Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Drogen auf schädliche Substanzen testen: Rausch im Verzug
> Drug-Checking ist ein erklärtes Vorhaben des Landes Berlin. Träger und
> Labor stehen schon bereit. Doch das Projekt steckt fest.
Bild: Da könnte bald Illegales in der Pipette landen
Berlin taz | Drogenkonsum soll sicherer werden – das wollte zumindest der
Senat mal ermöglichen. 2016 im Koalitionsvertrag festgeschrieben, sah es
eine Zeit lang so aus, als könnte das in Berlin Realität werden. Jede*r
hätte damit Drogen auf eventuell gefährliche Streckmittel und Reinheit
testen können: anonym, bevor man sie schluckt, schnupft oder raucht. Damit
wäre innerhalb der Bundesrepublik erstmals möglich und legal, was in der
Schweiz und in Österreich seit den Neunzigern gängig ist: Drug-Checking.
Im Oktober 2018 ging es los, 2019 beschied ein rechtliches Gutachten: Das
Konzept zum Drug-Checking sei legal, Mitarbeiter*innen und
Kund*innen des Drug-Checking würden sich nicht strafbar machen. Damit war
das größte Hindernis aus dem Weg geschafft. Der Medienrummel war groß, auch
die [1][taz berichtete]. Als Start für das Projekt hatte der Senat Ende
2019 im Auge. Seitdem ist es still darum geworden. Warum?
Zunächst kam eine Pandemie dazwischen – diesen Grund gab die
Senatsverwaltung für Gesundheit in der Antwort auf eine Kleine Anfrage
bereits im Januar an. Dazu käme eine „schwierige rechtliche Situation und
die Problematik, ein geeignetes Labor zu finden“. Das Labor steht
allerdings seit Januar fest, die Proben der Drogen sollen im Landesinstitut
für gerichtliche und soziale Medizin (GerMed) analysiert werden.
Es fehlen jetzt nur noch die zwei Personalstellen, die sich im Labor um die
Analysen kümmern sollen. Die müssten geschaffen und ausgeschrieben werden.
Das ist der letzte Schritt. Dann könnte es losgehen.
## Sogar die Analyseapparaturen sind schon da
Denn abgesehen davon ist alles vorbereitet: Die drei Träger, bei denen
Drogenkonsument*innen im Rahmen eines Beratungsgesprächs ihre
Drogenproben abgeben, stehen seit zwei Jahren fest; es sind die Drogenhilfe
Fixpunkt, die Suchtberatung Vista und die Schwulenberatung. Alle drei haben
Erfahrung mit Drogenberatung und Hygienekonzepte, um das auch während der
Pandemie zu tun.
Es gibt eine Kooperationsvereinbarung, die die Zusammenarbeit zwischen
Staatsanwaltschaft, Polizei und Gesundheitsverwaltung regelt, damit etwa
die Polizei nicht vor den Abgabestellen kontrolliert, weil sie weiß, dass
dort Menschen im Besitz illegaler Betäubungsmittel hineingehen. Sogar die
Apparaturen, die für die Analyse der Drogenproben im Labor nötig sind, sind
schon da. Es hapert also allein an der Besetzung der zwei Stellen.
Die Verantwortung dafür schieben sich Politik und Verwaltung gegenseitig
zu. Niklas Schrader, Mitglied im Abgeordnetenhaus und drogenpolitischer
Sprecher der Linken, sieht die Gesundheitsverwaltung in der Pflicht. „Das
Abgeordnetenhaus hat das Geld bereitgestellt, das können sie verwenden. Es
braucht nicht einen neuen Haushalt, um diese zwei Stellen zu schaffen“,
sagt er.
Je 200.000 Euro waren 2020 und 2021 für das Projekt im Haushalt eingeplant.
Im vergangenen Jahr etwa wurden nur rund 107.000 Euro ausgegeben. In diesem
Jahr dürfte es kaum mehr sein.
## Kein Beschluss mehr vor der Wahl
Bei der Senatsverwaltung für Gesundheit heißt es: auch wenn das Geld da
ist, müssten erst Stellenbesetzungsverfahren durchgeführt werden. Das werde
sich in den nächsten Doppelhaushalt ziehen: „Zur entsprechenden
Dienstkräfteanmeldung für den Haushalt 2022/23 wird es voraussichtlich
keine Beschlussfassung des Abgeordnetenhauses vor der Wahl im September
mehr geben“, heißt es in einer Kleinen Anfrage.
