# taz.de -- Diskriminierung von Romnja in Rumänien: Auf der Müllhalde im Stic… | |
> Cluj Napoca hat sich dank EU-Investitionen zu einem wichtigen | |
> Wirtschaftsstandort entwickelt. Doch die Romnja leben noch immer in | |
> extremer Armut. | |
CLUJ NAPOCA taz | Als Alexandru Fechete aus dem Auto steigt, liegt ein | |
beißender Geruch in der Luft. Es ist der Geruch der Abfallhaufen vor den | |
Hütten Pata Râts. Der Romnja Aktivist begrüßt einen Bewohner der Siedlung. | |
Diese liegt neben einer ehemaligen Mülldeponie in der Metropolregion von | |
Cluj Napoca, der zweitgrößten Stadt Rumäniens. Unzählige Fliegen schwirren | |
herum, auf dem Boden liegen Straßenhunde. Kinder kommen aus der Siedlung | |
gelaufen und rufen Fechetes Spitznamen: „Hi, Pepe!“ Ein Junge trägt eine | |
abgemagerte Katze auf dem Arm, ein kleines Mädchen lächelt und streckt die | |
Hände aus, als wolle sie umarmt werden. | |
Die Kinder wachsen hier in extremer Armut auf. „Viele Menschen aus der | |
Cantonului-Community von Pata Rât enden im Drogengeschäft, Mädchen oft als | |
Prostituierte“, sagt Fechete. Die Cantonului-Community ist eine der vier | |
Siedlungen von Pata Rât. Fechete setzt sich dafür ein, die | |
Bewohner:innen aus dem Slum zu holen. | |
Etwa 9 Kilometer Wegstrecke entfernt säumen historische Gebäude die | |
kopfsteingepflasterten Straßen des Zentrums von [1][Cluj Napoca]. Zwischen | |
Shopping Malls und gepflegten Parks stechen immer wieder moderne Häuser mit | |
Glasfassade hervor. Die Stadt floriert, was sie vor allem der EU zu | |
verdanken hat. Doch die Romnja bekommen von diesem Wachstum wenig zu | |
spüren. | |
In der Stadt haben sich viele ausländische Tech-Firmen angesiedelt, | |
darunter auch deutsche. Mittlerweile gilt Cluj als „Silicon Valley | |
Rumäniens“. Alljährlich kommen Unternehmer:innen aus der | |
internationalen Techbranche auf der [2][Techsylvania Konferenz] zusammen, | |
um sich über die neuesten Trends auszutauschen. Zu den Speaker:innen | |
zählen Vertreter:innen von Google, Meta und Pay Pal. Ein großes Plakat | |
in der Innenstadt wirbt für die Konferenz mit dem Slogan „You are on your | |
way to where the future begins“. | |
Seit Rumänien 2007 der EU beigetreten ist, hat die EU 420 Millionen Euro in | |
über 100 städtische Entwicklungsprojekte in Cluj investiert, schreibt das | |
Rathaus. Das Motto der Stadt lautet „Green, digital, resilient“, und Cluj | |
macht diesem Slogan alle Ehre: Frisch gepinselte Fahrradwege führen unter | |
dichten Baumalleen über die Straßen, in den Bussen scannt man seine | |
Kreditkarte, anstatt sich ein Papierticket zu kaufen. | |
Die Entwicklungen lassen sich größtenteils der [3][europäischen | |
Kohäsionspolitik] zuschreiben, die wirtschaftliche und soziale Ungleichheit | |
innerhalb Europas verringern soll. Aus unterschiedlichen Fonds stehen | |
finanzielle Mittel für Projekte zur Verfügung, etwa im Bereich der | |
Infrastruktur oder für Soziales. Die Gelder werden in den weniger | |
entwickelten Mitgliedsstaaten der EU eingesetzt, in denen das | |
Pro-Kopf-Einkommen unter 90 Prozent des EU-Durchschnitts liegt. | |
Die etwa 1.400 Bewohner:innen Pata Râts, hauptsächlich Romnja, | |
