# taz.de -- Kranichsterben in Israel: Vogelgrippe auf dem Vogelzug | |
> Das H5N1-Virus verbreitet sich derzeit rasant – in Geflügelbetrieben und | |
> unter Wildvögeln. Besonders betroffen: Israel. Warum? | |
Bild: Kranker Kranich versucht über den Hula-See zu fliegen | |
Tel Aviv taz | „Dieses Desaster ist menschengemacht“, sagt Yoram Yom-Tov, | |
emeritierter Professor für Zoologie an der Universität Tel Aviv, am | |
Telefon. Der Anlass: In Israel tobt [1][die Vogelgrippe H5N1] derzeit noch | |
stärker als in anderen Ländern, und Yom-Tov betrachtet das mit großer | |
Sorge. | |
Normalerweise bietet der Winter an den Hula-Seen im Norden Israels ein | |
Naturspektakel ohnegleichen. Denn dann ziehen Tausende [2][Kraniche, die | |
hier Zwischenstation auf ihrer Reise nach Afrika machen,] majestätisch ihre | |
Bahnen. In diesem Jahr aber liegen viele von ihnen bewegungslos im Wasser, | |
einer taumelt noch, dann fällt auch er und bleibt liegen – Bilder wie diese | |
sieht man seit einer guten Woche im israelischen Fernsehen. Rund 5.500 | |
Kraniche sind bereits an der Vogelgrippe gestorben. | |
Dass einige Zugvögel hier an dem Virus sterben, ist nichts Neues, ein | |
Ausbruch in diesem Ausmaß jedoch beispiellos. Umweltministerin Tamar | |
Zandberg spricht von einem der „schlimmsten Schläge gegen die Tierwelt in | |
der Geschichte Israels“. | |
Die ersten Ausbrüche in dieser Saison gab es bereits im Oktober in einem | |
Legehennenbetrieb im Dorf Nahalal, im Norden Israels. Ob der Virus von dort | |
auf die Zugvögel übertragen wurde oder die Zugvögel den Virus aus anderen | |
Ländern mitgebracht haben, ist schwer zu beantworten. Fest steht, dass der | |
Erreger längst auf zahlreiche weitere Hühnerbetriebe übergesprungen ist. | |
Hunderttausende Tiere wurden gekeult, um zu verhindern, dass sich H5N1 | |
weiter ausbreitet und womöglich auf Menschen überspringt. | |
## Menschlicher Einfluss | |
„Die Katastrophe hätte verhindert werden können“, sagt Yom-Tov. „Eines … | |
zentralen Probleme ist die Anfütterung der Vögel.“ Seiner Einschätzung nach | |
begann das Problem mit der Trockenlegung der Sümpfe im Hula-Tal in den | |
1950er Jahren. „Ein großer Fehler des Jewish National Funds“, so der | |
Zoologe. Dabei sei „ein einzigartiges Habitat für Pflanzen und Tiere im | |
ganzen Nahen Osten zerstört“ worden. | |
Als das Gebiet ab den 1990er Jahren wieder bewässert wurde, entstand der | |
künstliche Hula-See. Bauern in der Umgebung bauten Erdnüsse und | |
Kichererbsen an, damit wurde das Gebiet für Kraniche attraktiv. Hatten | |
lange nur einige Dutzend Kraniche auf ihrer Reise ins Sommer- und | |
Winterquartier Israel passiert, stieg ihre Zahl nun schlagartig an. | |
Mittlerweile kommen jährlich Zehntausende in die Hula-Ebene. Um sie vom | |
Ackerland fernzuhalten, begann man, die Vögel mit Mais zu füttern. | |
Besonders problematisch daran ist laut Yom-Tov, dass das auf sehr kleinem | |
Gebiet geschieht. „Krankheiten breiten sich in dieser dichten Bevölkerung | |
extrem schnell aus – genauso wie Corona“, so der Experte. Außerdem | |
unterbreche die Fütterung die Migrationsroute, die normalerweise weiter zur | |
Seenkette des Rift Valley und zum äthiopischen Tanasee führt. Viele | |
Kraniche ziehen inzwischen gar nicht erst weiter. | |
## Birdwatching für Anfänger | |
Auch der Tourismus trägt seinen Teil zu dem Problem bei. Der Park um den | |
Hula-See wurde zu einem Hit. Schätzungen zufolge bringen [3][Kranichtouren | |
und -beobachtungen] der lokalen Bevölkerung umgerechnet rund 30 Millionen | |
Euro ein. Es entstand ein Teufelskreis. Um sicherzustellen, dass die | |
Touristen weiterhin in den Park kommen, musste man dafür sorgen, dass es | |
Kraniche gab. Dafür musste man sie füttern. „Was der Jewish National Fund | |
noch an diesem Nachmittag an seinem Konzept ändern kann, ist: die Kraniche | |
auf einem viel größeren Gebiet füttern, um die Konzentration auf einem | |
Punkt zu verhindern“, sagt Yom-Tov. | |
Die Gefahr, dass das H5N1-Virus nun mit den Vögeln in die Winter- und | |
Sommerquartiere weitergetragen wird, hält nicht nur der Zoologe für recht | |
hoch. „Die weite Verbreitung der Vogelgrippe ist sehr besorgniserregend“, | |
zitierten Medien vergangene Woche den israelischen Epidemiologen Amnon | |
Lahad. „Vor allem, weil sie nicht nur Wildvögel, sondern auch Hühner | |
befällt. Sie hat den Sprung zwischen Wildtieren und Nutztieren geschafft, | |
und ich hoffe, dass sie nicht den nächsten Schritt zum Menschen macht.“ | |
6 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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