# taz.de -- Ergebnis der Kommunalwahl in Nordirland: Boykott-Partei boykottiert | |
> Erstmals hat die Partei Sinn Féin Kommunalwahlen gewonnen. Für die bisher | |
> stärkste DUP könnte das die Quittung für ihren Regierungsboykott sein. | |
Bild: Sieht im Wahlergebnis eine Aufforderung an die DUP: Sinn Féin Vizepräsi… | |
DUBLIN taz | Sinn Féin hat ihren Siegeszug in Nordirland fortgesetzt. Die | |
katholisch-republikanische Partei ging aus den Kommunalwahlen am Donnerstag | |
als stärkste Kraft hervor, nachdem sie bereits bei den Wahlen zum | |
Regionalparlament vor einem Jahr die protestantisch-unionistische | |
Democratic Unionist Party (DUP) erstmals überflügeln konnte. | |
Bei der Stimmabgabe am Donnerstag ging es um 462 Sitze. Wegen des | |
komplizierten Wahlsystems, bei dem die Wähler die Kandidaten in der | |
Reihenfolge ihrer Präferenz nummerieren, stand das Endergebnis erst in der | |
Nacht zum Sonntag fest. Sinn Féin gewann 144 Sitze, 39 mehr als 2019. Die | |
DUP kam wie bei den letzten Wahlen auf 122 Sitze. | |
Die neutrale Alliance Party verbesserte sich um 14 Mandate und hat nun 67 | |
Sitze. Damit bestätigte sie ihren Aufstieg bei den Parlamentswahlen und | |
wurde erneut drittstärkste Kraft. Die Grünen sind in Nordirland nahezu | |
bedeutungslos, sie kamen auf fünf Sitze, Parteichef Mal O’Hara ging leer | |
aus. | |
Zum [1][ersten Mal gewann Sinn Féin auch Manda]te in unionistischen | |
Hochburgen. In der überwiegend protestantischen Waterside in Derry, | |
Nordirlands zweitgrößter Stadt, stellt Sinn Féin sogar zwei Stadträte. | |
Hätte die Partei einen dritten Kandidaten aufgestellt, wären der auch in | |
den Stadtrat eingezogen. | |
## Aus der Wahl eine Lehre ziehen | |
Das liegt nicht daran, [2][dass viele die Partei gewechselt] haben. Die | |
Wahlbeteiligung spielt eine größere Rolle. Insgesamt lag sie bei 54 | |
Prozent, aber in katholisch-republikanischen Wahlkreisen war sie weitaus | |
höher als in protestantisch-unionistischen Bezirken. Dort haben die Wähler | |
offenbar die Nase voll vom [3][DUP-Boykott des Belfaster | |
Regionalparlaments]. | |
Die designierte Erste Ministerin Michelle O’Neill von Sinn Féin bewertete | |
das Wahlergebnis als deutliche Aufforderung an die DUP, den Boykott | |
aufzugeben. Die DUP ist im Februar vergangenen Jahres aus der Regierung | |
ausgetreten, weil sie mit dem sogenannten Windsor-Rahmenplan, der das | |
Nordirlandprotokoll als Teil des Brexitvertrags abgelöst hat, nicht | |
einverstanden ist. Darin ist festgelegt, dass Nordirland im EU-Binnenmarkt | |
und in der Zollunion bleibt, um eine physische Grenze zwischen Nordirland | |
und dem EU-Mitglied Irland zu vermeiden. | |
Die DUP moniert, dass Nordirland dadurch anders behandelt werde als der | |
Rest des Vereinigten Königreichs. Allerdings besteht die [4][Regierung laut | |
Belfaster Friedensabkommen von 1998 zwingend] aus einer Koalition der | |
beiden stärksten Parteien auf protestantisch-unionistischer und | |
katholisch-republikanischer Seite. | |
DUP-Chef Jeffrey Donaldson sagte, seine Partei habe bei den Kommunalwahlen | |
ordentlich abgeschnitten, aber er räumte ein, dass die Unionisten aus dem | |
Wahlergebnis eine Lehre ziehen müssen. Ob er damit den Boykott der | |
Regionalregierung meinte, sagte er nicht. | |
21 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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