| # taz.de -- Einfluss bei Profivereinen im Fußball: Soll 50+1 im Fußball falle… | |
| > Längst regeln kapitalistische Unternehmen den Profifußball. Ein | |
| > Pro&Contra zur 50+1-Regel, die Vereinsmitgliedern ein Mitspracherecht | |
| > einräumen soll. | |
| Bild: Wollen gern im Verein mitreden: Fans von Hannover 96 | |
| Ja, | |
| der Kampf gegen den Kommerz ist verloren. Das ist er nicht erst seit der | |
| Gerichtsentscheidung vom Dienstag, die bei Hannover 96 faktisch die | |
| 50+1-Regel außer Kraft gesetzt hat, aber sie zeigt doch: Der lobenswerte | |
| Versuch, das Kapital im Fußball zumindest ein bisschen einzuhegen, | |
| funktioniert nicht. Lasst es sein, an etwas festhalten zu wollen, das | |
| längst tot ist! | |
| Schon die Idee von 50+1 war in seinem Ursprung eine reine Abwehrreaktion: | |
| Davor stand zuallererst die Überzeugung, dass die Profiabteilung eines | |
| Vereins in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert werden muss. Im | |
| Wettbewerb, in den seit rund drei Jahrzehnten irre wachsende Summen | |
| reingepumpt werden, muss ordentlich Kapital durch den Verkauf von Anteilen | |
| generiert werden, um mitzuhalten. 50+1 sollte diese Abkehr vom Vereinswesen | |
| nur ein wenig abfedern. | |
| Martin Kind hat, so bitter es ist, ja recht: Das Verbandsrecht hat hier nix | |
| zu bedeuten, eine ausgegliederte Profiabteilung ist eine | |
| Kapitalgesellschaft. Da ist es aus dieser ursächlichen Sünde der | |
| Ausgliederung heraus nur stringent weitergedacht. Die KgaAs, die AGs und | |
| die GmbHs der Profi-Vereine haben überhaupt nichts mehr mit einem | |
| demokratischen Vereinswesen zu tun. Bedingt gilt das noch für die wenigen | |
| Profi-Vereine, die zwar noch nicht ausgegliedert haben, aber bei Umsätzen | |
| vergleichbar mit mittelgroßen Unternehmen wirkt auch das schon reichlich | |
| bemüht. | |
| Jetzt noch weiter dafür zu kämpfen, dass 50+1 bestehen bleibt, ist sinnlos. | |
| Stattdessen muss sich jetzt endlich die Erkenntnis durchsetzen: Wer nicht | |
| länger will, dass der Fußball in die Hände von einzelnen finanzstarken | |
| Menschen, Unternehmen oder Staaten gehört, muss sich vom Profifußball in | |
| seiner jetzigen Form abwenden. „Gegen den modernen Fußball“ steht schon | |
| seit Jahren auf den Bannern vieler Kurven. Wer das ernst meint und sich | |
| nicht nur billig nach guten alten Zeiten sehnt, muss das tun. In diesem | |
| Multi-Milliarden-Business hilft kein Reformismus mehr. Verlasst die Ränge | |
| und Kurven! | |
| Das Schöne ist doch: Fußball als Kulturgut der Masse geht so nicht | |
| verloren. Verbandsstrukturen etwa, die ein absurdes System befördern, sind | |
| nicht in Stein gemeißelt. André Zuschlag | |
| Nein, | |
| Martin Kind hat stets dafür gekämpft, dass er bei Hannover 96 | |
| unternehmerisch so wirken kann wie bei seiner Hörgeräte-Firma: | |
| Entscheidungen aufgrund der Macht des Geldes zu fällen, ohne auf die | |
| Zustimmung einer festgelegten Mehrheit angewiesen zu sein. Profitabel sind | |
| Fußballvereine aber im Unterschied zu Hörgeräte-Unternehmen in den | |
| seltensten Fällen. | |
| Freies Wirtschaften im Fußball, wie es etwa in England gang und gäbe ist, | |
| lockt selten seriöse Unternehmer an. Reizvoll sind Fußballgeschäfte eher | |
| für sinistre Regierungen wie Katar und Saudi-Arabien, die mit Hilfe von | |
| Staatsunternehmen allein auf Imagegewinne aus sind oder Superreiche, die | |
| sich Traditionsvereine als Prestigeanlage unter den Nagel reißen. Es muss | |
| ja nicht immer eine Yacht sein. | |
| Das Besitzdenken von Staaten und Unternehmern im Fußball ist allerdings mit | |
| dem Zugehörigkeitsgefühl der Fans zu ihrem Klub im wahrsten Sinne des | |
| Wortes unvereinbar. „Ihr Klub“, sagen viele Fußballanhänger immer wieder | |
| gern, sei stets größer als die Bedürfnisse eines Einzelnen. Es geht um den | |
| Schutz eines Kulturguts, dem größerer Wert beizumessen ist als dem | |
| Unternehmensrecht. Und dafür garantiert die 50+1-Regel, durch die der | |
| Verein die Stimmmehrheit hat. | |
| Unternehmern wie Martin Kind ist der Fußball als Kulturgut fremd, weshalb | |
| er als ernstzunehmenden Gegner lediglich die Deutsche Fußball Liga (DFL) | |
| wahrnimmt. Nach seinem Triumph vor dem Landgericht Hannover, das seine | |
| Abberufung als Geschäftsführer als nicht rechtens einstufte, stellte er | |
| fest: „Das Unternehmensrecht ist höher einzuordnen als das Verbandsrecht.“ | |
| Im freien Spiel der Kräfte, so predigt Kind schon lange, seien deutsche | |
| Klubs bald nicht mehr wettbewerbsfähig. Aber gerade deutsche Vereine, die | |
| besonders eng mit einflussreichen Investoren verbunden sind, wie Hannover | |
| 96, 1860 München oder Hertha BSC möchte man derzeit weder um ihre | |
| sportliche noch um ihre finanzielle Lage beneiden. An der Spitze der | |
| Bundesliga stehen dagegen mit dem 1. FC Union Berlin und dem SC Freiburg | |
| eine besondere Spezies. Es sind eingetragenen Vereine, die noch nicht | |
| einmal ihre Profiabteilung ausgegliedert haben. Johannes Kopp | |
| 12 Oct 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| André Zuschlag | |
| Johannes Kopp | |
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