# taz.de -- Eskalation im Nahen Osten: Patenonkel Iran | |
> Die Mullah-Republik sieht sich als Schutzmacht der Palästinenser. | |
> Paradoxerweise rücken so aber die arabischen Staaten näher an Israel | |
> heran. | |
Bild: Ajatollah Chamenei, das politische und religiöse Oberhaupt des Iran | |
Mit [1][dem iranischen Luftangriff auf Israel hat der Nahostkonflikt eine | |
neue, gefährliche Wende erhalten]. Allenthalben ergehen Warnungen vor einem | |
Flächenbrand. Zugleich dreht sich der Konflikt zurück zu seinen Anfängen in | |
den ersten Jahrzehnten nach Gründung des Staates Israel im Jahr 1948: | |
Damals handelte es sich um eine zwischenstaatliche Auseinandersetzung, mit | |
Israel auf der einen und einer Reihe arabischer Despotien auf der anderen | |
Seite. | |
Die arabischen Länder gedachten Israel von der Landkarte zu tilgen, Israel | |
wiederum ging es darum, die eigene Existenz zu sichern, auch durch | |
Gebietserweiterungen. Der Iran spielte damals keine Rolle. Über die | |
Palästinenser sprach kaum jemand, und wenn, dann dienten diese im | |
Propagandakrieg lediglich als Statisten zur Stützung arabischer Interessen. | |
Politisch spielten sie ebenfalls keine Rolle. | |
Das änderte sich erst Anfang [2][der 1970er Jahre nach der israelischen | |
Eroberung der Westbank im Sechstagekrieg 1967] und dem Aufstieg der säkular | |
orientierten PLO als politischer Vertretung der Palästinenser. Dieser | |
Emanzipation waren allerdings Grenzen gesetzt – durch die arabischen | |
Staaten, auf deren Unterstützung die PLO angewiesen blieb. Nichtsdestotrotz | |
vermochten es die Palästinenser, eine eigenständige Rolle im Konflikt | |
anzunehmen. Dabei blieb es auch, als Islamisten wie die Hamas die alten | |
säkularen Kräfte überflügelten. Aber auch sie blieben vom Wohlwollen | |
einiger Staaten wie Katar abhängig. | |
Vor allem aber übernahm der Iran die Rolle des Patenonkels für die | |
Palästinenser, während eine Reihe arabischer Staaten ihren Frieden mit dem | |
nach rechts gerückten Israel schloss und dem Palästinenserkonflikt fortan | |
keine größere Beachtung mehr schenkte. Das schiitische Regime in Teheran | |
pflegte schon immer besondere Nichtbeziehungen zu Israel, dem Erzfeind, der | |
nicht einmal beim Namen, sondern nur „zionistisches Gebilde“ genannt wird. | |
Ob es dem Iran dabei wirklich um das Wohl der Palästinenser geht, darf aber | |
bezweifelt werden. Vor allem möchte das Mullah-Regime mit seinen Satelliten | |
von den jemenitischen Huthis über die libanesische Hisbollah bis zur | |
palästinensisch-sunnitischen Hamas die eigene Rolle als Regionalmacht | |
ausbauen, um damit den arabischen Raum dominieren zu können. Genau deshalb | |
drohen die Palästinenser wieder zu Objekten herabzusinken, denen man für | |
ihren Terror herzlich zugeneigt ist, deren Tod man aber billigend in Kauf | |
nimmt. | |
Zugleich führen die iranischen Ansprüche dazu, dass Staaten auf der | |
Arabischen Halbinsel näher an Israel heranrücken, weil sie nicht von | |
Teheran dominiert werden möchten. Insofern hat der Iran mit dem Angriff auf | |
Israel das Gegenteil dessen bewirkt, was in seinem Interesse steht: | |
Arabische Staaten rücken nun näher an Israel, das sich wiederum angesichts | |
