# taz.de -- Ende der Luftbrücke aus Kabul: Jetzt nicht wegschauen | |
> Die aktuellen Ereignisse in Kabul beweisen: Die kaltschnäuzige | |
> Nonchalance des US-Präsidenten Joe Biden bezahlen Menschen mit ihrem | |
> Leben. | |
Bild: US-Soldat wartet an einem Evakuierungsflugzeug in Kabul | |
Man sollte es auch mal würdigen: [1][Die Luftbrücke aus Kabul] war eine | |
große Leistung. Bis zu ihrem Ende dürften über 100.000 Menschen vom | |
US-Militär und seinen Verbündeten ausgeflogen worden sein – unter | |
Umständen, die schwieriger kaum sein könnten. In jeder Vorausplanung am | |
Schreibtisch wäre das, was in den vergangenen zwölf Tagen am Flughafen der | |
afghanischen Hauptstadt mit den vereinten Kräften der ehemaligen | |
Interventionsmächte geschafft wurde, als komplett wahnsinnig und | |
undurchführbar abgestempelt worden. Die Realität zeigt: Es geht. | |
Dieser Erfolg sollte zu denken geben angesichts der vielen Forderungen, | |
neue Fluchtbewegungen nach Europa seien unbedingt zu verhindern und | |
Deutschland und die USA und der Westen überhaupt müssten jetzt ihre | |
Außenpolitik neu konzipieren, damit sich so ein Debakel nicht wiederhole. | |
Man müsse die Ziele jetzt „kleiner fassen“, hat Kanzlerin Angela Merkel | |
gesagt. Wie klein denn noch? | |
Seit dem Verzicht auf ein Eingreifen gegen Assads Verbrechen in Syrien und | |
gegen russische Aggression in der Ukraine traut sich doch sowieso niemand | |
im Westen mehr irgendwas, was eine andere Großmacht ärgern könnte. Kabul | |
beweist demgegenüber: Wir schaffen das. 2015 hat sich wiederholt, im Guten. | |
Doch der Erfolg der Luftbrücke kann über ihre Schattenseiten nicht | |
hinwegtäuschen. Ebenso wie nach 2015 die Grenzen in Europa wieder | |
geschlossen wurden, bevor alle Fliehenden sicheres Terrain erreicht hatten, | |
werden auch jetzt in Kabul viele Tausende nicht mitgenommen worden sein, | |
wenn die Evakuierungen enden. Sie werden am Flughafen zurückgelassen, | |
zurückgewiesen oder sind nicht einmal bis in die Nähe gekommen. | |
Sie fürchten nun um ihr Leben oder zumindest um ihre Zukunft unter der | |
Terrorherrschaft, die in Afghanistan zu erwarten ist, sobald die | |
Aufmerksamkeit der Staatengemeinschaft erlahmt und die Taliban nicht mehr | |
gestört werden. | |
Afghanistan – das sind in diesen Tagen unzählige und unfassbare persönliche | |
Dramen. Die unsäglich kaltschnäuzige Nonchalance des US-Präsidenten Joe | |
Biden, der Donald Trumps absurdes Überlassen Afghanistans an die Taliban in | |
der schlechtestmöglichen Weise umgesetzt hat, [2][bezahlen jetzt schon | |
Menschen mit dem Tod]. | |
Umso wichtiger ist es, jetzt nicht wegzuschauen. Das Schicksal der Menschen | |
Afghanistans – gerade jener, deren Zukunft jetzt wegen der schlechten | |
Vorbereitung des westlichen Abzugs auf dem Spiel steht – bleibt unsere | |
Sache und unsere Verantwortung, ob wir es wollen oder nicht. Unterstützung | |
und Solidarität von außen werden weiter gefragt sein. Man muss auch | |
weiterhin Flüchtlinge aufnehmen, sichere Fluchtwege offen halten, | |
Gefährdeten Schutz bieten, Verbrecher an der Macht isolieren, | |
zivilgesellschaftlichem Widerstand den Rücken stärken. | |
Das Drama von Kabul ist nicht vorbei, wenn der letzte US-Soldat am | |
Flughafen das Licht ausmacht. Es fängt dann erst richtig an. | |
26 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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