# taz.de -- Drogenhandel zwischen Mexiko und USA: Das Geschäft läuft | |
> In Ciudad Juárez rekrutieren Kartelle Minderjährige, um Drogen in die USA | |
> zu schleusen. Jenen ist das Risiko oft nicht bewusst. | |
Bild: Von mexikanischer Seite gibt es keine Migrationskontrollen: Der Grenzabsc… | |
CIUDAD JUÁREZ taz | Die Häuser werden ärmlicher, die Geschäfte kleiner, im | |
Nordwesten der Stadt. Secondhandkleidung hängt zum Verkauf an den | |
Hauswänden, Wohlstandsmüll aus den USA wird für ein paar Pesos auf dem | |
Bürgersteig feilgeboten. Die Hauptverkehrsstraße Municipio Libre verwandelt | |
sich in eine Serpentinenstrecke, die in die Sierra de Juárez hinaufführt. | |
In die Berge ist ein Schriftzug gemalt, von überall sichtbar: „Lies die | |
Bibel, Juárez, sie sagt die Wahrheit“. | |
Chuy* kickt geschickt einen Fußball über das staubige Feld, das den Kids | |
der Nachbarschaft als Sportplatz dient. Der große schlanke Junge erntet | |
anerkennende Blicke von seinen jugendlichen Mitspielern, die in den letzten | |
Strahlen der Abendsonne versammelt sind. Chuy ist ein Vorbild, ein Macher, | |
einer, der Geld hat, wie man an seinen Markenklamotten sieht. Mit seinen 15 | |
Jahren verdient er mehr als die meisten Erwachsenen hier im Viertel, die | |
sich für 30 Dollar die Woche in einer der hochtechnologisierten | |
Montagefabriken der Stadt zu Tode schuften. Bei internationalen Firmen wie | |
Lear, Eaton oder Bosch. | |
Chuy macht an einem Tag 450 Dollar. Seine Auftraggeber? Die Frage | |
ignorierend, kratzt er sich verlegen im kunstvoll ausrasierten Nacken. Es | |
gibt Dinge in Ciudad Juárez, über die redet man nicht, trotzdem weiß jeder | |
Bescheid. | |
## Neue Territorien | |
Die Stadt an der Grenze zur USA, Einfallstor zum US-Drogenmarkt, ist seit | |
dem sogenannten Drogenkrieg zwischen Juárez- und Sinaloa-Kartell | |
aufgeteilt. Die Industriemetropole versank in den Jahren zwischen 2008 und | |
2012 im Krieg, als Bundespolizei und Militär sie besetzt hielten; | |
mindestens 14.000 Menschen starben, bis die Schlachten um den wichtigsten | |
Grenzübergang auf der Mitte des Kontinent entschieden waren und Joaquín | |
„El Chapo“ Guzmán mit seinem Kartell die traditionell gewachsenen | |
Strukturen aufgebrochen hatte. | |
Seitdem gibt es zwei Herrscher in der Stadt, zwei Kartelle mit Verbindungen | |
in Politik, Wirtschaft und Polizei und mit einer gewaltbereiten Basis in | |
den von ihnen beherrschten Stadtteilen. Hier, im Nordwesten der Stadt, wo | |
Chuy mit den Nachbarjungs kickt, hat das alteingesessene Juárez-Kartell | |
das Monopol für den irregulären Grenzübertritt inne. Eine willkommene | |
Diversifizierung ihrer Einnahmen, mehr noch, seit sie Territorien an das | |
Sinaloa-Kartell abtreten mussten. | |
Viele Arbeitskräfte des Kartells sind Jugendliche, Jungs wie Chuy: | |
athletisch, selbstbewusst, unter 18 – und damit nicht voll strafmündig. | |
„Die Schule war nichts für mich“, versucht er eine Rechtfertigung. „Da | |
sitzt du dumm herum, und wofür das Ganze? Einen guten Job bekommst du damit | |
auch nicht.“ Mit 11 ist er aus der Schule raus, wie so viele der | |
Nachbarskinder. Ist einfach nicht mehr hingegangen, während seine Mutter | |
auf der Morgenschicht war. | |
## 900 Jugendliche im Einsatz | |
„Fast wirkt es, als wären sie alle aus einem Guss.“ Fernando Loera, der am | |
Rande des Fußballfelds an einer Mauer lehnt, schüttelt lächelnd den Kopf im | |
Gedanken an seine Schützlinge. Als junger Direktor der Herberge México mi | |
