# taz.de -- Elon Musk und das Klima: Progressive Kompromisse | |
> Dem Ingeniör ist nichts zu schwör. Wenn Großes auf dem Plan steht, heißt | |
> es handeln, auch wenn die bevorzugten Partner gerade nicht bereitstehen. | |
Bild: Elon Musk beim ersten Richtfest auf der Baustelle der Tesla Gigafactory i… | |
„Glaubst Du, dass ich verrückt bin?“ Mit dieser Frage beginnt Ashley Vances | |
Biografie von Elon Musk. Das Buch lag schon lange auf der Fensterbank, nun | |
habe ich sie endlich gelesen – angeregt durch einen Artikel im | |
[1][Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen] über den realitätsenthobenen | |
„reichen Twitterer Elon Musk“, der demnächst im Berliner Vorort Grünheide | |
eine halbe Million Elektroautos pro Jahr produzieren will, mit kaum | |
verhaltener Sympathie für die angestammten Grünheider, die sich vor den | |
Veränderungen fürchten. | |
Es wurde ein beunruhigendes Wochenende daraus, mit einem gut gequirlten | |
Cocktail von Emotionen: zwischen Faszination, Perry-Rhodan-mäßigem | |
Weltraumschwindel, und, komisch, Lust auf Zukunft. Kurzes Resumée meines | |
Musk-Schnellkurses anhand von ein paar Stunden Lektüre und zwei langen | |
Interviews, die Musk um Weihnachten herum dem [2][AI-Wissenschaftler Lex | |
Fridman] und dem christlich-konservativen Comedy-Kanal [3][Babylon Bee] | |
gegeben hat (beide auf Youtube und extrem ansehenswert). | |
Das sitzt ein entspannter, belesener Mann in den besten Jahren mit einem | |
realistischen Blick auf Menschen und Geschichte, ohne Allüren und Pathos. | |
Kein Bewohner von Steuerparadiesen, nicht ganz einfache Kindheit. Religion? | |
„Der Gott Spinozas“, aber „Jesus würde ich nicht im Weg stehen“. Eher | |
zögernd und reflektierend entwickelt er im Gespräch sein kohärentes und | |
synergetisches Programm. | |
Angefangen von Tesla und Solarziegeln über Roboter, die nicht nur Arbeit | |
abschaffen, sondern die auch die vielen einsamen Menschen begleiten | |
könnten, hin zu Gehirnchips, die Lähmungen kompensieren und irgendwann | |
unser Bewusstsein erweitern, und schließlich das weltumspannende | |
Satelliteninternet und die Starship-Rakete für den Flug zu Mond und Mars | |
und dessen Besiedelung. | |
[4][Ein Wackelbild]. Je nachdem wie man hinschaut, redete da ein | |
Unternehmer mit einem genialen Blick für Synergien, Abkürzungen und | |
Marketing, oder ein Technomissionar, der die Voraussetzungen für eine | |
transterrestrische Zivilisation schaffen will – für den Fall, dass es auf | |
der Erde irgendwann einmal alles schiefgeht, aber auch um vielleicht dem | |
Geheimnis des Weltalls ein wenig näherzukommen. | |
Was ihm Kraft gibt weiterzumachen, angesichts all der technischen | |
Schwierigkeiten, die den Ausgang ungewiss sein lassen, fragt ihn der | |
Physiker vom MIT. „Kraftquelle?“, überlegt Musk. „Diese Dinge müssen ge… | |
werden, basta.“ Das alles wirkt ein wenig wie Kino oder Erzählungen über | |
die heroischen Aufbruchsingenieure der Sowjetunion. Aber es ist nicht | |
Kino. Die Gigafactories stehen, in Buffalo, in Schanghai, in Texas und in | |
Grünheide. Tesla hat den Automobilmarkt elektrifiziert. | |
Die sozialen Bewegungen hätten geholfen, sagt Musk, „aber bewegt haben die | |
anderen sich erst, als ich ihnen Marktanteile weggenommen habe“. Die | |
Solarziegel werden fabriziert, die ersten 4.000 Kommunikationssatelliten | |
für ein leitungsloses Internet fliegen, [5][SpaceX] hat die Nasa ersetzt. | |
