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# taz.de -- Elektrolyse in Klärwerk gescheitert: Doch kein Wasserstoff aus Han…
> Die Produktion von grünen Wasserstoff an einem Klärwerk in Hannover
> sollte ein Leuchtturmprojekt werden. Doch jetzt muss die Stadt es
> beenden.
Bild: Trübe Brühe: Beim Klären von Abwasser lässt sich der Sauerstoff, der …
Hannover taz | Es klang so charmant und hatte schon eine Menge
Vorschusslorbeeren eingeheimst: Am Klärwerk in Hannover-Herrenhausen
[1][sollte grüner Wasserstoff produziert werden]. Doch nun musste die Stadt
die Reißleine ziehen, die Kosten explodieren, das Leuchtturmprojekt
zerbröselt, noch bevor es gebaut wurde.
[2][Sektorenkopplung heißt das Zauberwort für das], was hier versucht
werden sollte. Mit einem Elektrolyseur direkt am Klärwerk sollten gleich
mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Der Plan: Das Klärwerk
hätte das Wasser geliefert – einfach geklärtes Betriebswasser statt
kostbaren Trinkwassers – und den bei der Wasserstoffproduktion übrig
bleibenden Sauerstoff direkt weiterverwertet.
Bisher wird bei der Abwasseraufbereitung Luft verwendet, die mit
Turboverdichtern aus der Umgebung gewonnen und dann in die Klärbecken
gepumpt wird – ein Vorgang, der für einen Großteil des hohen
Stromverbrauchs der Anlage verantwortlich ist. Hier hatte man auf ein
Einsparpotenzial und eine effizientere Nutzung gehofft.
Mit dem entstehenden Wasserstoff sollten dann unter anderem
Wasserstoffbusse des kommunalen Verkehrsunternehmens Üstra betankt werden.
Dazu hätte eine Wasserstofftankstelle errichtet werden sollen. Die
entstehende Abwärme sollte außerdem in das Fernwärmenetz vom kommunalen
Energieversorger Enercity eingespeist werden.
## Baukosten und Hochwasserschutz sind ein Problem
Eine Win-win-Situation in mehrfacher Hinsicht sozusagen. Das sah auch das
Land Niedersachsen so, zumindest hat es dieses Investitions- und
Forschungsprojekt mit 6,37 Mio. gefördert. Auf 25 Millionen Euro hatte man
das Gesamtvolumen des Projekts ursprünglich geschätzt.
Wobei der Bau in zwei Stufen erfolgen sollte: Zunächst mit einer kleineren
Anlage mit einer Leistung von einem Megawatt, die rund 2,5 Millionen kosten
sollte. Sie hätte schon ab 2025 Wasserstoff produzieren sollen, circa 150
Tonnen im Jahr, damit hätte man täglich etwa 20 Busse betanken können. Im
Erfolgsfall sollte die „Sewage Plant H“ erweitert werden auf 17 Megawatt
und am Ende 2.500 Tonnen Wasserstoff pro Jahr produzieren.
Allerdings deutete sich schon im vergangenen Jahr an, dass sich das Projekt
dramatisch verteuern könnte, wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung zuerst
berichtete. Am Montag machten nun neue Zahlen die Runde: Die Gesamtkosten
sind von 25 auf 136 Millionen gestiegen. Damit ist klar: Hier wird auf
absehbare Zeit kein Wasserstoff zu auch nur halbwegs marktgängigen Preisen
zu produzieren sein.
Über die Gründe wird nun viel gerätselt: Natürlich schlagen Inflation und
die allgemeine Preisentwicklung in der Baubranche zu Buche. Außerdem, so
erklärt die Stadt, hätten sich die Anforderungen an den Hochwasserschutz
auch noch einmal verschärft, was ebenfalls Kosten in die Höhe treibt.
## Grünstromkosten bleiben ein entscheidender Schwachpunkt
Aber es sind nicht nur die Baukosten, die das Projekt unwirtschaftlich
machen, sondern noch ein weiterer Faktor: die stark gestiegenen Kosten für
grünen Strom.
Das ist eine Schwachstelle, [3][auf die Experten immer wieder hingewiesen
haben.] Grüner Wasserstoff funktioniert da optimal, wo er dazu genutzt
werden kann, Überkapazitäten aus Wind- und Solarenergie zu verwerten und zu
speichern. Eine Anlage, die dauerhaft läuft, muss den Strom aber auch dann
kaufen, wenn es keine Überkapazitäten gibt und die Preise hoch sind.
Kommunalpolitisch ist das natürlich ein Desaster, denn die Stadt muss sich
jetzt fragen lassen, ob sie hier sehenden Auges mehrere Millionen versenkt
hat – und ob die Kosten nicht von vornherein viel zu niedrig angesetzt
waren. Das sollen nun das Rechnungsprüfungsamt und möglicherweise auch noch
ein externer Wirtschaftsprüfer aufklären.
## Wissenschaftler sieht trotzdem Potenzial
Gleichzeitig betont ein Sprecher, es habe sich eben um ein bundesweit
einmaliges Innovationsprojekt gehandelt, was nun einmal immer mit einem
gewissen technischen und wirtschaftlichen Risiko behaftet sei. Man breche
das Projekt jetzt ab, um die wirtschaftlichen Verluste zu minimieren.
Bei den Kosten, die die Stadt jetzt abzuschreiben hat, handelt es sich im
Wesentlichen um Planungskosten von mehreren Millionen Euro und die Kosten
für einen schon beauftragten Stromanschluss von vier Millionen Euro, den
man nun allerdings für das Klärwerk nutzen will.
Bei den wissenschaftlichen Begleitern des Projekts fällt die Bilanz gar
nicht so finster aus: Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Projekt
keineswegs gescheitert, erklärt [4][Richard Hanke-Rauschenbach vom Institut
für Elektrische Energiesysteme an der Leibniz-Universität Hannover.] „Wir
haben wertvolle Erkenntnisse gewonnen und eine Toolbox entwickelt, die
künftig helfen kann, solche Anlagen an anderen Standorten zu entwickeln.“
Von der Grundidee dieser Art der Sektorenkopplung ist er immer noch
überzeugt. Immerhin gibt es noch 9.000 andere Kläranlagen in Deutschland.
Und auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können sich ja ändern.
10 Feb 2024
## LINKS
[1] /Wasserstoff-Strategie-der-Ampel/!5946423
[2] https://www.wasserstoff-niedersachsen.de/stadtentwaesserung-hannover/
[3] /Gefahr-fuer-die-Energiewende/!5963523
[4] https://www.repo.uni-hannover.de/bitstream/handle/123456789/13162/unimagazi…
## AUTOREN
Nadine Conti
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