# taz.de -- Prozess Radio Dreyeckland: Verbotene Verlinkung | |
> Ein Freiburger Journalist verlinkte unter einem seiner Texte die seit | |
> 2017 verbotene Plattform „Indymedia-Linksunten“. Ist das strafbar? | |
Bild: Pressefreiheit weiterhin auf Sendung? Eine Leuchte im Studio von Radio Dr… | |
KARLSRUHE taz | Der Schwurgerichtssaal im Landgericht Karlsruhe war beim | |
zweiten Prozesstag gegen Fabian Kienert nur spärlich besetzt und auch auf | |
der Pressebank saßen nur drei Journalist*innen. Dabei wird in dem Verfahren | |
gegen den Freiburger Journalisten von [1][Radio Dreyeckland (RDL)] auch | |
über die Pressefreiheit in Deutschland verhandelt. | |
Darauf wiesen beim ersten Prozesstag am 18. April auch zahlreiche | |
Transparente hin, die auf einer Solidaritätsdemonstration für Kienert | |
gezeigt wurden. „Pressefreiheit statt Polizeistaat“ und „Solidarität ist | |
nie offline“ lauteten einige der Parolen. Der letzte Spruch bezog sich auf | |
den Gegenstand der Anklage gegen Kienert. | |
Ihm wird Unterstützung der verbotenen Internetplattform | |
Indymedia-Linksunten vorgeworfen, [2][weil er unter einen sachlichen | |
Bericht einen Link auf das Archiv der 2017 vom Bundesinnenministeriums | |
verbotenen linken Plattform gesetzt hat]. In dem Artikel berichtet Kienert | |
über die Einstellung aller Verfahren gegen die Personen, denen die | |
Generalbundesanwalt vorgeworfen hat, für den in der Verbotsverfügung | |
konstruierten Verein Indymedia-Linksunten verantwortlich zu sein. | |
Der für das Verfahren verantwortliche Richter Axel Heim wolle den Prozess | |
gar nicht führen. Seine Kammer hatte Kienert bescheinigt, dass er mit dem | |
Artikel und dem Setzen des Links nur seiner journalistischen | |
Informationspflicht nachgekommen ist. Nachdem die Staatsanwaltschaft in | |
Beschwerde gegangen ist, bekam sie in der nächsten Instanz Recht und der | |
Prozess musste eröffnet werden. | |
## „Pressefreiheit statt Polizeistaat“ | |
Doch die bisherigen Prozesstage bestätigten die Anklage keineswegs. So | |
erschütterten mehrere Zeug*innen die Version der Staatsanwaltschaft, dass | |
das Erstellen und Hochladen des Archivs ein Beweis für die Fortführung der | |
verbotenen Internetplattform Indymedia linksunten sei. So erklärte die | |
[3][Bloggerin Detlef Georgia Schulze], das für das Erstellen des Archivs | |
außer einigen technischen Kenntnissen keine Insiderinformationen | |
erforderlich seien. Auch sie hat [4][das Indymedia-Linksunten-Archiv] | |
heruntergeladen. Auch gegen Georgia Schulze wurde ein Ermittlungsverfahrens | |
eingeleitet. | |
Ein Sachverständiger des Frauenhoferd-Instituts aus Karlsruhe wurde zu den | |
unterschiedlichen Möglichkeiten befragt, einen Link zu setzen. So kann man | |
ihn in einem Text ausschreiben, sodass die Leser*innen nicht sofort auf | |
die verlinkte Seite kommen, Dass ist beim Hyperlink der Fall, den Kienert | |
in seinen Artikel gesetzt hat. Doch diese Unterscheidung spielt nach | |
Aussage des Sachverständigen schon aus technischen Gründen heute keine | |
Rolle mehr. | |
Beim Kurznachrichtendiensten wie X (früher Twitter) wird ein geposteter | |
Link automatisch zu einem Hyperlink umgewandelt. Auf Handybrowsern werden | |
bei Weiterleitung auch nicht klickbare Links in Hyperlinks umgewandelt, | |
wenn dort zwei Mal auf die Adresse getippt wird. Das führte Richter Heim | |
vor Gericht mit einem Handy erfolgreich vor. Selbst über Pressemitteilungen | |
der Polizeigewerkschaft kann man auf diese Weise mit zwei Klicks auf das | |
Archiv von Indymedia-Linksunten gelangen. | |
## Auch taz-Artikel begutachtet | |
Auch Beiträge anderer Medien, die in ihren Artikeln über das | |
Indymedia-Linkunten-Verfahren deren Archiv verlinkt hatten, wurden vor | |
Gericht begutachtet, darunter auch [5][ein taz-Artikel]. Auch die | |
Bebilderung der Texte wurde rechtlich gewürdigt. So waren sowohl über den | |
inkriminierten Text auf der Homepage von Radio Dreyeckland wie auch | |
zeitweise über dem taz-Artikel Fotos von Solidaritätsaktionen mit | |
Indymedia-Linksunten zu sehen. | |
„Das kann nur auf einen Freispruch für Fabian Kienert rauslaufen“, gibt | |
sich ein Prozessbeobachter nach den drei Verhandlungstagen überzeugt. Am | |
30. April sollen Anklage und Verteidigung ihre Plädoyers halten. Danach | |
könnte das Urteil verkündet werden. Doch damit muss die juristische | |
Auseinandersetzung um den Hyperlink noch nicht zu Ende sein. | |
Die Staatsanwaltschaft hat schon angekündigt, gegen einen Freispruch in | |
Revision zu gehen, über die der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden müsste. | |
Wäre sie damit erfolgreich, müsste vor einer anderen Kammer des Karlsruher | |
Landgerichts verhandelt werden. Dann könnte die Staatsanwalt erneut ihren | |
Antrag auf Vernehmung des Geschäftsführers von RDL stellen, der über | |
Redaktionsinterna befragt werden sollte. Richter Heim hatte den Antrag mit | |
Verweis auf Quellenschutz und Zeugnisverweigerungsrecht der Presse | |
abgelehnt. | |
28 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Durchsuchungen-bei-Radio-Dreyeckland/!5957065 | |
[2] /Radio-Redakteur-vor-Gericht/!6001960 | |
[3] https://blogs.taz.de/theorie-praxis/ | |
[4] https://de.indymedia.org/node/61393 | |
[5] /Linke-Medien/!5920120 | |
## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Radio | |
Indymedia | |
Karlsruhe | |
Freiburg | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Radio | |
Aktivismus | |
Radio | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Urteil für Radio Dreyeckland: Link war legal | |
Der Journalist Fabian Kienert stand vor Gericht, weil er auf das Archiv | |
linksunten.indymedia verlinkt hat. Jetzt wurde er freigesprochen. | |
Radio-Redakteur vor Gericht: Kann ein Link strafbar sein? | |
Radio Dreyeckland hat 2022 in einem Artikel die Archivseite der verbotenen | |
Vereinigung linksunten.indymedia verlinkt. Nun steht der Redakteur vor | |
Gericht. | |
Ermittlungen gegen „FragDenStaat“: Gesetzesbruch für Pressefreiheit | |
„FragDenStaat“ hat Gerichtsbeschlüsse aus laufenden Verfahren | |
veröffentlicht, obwohl das illegal ist. Das Infoportal will eine Korrektur | |
erwirken. | |
Freiburger Radiosender: Piraten der Pressefreiheit | |
Seit Anfang des Jahres kämpft Radio Dreyeckland gegen Razzien und | |
Strafverfahren. Wie geht es dem Sender mit der langen widerständigen | |
Tradition? |