Hogar des städtischen Wohlfahrtsamtes (DIF) nahm er Jugendliche aus Stadt | |
und Bundesstaat jahrelang nach Abschiebungen in Empfang. Mehrheitlich sind | |
es Jungen, aber manchmal befinden sich auch Mädchen darunter. | |
Nach Zahlen des städtischen Wohlfahrtamtes sollen in Ciudad Juárez fast | |
900 Jugendliche in den lokalen Grenzschmuggel involviert sein. Im | |
Nordwesten der Stadt bringen sie für die Kartelle Migranten, im Süden | |
Kokain und Marihuana über die Grenze. Ein zunehmendes Phänomen in allen | |
Grenzstädten zwischen Mexiko und den USA: Die Schleuserarbeit an der viel | |
diskutierten Mauer wird vermehrt von Minderjährigen verrichtet. | |
Heute fährt Fernando Loera mit dem Auto durch Anapra, Felipe Ángeles und | |
andere staubige Viertel entlang der Grenze zu den Vereinigten Staaten, hin | |
zu den Ausläufern von Juárez’ Zwillingsstadt El Paso. Dort, wo die | |
„Agenten sozialer Mobilität“ leben, wie er sie politisch korrekt nennt. | |
Vorbei sind die Zeiten, in denen die Stadtregierung versucht hat, mehrfach | |
abgeschobene Jugendliche ohne Gerichtsverfahren im Jugendgefängnis „zu | |
verwahren“. Doch die Stigmatisierung bleibt bestehen. | |
## Keine Schule, keine Arbeit | |
„Vielen gemein ist der familiäre Hintergrund: Sie sind die ältesten Kinder | |
von alleinerziehenden Müttern, die in der Maquila-Industrie an der Grenze | |
arbeiten.“ In den etwa 300 Montagebetrieben der Boomtown wird alles | |
gefertigt, was der Weltmarkt braucht: von Autositzen über Smartphones bis | |
Glasfaserkabeln. Mit Trailern werden Materialien und Fertigprodukte über | |
die Grenzbrücken gefahren und im Stundentakt in die US-amerikanische | |
Infrastruktur zur Verschickung in alle Himmelsrichtungen eingespeist. | |
Kartellangehörige suchen ganz gezielt das Profil dieser Jugendlichen, die | |
im Alltag weitgehend auf sich allein gestellt sind und deren Familien mit | |
nur einem unterbezahlten Fabriklohn am Existenzminimum leben. Sie gehen | |
nicht mehr zur Schule, finden aber auch keine Arbeit. In Stadtteilen, wo es | |
noch nicht mal einen Park, geschweige denn eine Zukunft gibt. Doch dann | |
lockt das große Geld, und Jugendliche wie Chuy bringen dafür Migranten aus | |
Mexiko und Mittelamerika, manchmal auch südamerikanischen und afrikanischen | |
Staaten ins gelobte Land, in die USA. | |
Viele dieser Migranten sind ebenfalls Kinder und Jugendliche aus Vierteln, | |
die in vielen Aspekten denen von Ciudad Juárez gleichen, einfach nur ein | |
paar Tausend Kilometer weiter südlich, in Chiapas, Guatemala oder | |
Honduras. Manchmal kommen die Minderjährigen in Begleitung ihrer Eltern, | |
manchmal erwarten diese ihre Kinder schon sehnsüchtig jenseits der Grenze, | |
wo sie sich ohne Papiere und durch harte Arbeit eine Existenz geschaffen | |
haben. | |
## Früher haben sie dort gespielt | |
Chuy kennt die hügelige, mit Grasbüscheln und Dornensträuchern bewachsene | |
Wüstenlandschaft von klein auf. „Früher haben wir hier Verstecken | |
gespielt“, erinnert sich der 15-Jährige. Die militarisierteste Grenze der | |
Welt ist für ihn eine Linie, die er ständig überquert – und für andere | |
überquerbar macht. Er ist sich bewusst, dass er US-Gesetze bricht. „Ich | |
helfe Menschen, ihre Träume zu erfüllen“, sagt er ein wenig pathetisch und | |
spuckt lässig auf den Boden. „Die Kinder, die ich über die Grenze bringe, | |
können endlich wieder bei ihren Eltern leben.“ | |
Behende verlässt er die staubige Straße, um einen steilen Trampelpfad zu | |