profitieren jedoch nicht von dem wirtschaftlichen Aufschwung Cluj Napocas. | |
Sie leben segregiert am Rand der Stadt in einem Slum, der noch 2020 von | |
Wissenschaftler:innen als das größte „Müllghetto“ Europas bezeichnet | |
wurde. 2017 verklagte die EU Rumänien, weil das Land 68 illegale | |
Mülldeponien bis dato nicht geschlossen hatte. Eine davon war Pata Rât. | |
Hier hatten sich in den vergangenen 70 Jahren Tonnen von unbehandeltem Müll | |
aufgetürmt wie ein Gebirge. Giftige Stoffe sickerten in den Boden, | |
verseuchten die ganze Gegend. Auf Drängen der EU begannen die Behörden in | |
Cluj 2015, die Deponie mit Erde zuzuschütten. Dass der Müll ordnungsgemäß | |
abgedeckt wurde, um das Grundwasser zu schützen, ist höchst fraglich. Schon | |
lange haben die Abfälle die Umgebung unkontrolliert kontaminiert. | |
Seit der Schließung der alten Deponie wachsen in Pata Rât zwei neue | |
„Zwischenlager“: Müll soll von dort aus in ein nahe gelegenes | |
Abfallwirtschaftszentrum gebracht werden. Die Berge seien nichts gegen die | |
ehemalige Mülldeponie, erzählt Alexandru Fechete. Doch selbst aus weiter | |
Entfernung sieht man sie in den Himmel ragen, ein vorbeifahrender Lkw wirkt | |
winzig dagegen. Am Fuße der Müllberge stehen ein paar schäbige Hütten. | |
Darin leben die ärmsten Bewohner:innen der vier Teilsiedlungen, aus | |
denen Pata Rât besteht. | |
Die Baracken haben sie sich selbst gebaut, ihren Lebensunterhalt verdienen | |
sie mit dem Sammeln von recyclebarem Abfall. Auch die Dallas-Community | |
nebenan lebt von dem See aus Müll, der die improvisierten Verschläge | |
umgibt. Die Bewohner:innen dieser Gemeinschaft kamen in den 60er Jahren | |
in die Gegend, die Armut hatte sie hierhin getrieben. In Rumänien verdienen | |
sich Tausende Müllsammler:innen auf Deponien ihr Geld. Sie sichern sich | |
so ihre Existenz, ohne betteln gehen zu müssen. Viele von ihnen sind | |
Romnja. | |
Die anderen beiden Communitys von Pata Rât wurden Opfer von | |
Zwangsumsiedlungen in den 90er Jahren und im Dezember 2010, als Cluj Napoca | |
350 Romnja aus der Innenstadt vertrieb. Cluj hatte in den Jahren zuvor | |
einen regelrechten Immobilienboom erlebt. Für die Romnja war von da an kein | |
Platz mehr. Sie hatten über Generationen hinweg in der Coastei-Straße in | |
Cluj gewohnt. Doch ihre Häuser gehörten der Stadt, und die nahm sich an | |
einem kalten Dezembertag das Recht, die Bewohner:innen zu vertreiben. | |
Zwangsräumungen waren lange Zeit ein weit verbreitetes Phänomen in | |
Rumänien. Nach dem [4][Fall des Kommunismus 1989] wollten die | |
Besitzer:innen von verstaatlichten Immobilien ihre Häuser zurückhaben. | |
Romnja hatten nie Häuser besessen, weil sie in Rumänien zwischen dem 14. | |
und 19. Jahrhundert versklavt wurden und auch danach keinen Anspruch auf | |
Land hatten. Deshalb waren sie von den Zwangsräumungen nach Ende des | |
Kommunismus unverhältnismäßig stark betroffen. Obdachlosigkeit und Armut | |
trieben die Romnja weiter an den Rande der Gesellschaft. | |
In Zentral- und Osteuropa leben sie noch immer oft in Gebieten, in denen es | |
kein sauberes Trinkwasser und keine angemessene Abwasser- und | |