Schrader widerspricht: Dieser Beschluss sei nur nötig, um die Stellen zu
verlängern oder dauerhaft zu besetzen, nicht um sie zu starten. Aber so wie
es die Gesundheitsverwaltung sieht, geschehen die entscheidenden
Stellenbesetzungen erst in der nächsten Legislaturperiode.
Für Drug-Checking-Verfechter wie Schrader drängt daher die Zeit. Denn es
besteht das Risiko, dass eine neue Regierungskoalition das
Drug-Checking-Vorhaben nicht weiterverfolgt. Rot-Rot-Grün seien sich vor
fünf Jahren sehr einig gewesen, sagt Schrader. „Ich habe nun den Eindruck,
dass die das in der Gesundheitsverwaltung nicht so wichtig finden.“
Die Verwaltung widerspricht dem: „Das Projekt Drug-Checking ist fachlich
dringend geboten, es sollte aufrechterhalten werden“, schreibt eine
Sprecherin. Dafür verantwortlich macht sie dann wiederum die Politik: „Es
muss der politische Wille bestehen, das Projekt aufrechtzuerhalten.“
## „Viele akzeptieren Verunreinigung“
Denn dass sich am Bedarf nach Drug-Checking nichts geändert hat, sehen
sowohl Politik als auch Verwaltung. Die Zielgruppe des Drug-Checking –
überwiegend Konsument*innen von Partydrogen – hat auch bei
geschlossenen Clubs weiter konsumiert, ganz zu schweigen davon, dass das
Partyleben aktuell wieder losgeht.
In der Szene begrüßt man das Projekt: „Viele Leute wollen starke Drogen und
akzeptieren Verunreinigung wenn es ‚richtig klatscht‘. Drug-Checking kann
da definitiv vor gefährlichen Inhaltsstoffen schützen“, sagt etwa ein
27-Jähriger, der regelmäßig ausgeht und anonym bleiben möchte.
Allein vor hochdosierten oder verunreinigten Ecstasy-Pillen gibt es immer
noch Warnungen, etwa auf der [2][Website der Schweizerischen Fachstelle
Sucht]. Solche Seiten basieren auf Drug-Checking-Ergebnissen aus Ländern,
in denen das schon praktiziert wird, wie Tschechien, Österreich, Schweiz,
Niederlande.
Daten aus einem Berliner Drug-Checking könnten für ähnliche Warnregister
genutzt werden, die womöglich präziser, da lokaler wären. Langfristig
könnten sie für systematische Erhebungen zu illegalen Betäubungsmitteln
genutzt werden. Und damit letztlich den Konsum für alle
Drogennutzer*innen in Berlin sicherer machen.
21 Jul 2021
## LINKS
[1] /Drug-Checking-in-Berlin/!5602433
[2] https://www.saferparty.ch/231.html
## AUTOREN
Cristina Plett
## TAGS
Drogen
Ecstasy
Drogenpolitik
Clubszene
Schwerpunkt Stadtland
Drogenhilfe
Drogenkonsum
Drogen
Drogen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Obdachlosigkeit in Berlin: Es ist kalt am Stutti
Am Stuttgarter Platz in Berlin-Charlottenburg dringt das Elend in die
bürgerliche Komfortzone der Stadt. Der Politik wird Nichtstun vorgeworfen.
Substitutionsambulanz vor dem Aus: Drogenhilfe sucht neuen Vermieter
Die Substitutionsambulanz in Kreuzberg verliert ihre Räume – und ruft mit
einer Kundgebung um Hilfe. Ein erstes Angebot gibt es wohl bereits.
Todesfall nach Club-Besuch in Berlin: „Stop taking G!“
Eine Frau stirbt nach einem Club-Besuch, GHB soll im Spiel gewesen sein.
Eine Droge, die schon länger ein Problem in der Berliner Partyszene ist.
Berlin bekommt Drogen-Check-Stelle: Das ist mehr als überfällig
Illegale Drogen können bei einer offiziellen Drogen-Check-Stelle überprüft
werden – die Konsumenten bleiben anonym. Ein Wochenkommentar.
„Drug-Checking“ in Berlin: Drogen im Club? Check!
Berlin soll eine offizielle Drogen-Check-Stelle erhalten. Illegale Drogen
können dort überprüft werden, die Konsumenten bleiben anonym.
Zu Besuch im Drogenlabor: Koffein, Kokain oder Backpulver?
Wer Drogen konsumiert, kauft sie auf dem Schwarzmarkt ohne
Qualitätskontrolle. Bis jetzt. Denn Berlin soll bald ein
Drug-Checking-Projekt bekommen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.