nehmen, zwischen alten Autoreifen, unverputzten Häusern und notdürftig | |
zusammengezimmerten Hütten. Hinter aus Drahtgerüst alter Matratzen | |
gefertigten Gartenzäunen bellen ihn Hunde an. Von hier aus wirken die | |
Fahrzeuge auf der Hauptverkehrsstraße im Tal wie Spielzeugautos. Sie ist | |
tief eingefasst wie ein Kanal, und in der kurzen Regenzeit im September | |
dient sie auch als solcher. Dann schießt hier das Wasser herunter, und nur | |
röhrende Busse, deren Inneres mit Troddeln und Schriftzügen verziert sind, | |
trauen sich noch durch die Fluten. | |
Chuy bringt der plötzliche Anstieg nicht außer Atem. Er ist gut trainiert. | |
„Das muss ich auch sein“, sagt er. Denn seine Arbeit im Gelände ist | |
vielfältig und adrenalingeladen. Entweder wird er als halcón, als Falke, | |
eingesetzt, der die Wagen der US-Border Patrol ausspäht, oder als coyote, | |
der Migranten ohne Papiere sicher über die Grenze bringt, oder als liebre, | |
als Hase, der Haken schlägt und die Grenzschutzbeamte ablenkt, während | |
anderswo eine Gruppe Richtung Highway läuft. | |
Eine Festnahme durch die US-amerikanische Grenzschutzpolizei ist | |
einkalkuliert, die Konsequenzen sind überschaubar: eine Abschiebung | |
innerhalb von 48 Stunden und eine Rückführung zur Familie durch das | |
mexikanische Konsulat in Zusammenarbeit mit der städtischen | |
Wohlfahrtsbehörde. Auch wenn die US-Behörden die Strukturen des | |
klandestinen Grenzübertritts im Blick haben, gibt es für Jugendliche wie | |
Chuy keine rechtlichen Folgen seitens der Vereinigten Staaten. Das macht | |
den Einsatz von Minderjährigen für mexikanische Kartelle so attraktiv. | |
## Prompte Abschiebung | |
„Wenn es gut läuft“, erzählt Chuy, „bringe ich im Morgengrauen eine Gru… | |
Migranten in die USA, werde vielleicht festgenommen, bin aber nachmittags | |
schon wieder zurück in Mexiko.“ Dennoch würde er am liebsten Polizist | |
werden. „Aber dann würde ich die Leute anders behandeln! Die Border Patrol | |
schubst und schreit uns an bei der Festnahme. Wenn sie dann sehen, wie alt | |
ich bin, beruhigen sie sich sofort. In den Arrestzellen ist es eiskalt, man | |
schläft auf Betonblöcken. Wenn sie Lust haben, geben sie Rettungsdecken | |
aus. Aber ich bin da ja nicht lange drin.“ | |
Zu Hause erwartet ihn seine Mutter, früher mit Tränen und einer | |
verzweifelten Standpauke, heute mit einem warmen Essen. „Erst war ich sehr | |
erschrocken, als mein Sohn eines Abends nicht nach Hause kam“, erinnert sie | |
sich. Die 30-Jährige trägt einen modischen Pony. Wenn sie lächelt, blitzen | |
ihre silbernen Zahnkronen auf. Sie hat Chuy zur Welt gebracht, als sie so | |
alt war, wie er jetzt ist. Die harte Fabrikarbeit und die ständige | |
Existenzsorge für ihre drei Kinder lassen sie älter wirken. | |
Mittlerweile hat sich seine Mutter an den Gedanken gewöhnt, dass Chuy für | |
„die Listigen“, für „die Mafia“, arbeitet. Auch wenn sie Angst um ihn … | |
sein Beitrag zum prekären Familieneinkommen ist kaum noch wegzudenken. | |
„Den neuen Kühlschrank hat mein Sohn gekauft“, sagt sie stolz und zeigt auf | |
ein silbernes Raumschiff, das in der Ecke am Fenster steht. Von der | |
Wohnküche der Familie aus kann man über die umliegenden Hügel blicken. Am | |
Himmel zeichnet sich ein spektakulärer Sonnenuntergang ab, während schon | |
die ersten Sterne zu sehen sind. Auf US-amerikanischer Seite sind die | |
schroffen Hänge unbewohnt, erst weiter im Osten beginnt der Campus der | |
