die | |
Übertragung passiert, wenn Menschen kein Geflügel gehalten hätten? | |
Timm Harder: Nein. Der Kontakt zu infiziertem Geflügel ist im Moment die | |
Voraussetzung einer Infektion des Menschen. Das war auch bei den anderen | |
zoonotischen Influenzaviren ganz überwiegend so, die in Asien und dem | |
Mittleren Osten aufgetreten sind. | |
Droht jetzt eine weitere Pandemie, während wir noch mit Corona zu kämpfen | |
haben? | |
Das wissen wir nicht. Bei Influenza muss man immer mit allem rechnen. | |
Bislang ist das die erste Nachricht, die wir über eine Humaninfektion mit | |
dem H5N8-Virus haben. Die Datenlage ist aber sehr dünn. Offenbar sind die | |
Infektionen schon im Dezember aufgetreten, und erst jetzt – Ende Februar – | |
wird darüber berichtet. Das weckt gewisse Zweifel, was für eine Art von | |
Infektion dort vorgelegen hat. | |
Was für Zweifel meinen Sie? | |
Man liest derzeit nur davon, dass das Virus nachgewiesen wurde bei offenbar | |
sieben Mitarbeitern einer infizierten Geflügelhaltung. Wir wissen nicht, | |
aus welchen Proben dieser Nachweis stammt – und ob die Leute tatsächlich | |
erkrankt waren. Offenbar war das nicht der Fall, denn in den Berichten | |
steht etwas von „asymptomatisch“, also ohne Symptome. | |
Handelt es sich um eine Mutation, die für Menschen gefährlich ist? | |
Es sind zwar Sequenzen publiziert worden, aber eine genaue Analyse der | |
Sequenzen steht noch aus. Deshalb können wir uns noch keinen wirklich | |
sicheren Eindruck davon machen, ob es genetische Marker gibt, die auf eine | |
höhere Affinität des Virus zu Menschen schließen lassen. | |
Kann dieses Geflügelpestvirus durch Lebensmittel übertragen werden? | |
Das Risiko einer Übertragung ist vor allem bei infiziertem Lebendgeflügel | |
und während des Schlachtprozesses gegeben. Das wissen wir aus den | |
epidemiologischen Untersuchungen, die in den letzten Jahren in Asien und im | |
Nahen Osten gemacht worden sind. In dem Moment, wo man ein infiziertes | |
Stück Geflügel zubereitet, hat man auch noch ein gewisses Risiko, sich zu | |
exponieren. Wenn das Fleisch oder das Ei dann aber durchgegart ist, wird | |
auch das Virus inaktiviert. Es wird innerhalb weniger Sekunden bei 70 Grad | |
inaktiviert und ist dann ungefährlich. Das heißt: Durcherhitzte | |
Geflügelprodukte stellen überhaupt kein Risiko dar. Und in Deutschland wird | |
gewährleistet, dass keine infizierten Geflügelprodukte in den Handel | |
kommen. | |
Sind jetzt in Deutschland zusätzliche Maßnahmen gegen die Vogelgrippe | |
nötig? | |
Aus meiner Sicht derzeit nein. Wir müssen nur die bereits getroffenen | |
Maßnahmen der Kontaktvermeidung für jeden Einzelnen und die | |
Biosicherheitsmaßnahmen in den Geflügelbeständen weiter intensiv und | |
konsequent betreiben. | |
Was ist der wichtigste Punkt? | |
Die wichtigste Sicherheitsmaßnahme ist Kontaktvermeidung: Wenn ich einen | |
kranken oder toten Wildvogel sehe, bedeutet das: nicht anfassen, keinen | |
Kontakt aufnehmen, und dann das zuständige Veterinäramt anrufen. Für | |
Geflügelhalter gilt: Wenn ich Erkrankungssymptome bei meinem Geflügel | |
beobachte, heißt die erste Devise, den Tierarzt zu verständigen und den | |
direkten Kontakt zu den Tieren vermeiden. Hat man sie doch angefasst, muss | |
man mit heißem Wasser und Seife die betroffenen Körperteile waschen. | |
Wie wahrscheinlich ist es, dass sich eine neue Variante des Virus auch in | |
Deutschland ausbreitet? | |
Bisher ist das Virus durch den Vogelzug von Ost nach Südwest verbreitet | |
worden. Das ist unsere Flugbrücke nach Innerasien und nach Sibirien. | |
Zurzeit ist der Vogelzug ja zum Erliegen gekommen. Deshalb ist das Risiko, | |
dass ein neues Virus jetzt von Südrussland nach Deutschland kommt, sehr | |
gering. | |
22 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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