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# taz.de -- Energieversorgung in der Ukraine: Stundenlang ohne Strom
> Noch gibt es in Kiew Nachschub aus dem Westen – und Benzin. Aber
> Streichhölzer fehlen und der Bürgermeister warnt vor einer möglichen
> Evakuierung.
Bild: In Kiew wird regelmäßig der Strom abgeschaltet, durchschnittlich fünf …
Kiew taz | Mit geübtem Blick deutet der ukrainische Grenzsoldat am
polnisch-ukrainischen Grenzübergang Budomierz/Gruschiw auf das Paket, in
dem sich mein Solarpaneel befindet. „Öffnen Sie das bitte“, fordert er mich
auf. Er reicht mir sein scharfes Messer. Dann betrachtet er eingehend die
Solarzelle. „Wie stellt man die auf? Und kann man damit auch im Winter was
anfangen?“, fragt er. „Wo kann man so etwas kaufen? Wo wollen Sie es
aufstellen? Auf dem Balkon?“ Fragen über Fragen, die eher sein persönliches
als sein dienstliches Interesse zeigen.
Aber warum auch beeilen? Der Mann hat Zeit. Er ist für die Abfertigung der
Pkws zuständig. Und davon ist weit und breit fast keiner zu sehen. Und so
ist er froh über die Abwechslung und das Gespräch über Solarenergie. Ganz
anders sieht es auf der Spur für Lkws aus. Dort ist eine lange Schlange.
Ein Drittel davon führt Neuwagen der gehobenen Mittelklasse mit sich. Ja,
wenn die Lkws nicht wären, wäre die Versorgung der Ukraine schon längst
zusammengebrochen, meint mein Fahrer.
Auf der polnischen Seite der Grenze sind alle Zelte und mobilen Toiletten,
die für ankommende Flüchtlinge vorgesehen waren, abgebaut. Auf der
ukrainischen Seite stehen sie noch, die Zelte und die Tische mit Personen,
die für die Betreuung von Menschen zuständig sind, die auf die andere Seite
fliehen wollen. Nur: An diesem Sonntag ist hier niemand, der fliehen will.
Nein, klärt mich mein Fahrer auf, als er gegen Abend kurz vor Kiew eine
Tankstelle anfährt. „Die Tankstelle ist nicht geschlossen. Man hat nur
Notbeleuchtung eingestellt, weil ja landesweit Energie gespart werden
soll.“ Obwohl sein Tank zu zwei Dritteln voll ist, tankt er noch mal. „Man
weiß ja nie. Ich brauche immer so viel Diesel im Tank, dass es bis Polen
reicht.“ Im März seien fast alle Tankstellen hier auf der Straße von Kiew
nach Schitomir ohne Treibstoff gewesen.
## Bürgermeister fürchtet Blackouts
Derzeit scheint es an Benzin wohl keinen Mangel zu geben. Nur der Mann
nebenan, der an einer Zapfsäule Strom für sein E-Fahrzeug zieht, wird wohl
Pech haben. Bei den aktuellen Stromausfällen kann man mit einem E-Wagen
schnell liegen bleiben. „Im März war es genau andersherum“, meint mein
Fahrer. „Da konnten die E-Wagen problemlos fahren, sind viele Benziner
liegen geblieben.“
Sorgen machen mir Medienberichte, die Kiews Bürgermeister Klitschko
zitieren, der [1][lang anhaltende Blackouts von Strom], Wasser und Heizung
fürchtet. Auch über eine Evakuierung von drei Millionen Menschen aus Kiew
müsse man nachdenken. Gut, dass ich meinen Daunenschlafsack, mit dem man
sogar im Winter draußen schlafen kann, mitgenommen habe.
Doch als ich mein Zimmer betrete, kann ich es nicht fassen. Ich öffne als
Erstes das Fenster. Es ist so heiß, dass man gar nicht schlafen könnte.
Warum nur machen die die Zentralheizung nicht ein paar Grad niedriger? Und
überhaupt, wenn ich nicht in Kiew bin, brauche ich überhaupt keine Heizung.
Warum nur ist es in meinem Haus so, dass man die Heizung gar nicht
abschalten, die Zimmertemperatur nur durch gelegentliches Öffnen des
Fensters regeln kann? Dabei wären doch gerade jetzt Energiesparmaßnahmen
sinnvoll.
## Gas gibt es genug, Streichhölzer nicht
Meine Nachbarin, die 75-jährige Nadja, beklagt sich über [2][die
regelmäßigen Stromabschaltungen]. Fünf Stunden ohne Strom am Tag sei der
Durchschnitt, klagt sie. Und das Ungerechte sei, dass in dem Viertel, in
dem ihre Freundin wohnt, nur einmal pro Woche für zwei Stunden der Strom
abgeschaltet werde. Sie ist ein sparsamer Mensch, spart Streichhölzer und
lässt einfach das Gas in der Küche laufen, damit sie nicht jedes Mal ein
neues Streichholz verbrauchen muss. Gas gäbe es ja genug, meint sie.
Streichhölzer nicht.
Am Morgen bin ich dann auch bis jetzt drei Stunden ohne Strom. Auch im
Nachbarhaus ist kein Licht zu sehen. Im Zentrum, teilt mir mein Fahrer vom
Vortag mit, habe er bisher keinen Stromausfall gehabt.
7 Nov 2022
## LINKS
[1] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5892878
[2] /Angriffe-auf-ukrainisches-Energiesystem/!5892662
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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