Technischen Universität von El Paso. Kinder ohne Zukunft können von Mexiko | |
aus auf eine der renommiertesten Ingenieursschulen der USA blicken. | |
## Visa sind Glückssache | |
Lediglich die Kinder der Techniker, Fachkräfte und Manager aus dem Mittel- | |
und Oberbau der Maquilas werden am nächsten Morgen über eine der | |
Grenzbrücken in die Schulen von El Paso strömen. Die Unterschicht in | |
Ciudad Juárez, einer der einkommensstärksten Städte Mexikos, wo die soziale | |
Schere extrem auseinander klafft, besitzt meist kein Visum für | |
Shopping-Ausflüge, Verwandtenbesuche oder eine bilinguale Bildung. | |
Wer in den Genuss eines solchen kommt, scheint Glückssache zu sein; das | |
US-amerikanische Konsulat in Ciudad Juárez, eines der größten der Welt, | |
lässt sich nicht in die Karten gucken. Sozial- und Bildungsprogramme | |
fehlen, und dies wird sich so lange nicht ändern, wie die Nachfrage nach | |
einem billigen Arbeitsheer für den globalen Markt bestehen bleibt. Der Gang | |
in die Kartelle bleibt vielfach die einzige lukrative Chance. | |
„Den Behörden fehlt das Interesse, die Einbeziehung von Jugendlichen in das | |
organisierte Verbrechen anzugehen“, bemängelt Blanca Navarrete, Direktorin | |
der NGO Menschenrechte in Aktion. Werden die Jugendlichen volljährig, | |
übernehmen sie oft andere, gewalttätige Aufgaben innerhalb der Kartelle. | |
Navarretes Organisation leistet Präventionsarbeit bei Familien im Schatten | |
des Drogenhandels sowie Sensibilisierungsarbeit bei staatlichen Stellen. | |
So läuft die junge Frau mit langen glatten Haaren und blau glänzender | |
Bomberjacke an diesem Morgen die Stufen zum Stadthaus hinauf. Eine | |
Versammlung mit dem Verantwortlichen für Menschenrechtsfragen erwartet sie. | |
Es geht darum, welche Geldmittel die Stadt zur Verfügung hat, um den nicht | |
abreißenden Strom der aus Texas Abgeschobenen in Empfang zu nehmen. Wurden | |
vormals rund 40 in verschiedenen US-Bundesstaaten festgenommene Personen am | |
Tag über El Paso nach Ciudad Juárez abgeschoben, haben sich die Zahlen seit | |
Anfang des Jahres verdoppelt. Der kastenförmige Verwaltungsbau liegt | |
direkt am Río Bravo, der seit der Grenzziehung infolge des | |
amerikanisch-mexikanischen Krieges 1848 aus dem historischen El Paso del | |
Norte zwei Städte in zwei Ländern machte. Eine lukrative Einnahmequelle | |
entstand: der Grenzschmuggel. Zunächst der Schmuggel von Alkohol und Tabak; | |
heute sind es härtere Drogen – und Menschen. | |
„Frustrierend für städtische Angestellte ist, dass sie keine Möglichkeit | |
haben, die beteiligten Minderjährigen der organisierten Kriminalität zu | |
entreißen“, sagt Navarrete. Mit berechtigter Furcht können sie noch nicht | |
einmal Informationen an die lokale Polizei weitergeben, die über die | |
Unterorganisation La Línea eng mit dem Juárez-Kartell verknüpft ist. „Die | |
Jugendlichen ihrerseits blenden das Risiko oft aus, was es bedeutet, für | |
die Kartelle zu arbeiten.“ | |
Im Jahr 2015 berichtete die Washington Post über den Fall eines | |
Jugendlichen, dessen Auftraggeber zwei seiner Familienangehörigen | |
umbrachten. Er war von US-Behörden festgehalten worden, um Informationen | |
über seine Hintermänner zu erhalten. Ein humanitäres Visum für die USA | |
bekam er nicht. Nach seiner Abschiebung war er gezwungen unterzutauchen. | |
„Die zunehmende Militarisierung der Grenze stellt Minderjährige ins | |
Fadenkreuz“, meint Navarrete. | |
Nach dem Treffen im Stadthaus zieht sie zur Grenzbrücke Santa Fe, wo auf | |