Abfallentsorgung gibt, weil den Romnja der Zugang zu diesen Ressourcen | |
verwehrt oder genommen wird. Es ist eine Form des Umweltrassismus, | |
Zwangsvertreibungen wie jene nach Pata Rât begünstigen diese Form von | |
Benachteiligung am stärksten. | |
Nachdem Cluj die betroffenen Romnja vertrieben hatte, stellte die Stadt der | |
Hälfte der Zwangsumgesiedelten kostenlos Häuser zur Verfügung, sogenannte | |
Fertigmodule. Sie wurden 800 Meter entfernt von der Mülldeponie in Pata Rât | |
aufgebaut. Der Rest blieb obdachlos und musste sich selbst Unterkünfte aus | |
Plastik oder Holz von der Deponie zusammenzimmern. | |
## Zu zwölft auf 16 Quadratmetern | |
Einer dieser Menschen war Alexandru Fechete. Der heute 39-Jährige kam nach | |
seiner Zwangsumsiedlung notdürftig bei Verwandten in Pata Rât unter. Zu | |
zwölft lebten sie monatelang auf 16 Quadratmetern in einem einzigen Raum | |
ohne Bad und Küche. Irgendwann errichtete Fechete eine eigene Unterkunft | |
und arbeitete auf Baustellen und als Mechaniker in Cluj, um sich seinen | |
Unterhalt zu verdienen. Seine Zwangsumsiedlung beschreibt er heute als | |
„Deportation“. „Es war, als wäre meine Seele von meinem Körper getrennt | |
worden“, erinnert sich Fechete. „Ich fühlte mich wie ein leerer Container. | |
Ich war so enttäuscht von der Menschheit.“ | |
Kurz nach der Zwangsumsiedlung wurde er zum Aktivisten und Mitgründer der | |
Community Association of Roma from Coastei, eines Zusammenschlusses von | |
Romnja [5][aus der Coastei-Community] in Pata Rât. Die Siedlung ist nach | |
der Coastei-Straße in Cluj benannt, in der die Romnja vor ihrer Vertreibung | |
gelebt hatten. Den Aktivist:innen gelang es, im Jahr 2014 ein | |
Hilfsprojekt für Pata Rât unter der Leitung der NGO Cluj Metropolitan Area | |
(CMA) anzustoßen. 2017 startete ein zweites Projekt, abgekürzt „Pata 2.0“. | |
Das Geld dafür kommt von den Norway Grants, einem Fonds, mit dem die | |
norwegische Regierung soziale Projekte in Süd- und Osteuropa unterstützt. | |
Das Hauptziel der Pata-Projekte, wie sie umgangssprachlich bezeichnet | |
werden, ist die Umsiedlung der Menschen von Pata Rât in die Stadt. Dafür | |
hat die CMA Wohnungen in Cluj gekauft, in die bis zum vergangenen Mai 158 | |
Menschen umgezogen sind. | |
Auch Fechete schaffte es dank des Hilfsprojekts, nach sieben Jahren von | |
Pata Rât zurück in die Stadt zu ziehen. Seit Langem arbeitet er als | |
Community Facilitator: eine Art Vermittler zwischen den benachteiligten | |
Siedlungen des Slums und Institutionen wie NGOs in Cluj. Dafür besucht der | |
Aktivist Pata Rât regelmäßig, spricht mit den Menschen dort und hört sich | |
deren Bedürfnisse an. Die Bewohner:innen wünschen sich zum Beispiel | |
Sozialwohnungen und ein besseres Abfallmanagement. Die Wünsche trägt | |
Fechete an die Behörden in Cluj weiter. | |
Als Fechete auf die Cantonului-Community zuläuft, hängt eine Frau Wäsche an | |
der Straße auf, an der sich die Hütten der Siedlung reihen. Lkws brausen an | |
ihr vorbei, die Gegend ist ein Industriegebiet und ein Großteil der | |
Siedlung informell, weil in einem solchen Gebiet keine Wohnhäuser gebaut | |
werden dürfen. Den meisten Bewohner:innen fehlen Dokumente für ihre | |
