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# taz.de -- Ermittlungen gegen „FragDenStaat“: Gesetzesbruch für Pressefre…
> „FragDenStaat“ hat Gerichtsbeschlüsse aus laufenden Verfahren
> veröffentlicht, obwohl das illegal ist. Das Infoportal will eine
> Korrektur erwirken.
Bild: Zitate aus Gerichtsunterlagen könnten eine bessere demokratische Kontrol…
Die Kolleg*innen vom Informationsfreiheits-Portal [1][FragDenStaat.de]
bleiben für uns restliche Journalist*innen wohl immer so wie die
Mathe-Streber aus der ersten Reihe. Ohne Furcht vor Zahlen ackern sie an
Lösungswegen, während wir abzuschreiben versuchen. Am Ende kommt für alle
Gutes dabei heraus. So wie nun vielleicht in einem aktuellen Fall zum Thema
Pressefreiheit.
Denn „FragDenStaat“ kämpft auf dem Feld der [2][demokratischen
Öffentlichkeit für Transparenz] und schlägt die Behörden oft mit ihren
eigenen Waffen: Amtsdeutsch und Vorschriften. Über ein Online-Formular
hilft das Projekt, offizielle Dokumente öffentlich zu machen. Grundlage
dafür sind die Informationsfreiheitsgesetze und zahlreiche
Gerichtsentscheidungen, [3][die „FragDenStaat“] erwirkte.
In einer aktuellen Kampagne geht es nun grundsätzlich um den [4][Paragrafen
353d Nr. 3 StGB. Also eine Regelung aus dem Strafgesetzbuch über „Verbotene
Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“]. Wer beispielsweise eine
Anklageschrift im Wortlaut veröffentlicht, bevor das Verfahren
abgeschlossen ist, der könnte mit einer Geldstrafe oder einer
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr belegt werden. Das droht nun [5][Arne
Semsrott, dem Chefredakteur bei „FragDenStaat]“, sofern das
Bundesverfassungsgericht diesen Paragrafen nicht korrigiert. Und genau das
will Semsrott versuchen.
Die bestehende Regel ist absurd. Bekommen beispielsweise [6][investigativ
arbeitende Journalist*innen Dokumente durchgestochen], können sie die
selbst dann verwenden, wenn Informant*innen sie illegal beschafft
haben. Ob ein öffentliches Interesse besteht, wägt allein die Redaktion ab.
Nur bei laufenden Gerichtsverfahren ist das anders: Aus Dokumenten darf
höchstens indirekt umschrieben, nicht aber wörtlich zitiert werden.
Semsrott tat das trotzdem zweimal ganz offen.
## Ermittlungen gegen Chefredakteur
Am [7][22. August 2023 stellte er Beschlüsse des Amtsgerichts München aus
einem laufenden Verfahren online]. Hintergrund sind Ermittlungen gegen die
Klimaaktivist*innen der „Letzten Generation“ wegen angeblicher
Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im Mai kam es zu Durchsuchungen.
[8][Monatelang wurden auch Telefone abgehört – inklusive Gespräche mit
Journalist*innen], was viel kritisiert wurde. Vier Beschlüsse dazu
lassen sich nun nachlesen. Laut Semsrott zeigen sie, dass das Amtsgericht
Grundrechte wie die Pressefreiheit gar nicht geprüft hat.
Ebenfalls [9][am 22. August veröffentlichte Semsrott einen Beschluss des
Landgerichts Karlsruhe]. Die Richter hatten die Anklage gegen einen
Journalisten des [10][freien Senders „Radio Dreyeckland“] nicht zugelassen
und erklärt, warum in seinem Fall die Pressefreiheit geschützt ist.
Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe unter anderem die
Redaktionsräume durchsucht, nur, weil in einem Online-Artikel auf das
[11][Archiv des verbotenen linksradikalen Portals „Indymedia Linksunten“]
verlinkt wurde. Das Oberlandesgericht traf später eine zweite Entscheidung,
zu Ungunsten des Journalisten. Diese ist in der Landesjustizdatenbank
einsehbar, nicht aber der erste Beschluss des Landgerichts. Semsrott
stellte ihn online.
In beiden Fällen ermittelt jetzt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den
Chefredakteur. Am Montag reichte „FragDenStaat“ mit Unterstützung der
Gesellschaft für Freiheitsrechte eine Stellungnahme ein: Das Verfahren
solle ausgesetzt und die Frage durch das Bundesverfassungsgericht geklärt
werden. Das Verbot aus Paragrafen 353d Nr. 3 sei verfassungswidrig und
schränke die Pressefreiheit ein. Sie berufen sich auf Urteile des
Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
## Demokratische Kontrolle der Justiz
Aber was, wenn rechte Medien wörtlich aus Akten zitieren, die etwa
kritische Journalist*innen bloßstellen? Zunächst geht es hier nur um
die Möglichkeit, in Einzelfällen überhaupt Ausnahmen im Sinne der
Pressefreiheit zuzulassen. Auch bleiben die Regeln der
Verdachtsberichterstattung und die journalistische Sorgfaltspflicht,
Persönlichkeitsrechte abzuwägen, bestehen. Semsrott zeigte diese
Verantwortung und schwärzte Namen und Adressen.
Unangenehme Details werden schon heute als Umschreibungen veröffentlicht.
Original-Zitate aus Gerichtsunterlagen könnten eine bessere demokratische
Kontrolle der Justiz ermöglichen. Das zeigen die Fälle aus Karlsruhe und
München.
5 Dec 2023
## LINKS
[1] https://fragdenstaat.de/
[2] /Bundeszentrale-fuer-politische-Bildung/!5750736
[3] /Ranking-zur-Informationsfreiheit/!5517897
[4] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__353d.html
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Arne_Semsrott
[6] /investigativ/
[7] https://fragdenstaat.org/blog/2023/08/22/hier-sind-die-gerichtsbeschlusse-z…
[8] /Letzte-Generation-wird-ueberwacht/!5940285
[9] https://fragdenstaat.org/blog/2023/08/22/der-fehlende-link-radio-dreyecklan…
[10] /Freiburger-Radiosender/!5972923
[11] https://linksunten.indymedia.org/
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Aktivismus
Demokratie
Ermittlungsverfahren
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Informationsfreiheit
Datenschutzgrundverordnung
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