kleinstem Raum abgeschobene Menschen aus ganz Mexiko in Empfang genommen | |
werden. Der Strom von Menschen und Autos, der über die Juárezallee nach El | |
Paso fließt, nimmt um diese Uhrzeit zu. Von oben sieht man zu dem in einem | |
Betonkanal eingefassten spärlichen Rinnsal des Río Bravo hinunter. Auf | |
mexikanischer Seite sind großflächige bunte Graffiti gesprüht. Künstlerisch | |
anspruchsvoll und mit einer einzigen Aussage: Die unmenschliche Grenze soll | |
weg. | |
Autoschlangen schieben sich an Straßenhändlern vorbei, Fußgänger eilen die | |
Brücke hinauf in der Hoffnung, nicht allzu lange an den Kontrollposten | |
Richtung USA anstehen zu müssen. Die Fahnen der beiden Länder wehen im | |
warmen Wind, die Wüstensonne brennt auch um diese Zeit schon unerbittlich | |
auf den Asphalt. Während sich Blanca Navarrete um abgeschobene Migranten | |
kümmert, sorgt sich Humberto García* um diejenigen, die jetzt auf dem Weg | |
in den Norden sind. | |
## „Zum Tanken“ nach El Paso | |
Er lehnt an einem der Fahnenmaste auf dem höchsten Punkt der Brücke und | |
wischt sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Das Treiben auf der | |
Brücke kennt er genau. Für jeden einzelnen Beamten der Homeland Security | |
hat er einen Spitznamen, weiß Dienstbeginn und Dienstschluss, und wie | |
scharf er oder sie Migranten aufspürt. García hat jahrelang als Schleuser | |
gearbeitet. Leute mit falschen Identitäten, aber echten „entliehenen“ | |
lokalen Visa über diese Brücke gefahren. Zumeist morgens „zum Einkaufen in | |
El Paso“ oder abends „zum Tanken“, so wie es Tausende von Grenzbewohnern | |
täglich auf legalem Wege tun. Wer einen festen Job oder ein Geschäft in | |
Juárez oder Familienangehörige hat, die in El Paso wohnen, hat die größten | |
Chancen auf ein lokales Visum des US-Konsulats. | |
Nur einmal in all den Jahren wurde er festgenommen, konnte sich aber als | |
einfacher Migrant ausgeben und erhielt lediglich fünf Jahre Einreiseverbot | |
in die USA. Später begann er die Überfahrten selbst zu organisieren und | |
logistisch im Hintergrund zu arbeiten. Im Gegensatz zu seinen | |
minderjährigen Kollegen im Nordwesten der Stadt, die mit Migranten durch | |
Zäune schlüpfen, Hügel hinaufklettern und Abhänge hinunterschlittern, | |
bringt ihm die Vermittlung einer schnellen Fahrt über die Grenzbrücke mit | |
einem erfahrenen Chauffeur und ein paar angespannten Mitreisenden ein | |
paar Tausend Dollar ein. Ein lukratives Geschäft mit Zukunftsaussichten. | |
„Wenn Trump seine Mauer baut, wird Migration noch teurer werden“, | |
bekräftigt der Mann mit kurz geschorenen grauen Haaren. „Aber niemand wird | |
es je schaffen, sie zu stoppen. Das Geschäft läuft so lange, solange es | |
Grenzen gibt.“ Ob das Eintreffen der Nationalgarde im Frühling die Arbeit | |
für Schleuser in Ciudad Juárez erschwert habe? Da lacht Señor García nur | |
spöttisch auf. Das sei doch keine Spezialeinheit; noch nicht einmal für | |
einen Krieg einsatzbereit! „Die Nationalgarde ist für die Katastrophenhilfe | |
ausgebildet. Sie kennt weder das Gebiet noch die Dynamiken am Grenzzaun.“ | |
Humberto García schlendert gemächlich zurück nach Ciudad Juárez. Auf | |
mexikanischer Seite gibt es keine Migrationskontrollen, noch nicht einmal | |
die Zollbeamten machen sich die Mühe, jemanden anzuhalten. | |
*Namen von der Redaktion geändert | |
26 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Kathrin Zeiske | |
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