der Bedrohung aus Teheran weniger Kritik an der Kriegsführung in Gaza | |
ausgesetzt sieht | |
## Verhindertes Blutbad | |
Jetzt stehen wir möglicherweise am Beginn eines Kriegs zwischen Israel und | |
dem Iran. Es ist kaum zu erwarten, dass Israel den Ratschlägen westlicher | |
Verbündeter folgt und auf einen Gegenschlag verzichtet. Es wäre auch keine | |
Spezialität Benjamin Netanjahus, sollte er den Befehl zum Angriff geben. | |
Israel hat in seinem Existenzkampf immer auf Abschreckung gesetzt. Es ist | |
dabei nicht schlecht gefahren, jedenfalls besser als mit dem gescheiterten | |
Friedensabkommen von Oslo. Auch die erfolgreiche Abwehr der iranischen | |
Raketen- und Drohnenattacke zeigt eigene militärische Fähigkeiten. Das | |
Blutbad, das ohne Abwehrmaßnahmen hätte entstehen können, möchte man sich | |
nicht ausmalen. | |
Israel hat jedes Recht, diesen Angriff militärisch zu beantworten – auch | |
wenn Israel mit dem Schlag auf das iranische Konsulat in Damaskus die Lunte | |
gelegt hatte. Der Iran hat nach seinem Angriff deutlich gemacht, dass er | |
zum jetzigen Zeitpunkt an einer Eskalation kein Interesse hat und hat fast | |
schon darum gebettelt, dass Netanjahu seine Raketen in den Silos lässt. | |
Auch Israel will keinen großen Krieg mit dem Iran. Es reichen schon der | |
„kleine“ im Gazastreifen (der nun wirklich nicht klein, sondern brutal und | |
lang ist) und die dauernden Scharmützel mit der Hisbollah an der Grenze zum | |
Libanon, die leicht zu einem Krieg werden könnten. Der Westen rät Israel | |
vor einer Eskalation ab, die weder US-Präsident Joe Biden im Wahlkampf noch | |
die EU gebrauchen können und die bei steigenden Ölpreisen und unsicheren | |
Handelsrouten eine schwächelnde Weltwirtschaft aus dem Tritt bringen | |
könnte. Russland arbeitet zwar eng mit dem Iran zusammen, muss aber im | |
Kriegsfall fürchten, dass der Nachschub an iranischen Kampfdrohnen für den | |
Ukrainekrieg ausgeht. | |
## Kein Vermittler in Sicht | |
Deshalb spricht derzeit eher wenig für den häufig heraufbeschworenen | |
Flächenbrand. Wahrscheinlicher bleibt es, dass die Kontrahenten wieder zum | |
alten Status quo zurückkehren. Und der ist ja nicht unbedingt sonderlich | |
friedlich: mit dem Krieg Israels gegen die Hamas, den immer noch gefangenen | |
israelischen Geiseln im Gazastreifen, den Angriffen der Hisbollah auf | |
Israel, den Drohnen im Jemen, der Präsenz iranischer Revolutionswächter in | |
Syrien, den zur Gewalt neigenden israelischen Siedlern in der Westbank. | |
Von einer Friedenslösung aber bleibt die Region weiter als jemals entfernt. | |
Angesichts des Pogroms vom 7. Oktober und der darauf folgenden Begeisterung | |
in der Bevölkerung Gazas und der Westbank finden sich kaum mehr Israelis, | |
die sich einen wie auch immer gearteten Frieden mit der palästinensischen | |
Seite auch nur vorstellen können. Der Jubel auf palästinensischer Seite | |
über den Massenmord zeugt davon, dass es umgekehrt nicht besser ist. In der | |
Region ist kein Akteur sichtbar, der die Konfliktparteien näher | |
zueinanderbringen könnte. Die EU hat im Nahen Osten keine Bedeutung, und in | |
den USA droht Großdiplomat Trump. | |
16 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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