Unterkünfte. Die Hütten haben teilweise keine richtigen Dächer, manche nur | |
einen Vorhang statt einer Tür. In einem Verschlag direkt an der Straße | |
sitzt eine Frau mit einem Baby auf dem Schoß, sie grüßt durch ein Fenster | |
ohne Glas. Davor stapelt sich Plastikmüll auf der bloßen Erde. Ein | |
Hundewelpe tapst durch den Dreck, sein schmutziges Fell glänzt in der | |
stechenden Sonne. | |
Fechete spricht mit ein paar Bewohner:innen. Nach einer Weile fangen sie | |
wild an zu gestikulieren, ihre Stimmen werden lauter. Die Menschen hier, | |
sagt der Aktivist, hätten schlechte Erfahrungen mit Medien gemacht, weil | |
Journalist:innen die Community oft negativ darstellten. | |
Eine Gruppe Kinder folgt Fechete auf Schritt und Tritt durch die Siedlung. | |
„In Pata Rât kennen mich alle“, schmunzelt er. Lange Zeit gingen die Kinder | |
hier nicht regelmäßig zur Schule. Das habe vielschichtige Gründe, erzählt | |
Bogdan Stanciu, der Sprecher der Cluj Metropolitan Area. Es finge schon | |
damit an, dass die Kinder und Jugendlichen keine Unterstützung bekommen | |
hätten, die einen Schulbesuch erleichtern würden. Etwa die Möglichkeit, | |
vorher zu duschen oder etwas zu frühstücken. Dank des Hilfsprojekts Pata | |
2.0 gehen inzwischen die meisten zur Schule. Mitarbeitende des Projektes | |
holen sie mit einem Schulbus ab, denn nur die Cantonului-Community ist mit | |
einer Bushaltestelle an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. | |
Trotzdem hören viele laut Stanciu nach der 8. Klasse auf, wenn die | |
weiterführende Schule beginnt. Hürden seien etwa die Prüfung, die man für | |
den Übertritt auf die weiterführende Schule benötigt, fehlende | |
Unterstützung in der Familie und das Bedürfnis, schnell Geld zu verdienen. | |
Pata 2.0 soll dort ansetzen. Mithilfe von persönlichen Mentor:innen | |
würden die Jugendlichen dazu animiert, weiter zur Schule zu gehen, sagt | |
Bogdan Stanciu. | |
Außerdem hat das Rathaus in Cluj den Schüler:innen aus Pata Rât | |
Rucksäcke und Tablets zur Verfügung gestellt, damit sie auch von zu Hause | |
aus lernen können. Bis vor ein paar Jahren gab es in Pata Rât kein | |
Internet. Während der Pandemie installierte die Cluj Metropolitan Area dann | |
in allen vier Communitys WLAN, das für die Bewohner:innen kostenlos | |
ist. | |
Die Aktion war Teil des [6][„Cluj Future of Work“]-Projekts, das Cluj | |
Napoca von 2019 bis 2021 für die Herausforderungen des zukünftigen | |
Arbeitsmarktes rüsten sollte. Das Projekt verfügte über ein Budget von 5,6 | |
Millionen Euro, das meiste steuerte die EU-Kommission bei. Acht Prozent | |
gingen an die Bewohner:innen von Pata Rât, davon wurden neben dem | |
Internetzugang auch Duschen und Toiletten für die Cantonului-Community und | |
Essenspakete für alle vier Siedlungen des Slums bezahlt. Der Rest floss | |
hauptsächlich in die Forschung und Digitalisierung der Industrie. | |
Zusätzlich hat die EU ein Forschungsprojekt unterstützt, das die | |
Wohnsituation in Pata Rât analysierte und den Bewohner:innen beim | |
Einreichen von Bewerbungen für Sozialwohnungen half. Anfragen nach weiteren | |
EU-finanzierten Projekten ließen die Europäische Kommission und der | |