Sektencharakter, Mondflugromantik, soziale Bewegung, etwas von allem. Doch | |
bei aller Faszination: Natürlich hat Musk dunkle Seiten. | |
Nicht weil er elitär oder gierig oder machthungrig ist; es sind die | |
Alleinherrscherallüren aller produktiven Zerstörer, aller Gründer von | |
Imperien, industriell, technisch oder politisch. Man kann davor | |
erschrecken, aber „Regierungen sind nicht schnell genug“. Und schnell | |
müssen wir wohl sein. Musk, so scheint es, hat wohl auch nichts | |
grundsätzlich gegen Gewerkschaften, nur, wenn sie die Produktivität oder | |
das Tempo bremsen, erhöht er lieber die Löhne, als sich an die | |
Arbeitszeitverordnung zu halten. | |
## Kein Freund von Gewerkschaften | |
Das kann noch lustig werden mit der IG Metall in Grünheide – oder | |
produktiv. Seine tiefsten Leseerfahrungen seien Nietzsche und Schopenhauer | |
gewesen. Das sei etwas viel für Vierzehnjährige, das würde er nicht | |
empfehlen, es habe ihn für eine Weile depressiv gemacht, bis er mit Douglas | |
Adams’ „Anhalter durch die Galaxis“ einen Ausweg fand. Kurze Erinnerung: | |
„In irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen | |
flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge | |
Tiere das Erkennen erfanden. | |
Es war die hochmütigste und verlogenste Minute der Weltgeschichte; aber | |
doch nur eine Minute. Nach wenigen Atemzügen der Natur erstarrte das | |
Gestirn und die klugen Tiere mussten sterben.“ Greta und Musk – vielleicht | |
kann man sie zusammendenken, nur dass einer mit Paypal zu viel Geld | |
gekommen ist und als Kind Raketen gebaut hat. | |
„Wenn du etwas wichtig findest, dann tu es, auch wenn die Widerstände gegen | |
den Erfolg sprechen“, das ist am Ende des Interviews sein Rat für junge | |
Menschen, die fragen, wie sie in dieser zynischen Zeit ihr Leben leben | |
sollen. An der Stelle fiel mir [6][Robert Habeck] ein. Es gehe um eine | |
„krasse Mentalitätsveränderung“, sagte er in den Nachrichten: „Mehr | |
erneuerbare Energien, mehr Solarpanels, mehr Windkraft, aber eben auch mehr | |
Spaß an der Sache. | |
[…] Wenn man sich Großes vornimmt, kann man scheitern, aber die Alternative | |
wäre ja, sich nichts mehr vorzunehmen aus Angst, dass man scheitern könnte. | |
Wer will in so einem Land leben und wer will so eine Bundesregierung haben? | |
Ich hätte keinen Bock, in solch einer Regierung Minister zu sein. Deshalb | |
voll ins Risiko und vielleicht gelingt es ja auch.“ Und in meinem Kopfkino | |
trafen sich die beiden zu einem Waldspaziergang, nördlich von Grünheide. | |
Das Resultat war eine Vereinbarung über eine crashmäßige Ausweitung der | |
Produktion von muskschen Solarziegeln und stattliche Subventionen für | |
Menschen, die Solarpanels nicht mögen. Die alten Gewohnheiten sind eben | |
klebrig: spitze Dächer und Autos und Flugreisen und so. Aber man kann da | |
progressive Kompromisse machen. Man muss es wohl, wenn’s gut und groß | |
werden soll. | |
19 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/tesla-fabrik-in-brandenburg… | |
[2] https://www.bing.com/videos/search?q=youtube+lex+firdman+musk&docid=608… | |
[3] https://www.bing.com/videos/search?q=babylon+bee+elon+musk&&view=de… | |
[4] /Time-ehrt-Elon-Musk/!5819188 | |
[5] /SpaceX-Rakete-hebt-ab/!5802041 | |
[6] https://amp.zdf.de/nachrichten/politik/habeck-klima-klimaschutz-minister-10… | |
## AUTOREN | |
Mathias Greffrath | |
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