# taz.de -- ErntehelferInnen in Corona-Zeiten: Arbeitschance für Geflüchtete | |
> In Niedersachsen melden sich zahlreiche Geflüchtete als Erntehelfer. Der | |
> niedersächsische Flüchtlingsrat fordert eine dauerhafte Perspektiven für | |
> sie. | |
Bild: ErntehelferInnen werden dringend gesucht und das nicht nur bei der Sparge… | |
Hamburg | taz| Erst einmal begrüßt der [1][niedersächsische Flüchtlingsrat] | |
die Idee, [2][Geflüchtete als ErntehelferInnen] einzusetzen. „Grundsätzlich | |
ist das eine Möglichkeit, endlich arbeiten zu können“, sagt Sigmar | |
Walbrecht vom Flüchtlingsrat. Dennoch hat er Vorbehalte: Es dürfe nicht | |
lediglich um eine „Nutzbarmachung der Arbeitskraft“ gehen. Wer jetzt | |
angeheuert werde, solle nicht nach dem Ende der Krise abgeschoben werden, | |
sondern ein Bleiberecht bekommen. | |
Auf Landesebene gibt es da nur die Möglichkeit, die Spielräume der | |
Bundesgesetzgebung auszuschöpfen. Die Beschäftigungsduldung ist aber an | |
enge Vorgaben geknüpft, unter anderem eine Beschäftigung über 18 Monate. | |
Fragt man im Bundesinnenministerium nach Bleiberechtsperspektiven für | |
ErntehelferInnen, kommt als Antwort der Verweis darauf, dass die Zahl der | |
AsylbewerberInnen aus sicheren Herkunftsstaaten im erwerbsfähigen Alter bei | |
lediglich 6.000 liege. Die Mehrheit der potentiellen Arbeitskräfte seien | |
die bundesweit 420.000 Flüchtlinge mit einem Schutzstatus, die | |
arbeitssuchend gemeldet seien. | |
Der Flüchtlingsrat ist ohnehin skeptisch, den Aufenthaltsstatus mit der | |
Nützlichkeit für den Arbeitsmarkt zu verknüpfen. Ähnlich äußert sich das | |
niedersächsische Innenministerium: „Es wäre positiv zu bewerten, wenn | |
Asylbewerber auf diesem Weg auch einen Weg in ein dauerhaftes | |
Arbeitsverhältnis finden könnten“, schreibt Sprecherin Simone Schelk. | |
„Allein aus diesem Umstand heraus ein vom Ausgang des Asylverfahrens | |
unabhängiges Bleiberecht zu gewähren, ist kritisch zu sehen“. | |
Ein zweiter Vorbehalt des Flüchtlingsrats hat sich inzwischen erledigt: die | |
Sorge davor, dass den Geflüchteten weniger als der Mindestlohn gezahlt | |
würde und sie damit unfreiwillig als Lohndrücker dienten. | |
## Kulante Ausländerbehörden | |
Anlass war laut Walbrecht eine Information auf der Internetseite des | |
Bundeslandwirtschaftsministeriums: Danach gelte für die | |
Ersatz-ErntehelferInnen nicht pauschal der Mindestlohn; die Entlohnung | |
werde individuell ausgehandelt. Inzwischen wurde ergänzt, dass der | |
Mindestlohn gilt. Der DGB und die niedersächsische Landwirtschaftskammer | |
plädierten bereits für einen Lohn oberhalb der Mindestgrenze. | |
Anerkannte Flüchtlinge hatten schon zuvor Zugang zum Arbeitsmarkt. Keine | |
Arbeitserlaubnis haben Menschen in den ersten drei Monaten ihres | |
Asylverfahrens, solche, die sich in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, | |
sowie Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern. AsylbewerberInnen | |
und Geduldeten, die keinem grundsätzlichen Arbeitsverbot unterliegen, kann | |
nach Ermessen der Ausländerbehörden eine Beschäftigung erlaubt werden. Das | |
niedersächsische Innenministerium hat sie angewiesen, die Regelungen „in | |
der Regel zu Gunsten eines Beschäftigungszugangs“ anzuwenden. | |
Die [3][Landwirtschaftskammer Niedersachsen] geht laut ihrem Sprecher | |
Wolfgang Ehrecke grundsätzlich von einem Bedarf von rund 30.000 | |
ErntehelferInnen in Niedersachsen aus. Auf der Agrarjobbörse, die | |
angesichts der ausbleibenden ErntehelferInnen aus Osteuropa | |
weiterentwickelt wurde, haben sich bislang 1.700 Personen gemeldet. Zahlen, | |
wie viele Geflüchtete bereits in der niedersächsischen Landwirtschaft | |
arbeiten, gibt es nicht. | |
Die Kammer nimmt an dem Projekt [4][„Willkomenslotsen“] des | |
Bundeswirtschaftsministeriums teil, das Geflüchtete in grüne Berufe | |
vermitteln soll. Laut Sprecher Ehrecke haben sich die Anfragen von | |
Geflüchteten nach Erntehelferstellen verzehnfacht, die Nachfrage komme aus | |
ganz Deutschland. Und: „Natürlich möchten einige auch gerne auf diesem Wege | |
feste Arbeitsplätze oder einen Ausbildungsplatz finden“, schreibt er auf | |
Anfrage der taz. Die Kammer ist aufgeschlossen: „Wir selbst glauben auch, | |
dass durch diese Aktivitäten nachhaltige Arbeitsplätze folgen können, denn | |
nach Spargel kommen Beerenobst, Kirschen, Äpfel, Salat und Kohl“. | |
1 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nds-fluerat.org/ | |
[2] /Umgang-mit-Gefluechteten-in-Coronakrise/!5673326&s=erntehelfer/ | |
[3] https://www.lwk-niedersachsen.de/ | |
[4] https://www.agrarjobboerse.de/news/34361_Gefl%C3%BCchtete_Menschen_integrie… | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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