Bürgermeister von Cluj unbeantwortet. Die europäische Kohäsionspolitik hat | |
ein „sozialeres Europa, das Inklusion unterstützt“, zu einer ihrer | |
Prioritäten gemacht. Für Alexandru Fechete ist das ein leeres Versprechen: | |
„Ich habe das Vertrauen in die Europäische Union verloren. Sie schickt den | |
Romnja Essen, aber sie hilft ihnen nicht, aus dem Ghetto rauszukommen.“ | |
Tatsächlich hat sich die Cluj Metropolitan Area laut Bogdan Stanciu gar | |
nicht um EU-Gelder beworben, weil die norwegischen Mittel für die | |
Hilfsprojekte als Erstes zur Verfügung standen. Doch die Ressourcen der | |
Pata-Projekte sind begrenzt, bei dem Projekt Pata 2.0 arbeiten nur 20 | |
Angestellte. Könnten die Projekte nicht stärker von den finanziellen | |
Mitteln aus dem europäischen Kohäsionsfonds unterstützt werden? | |
Es gibt sogar spezielle Gelder aus den europäischen Fonds, mithilfe derer | |
Mitgliedstaaten die Integration von Romnja vorantreiben können. Sie sind | |
etwa für soziale Inklusion und einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung | |
und Infrastruktur gedacht. Doch die zur Verfügung stehenden Mittel werden | |
von Institutionen vor Ort nicht immer genutzt. | |
Im Jahr 2022 legte die Cluj Metropolitan Area dem Rathaus beispielsweise | |
einen Plan vor, wie die Anbindung Pata Râts an den öffentlichen Nahverkehr | |
verbessert werden könnte. Die Stadt hat 100 Millionen Euro von der EU für | |
den Ausbau des öffentlichen Verkehrs bekommen. Auf Anfrage bezeichnete das | |
Rathaus die Infrastruktur in Pata Rât aber als ausreichend. Allerdings | |
fahren fast alle Bewohner:innen des Slums, die nicht vom Müllsammeln | |
leben, mit dem Bus nach Cluj zur Arbeit. Eine zweite Bushaltestelle wäre | |
hilfreich, sagt Bogdan Stanciu. | |
Trotzdem halten örtliche Institutionen die Verkehrsanbindung Pata Râts | |
nicht für verbesserungswürdig. Auch Ovidiu Marginean von der North-West | |
Regional Development Agency, die EU-Gelder an Entwicklungsprojekte im | |
nordwestlichen Rumänien ausgibt, kommentiert bei einem Treffen in Cluj | |
gegenüber der taz: „Ich weiß nicht, ob öffentliche Verkehrsmittel die | |
Lösung sind. Vielleicht müssen wir eher darin investieren, die Menschen aus | |
Pata Rât zu verstehen – und ihre Art zu leben“. | |
## Romnja werden kaum integriert | |
Romnja werden im weltweiten öffentlichen Diskurs häufig als „die anderen“ | |
dargestellt. [7][Mehmet Daimagüler], der erste Antiziganismus-Beauftragte | |
Deutschlands, sagte letztes Jahr im Interview mit dem Deutschlandfunk: „Man | |
muss Menschen fremd machen, damit man sie als Fremde behandeln und ihnen | |
selbstverständliche Rechte vorenthalten kann.“ Eine Sprecherin von | |
E-Romnja, einer Organisation in Bukarest, die sich speziell für Romnja | |
Frauen und Mädchen einsetzt, ist derselben Meinung. | |
Sie sagt, sie habe eine formelle und eine informelle Antwort auf die Frage, | |
warum in Siedlungen wie Pata Rât nur langsam ein Fortschritt beobachtet | |
werden kann. Die formelle sei, dass Hilfe auf verschiedenen Ebenen | |
stattfinden müsse: auf der politischen, der sozialen und auf der | |
Bildungsebene. Das sei komplex. „Die informelle Antwort ist: Es fehlt das | |
Interesse, Romnja wirklich zu integrieren.“ | |
Im Zentrum Cluj Napocas scheint die Armut aus Pata Rât weit weg. Vor der | |
Cluj Arena, einem Veranstaltungsort für Konzerte und Fußballspiele, der | |
nach Angaben des Rathauses 35 Millionen Euro gekostet hat, wartet Alexandra | |
Columban von der Menschenrechtsorganisation Actedo. Sie schüttelt den Kopf | |
und sagt: „Für rumänische Standards sind wir eine reiche Stadt. Es ist | |
beschämend, dass es Pata Rât gibt.“ | |
Actedo setzt sich für die Rechte von Minderheiten in Rumänien ein, darunter | |
Romnja und Angehörige der LGBTQ+-Community. Romnja sind laut Columban | |
dreimal ärmer als die durchschnittliche rumänische Bevölkerung. Verglichen | |
mit der Anzahl bedürftiger Menschen gebe es in Rumänien jedoch viel zu | |
wenige Sozialwohnungen, 85 Prozent der Immobilien befänden sich | |
mittlerweile wieder in Privatbesitz. „Cluj hätte aber eigentlich die | |
finanziellen Mittel, um mehr Sozialwohnungen zu bauen“, glaubt die | |
Aktivistin. Romnja in marginalisierten Siedlungen wie Pata Rât werden | |
allerdings laut Columban von den örtlichen Behörden ignoriert. Sie hätten | |
nicht denselben Zugang zu Infrastruktur, Bildung und Gesundheitsvorsorge | |
wie andere Bürger:innen. | |
Das Projekt Pata 2.0 setzt sich dafür ein, diesen Status quo zumindest in | |
Pata Rât zu verändern. Offiziell endete das Programm Mitte August. Die Cluj | |
Metropolitan Area hat aber eine Weiterfinanzierung durch die norwegischen | |
Gelder bis April 2024 garantiert bekommen. Bis zum Ende dieses Jahres will | |
auch die Stadtverwaltung etwas beisteuern. Die Bewohner:innen von Pata | |
Rât vertrauen auf die Unterstützung. Ein Mann aus der Coastei-Community hat | |
sich mithilfe der Projekte für eine Sozialwohnung beworben. Er sagt: „Ich | |
hoffe, dass ich Pata Rât nach 13 Jahren bald verlassen kann. Die | |
Pata-Projekte sind meine einzige Chance.“ | |
In der Coastei-Community gibt es Häuser aus Stein. Es sind diejenigen, die | |
die Stadt dort nach den Zwangsumsiedlungen errichtet hat. Doch auch hier | |
leben die Menschen nach wie vor in beengten Wohnverhältnissen unter | |
prekären Bedingungen. Die Siedlung liegt auf einem Hügel, zu den Häusern | |
führt ein staubiger Weg hinauf. Eine Frau putzt einen Teppich vor ihrem | |
Haus. Die Seifenlauge läuft den Weg hinunter. Bald wird sie in die Erde | |
eindringen. Genau wie alle anderen giftigen Substanzen der umliegenden | |
Müllberge es seit Jahrzehnten tun. | |
30 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.google.com/maps/place/Cluj+Napoca/data=!4m2!3m1!1s0x47490c1f916… | |
[2] https://techsylvania.com/ | |
[3] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Europa/eu-kohaesions-und-strukturp… | |
[4] https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/301988/vor-30-jahren-revo… | |
[5] https://www.amnesty.org/en/latest/campaigns/2012/04/roma-community-forcibly… | |
[6] https://www.uia-initiative.eu/en/uia-cities/clujnapoca | |
[7] /Antiziganismusbeauftragter-ueber-sein-Amt/!5840059 | |
## AUTOREN | |
Katarina Machmer | |
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