# taz.de -- Die biologische Uhr: Schnauze, Kaninchen! | |
> Eine 65-jährige Berlinerin ist mit Vierlingen schwanger. Danke, Annegret. | |
> Du bist ein Vorbild für mich. | |
Bild: Gerade noch rechtzeitig. | |
Hören Sie das? Tick tack, tick tack, tick tack, macht es in meinem Kopf. | |
Und zwar ganz schön laut. Nicht andauernd natürlich. Man würde ja verrückt. | |
Aber bevorzugt dann, wenn andere Menschen von ihren Kindern erzählen. | |
Dieses Ticken ist meine biologische Uhr. Und weil sie nur in meiner | |
Fantasie existiert – und dort alles möglich ist – hängt an dieser Uhr das | |
Weiße Kaninchen aus Alice im Wunderland mit dran. Nervös klopft es mit dem | |
Hinterlauf gegen meine Schädelecke und ruft: „Wir haben doch keine Zeit!“ | |
Nicht dass ich so dringend Kinder möchte. All die Verantwortung, das | |
Geschrei, die Schmerzen, das Nie-mehr-Ausgehen. Ich weiß ja nicht. Das | |
Dumme ist nur: Ich bin eben schon so alt. 37 Jahre um genau zu sein, im | |
Sommer werde ich 38. Zwei Jahre noch, dann ist das verantwortungsbewusste | |
Nachwuchs-in-die-Welt-setzen vorbei. Was danach kommt, ist nur noch die | |
Trauer über die verpasste Chance. Sagt zumindest das Kaninchen. | |
Entschuldigung, aber das ist biologische Planwirtschaft! Und im Vergleich | |
zu dem liberalen Markt, auf dem Männer sich fröhlich fortpflanzen, eine | |
echte Sauerei. Die können das Leben so lange allein genießen, wie sie | |
wollen – und auch weit jenseits der 40 noch einen auf Familie machen. | |
So entspannt wäre ich auch gerne. Und finde es ziemlich frech, dass | |
ausgerechnet mein eigener Körper mich der Wahlfreiheit beraubt. Eins, zwei | |
oder drei, letzte Chance – vorbei! Und dann ist da plötzlich die 65-jährige | |
Annegret R. aus Berlin. Schwanger. Mit Vierlingen. Durch künstliche | |
Befruchtung. | |
Vierlinge, gut, dass muss nicht unbedingt sein. Meine Freundin C. bekam | |
kürzlich Zwilinge. Puh. Man möchte nicht tauschen. Aber plötzlich ist sie | |
wieder da. Die Möglichkeit, alles doch so zu machen, wie man das will. Zeit | |
zu haben, den eigenen Rhythmus zu bestimmen. Ich habe eben immer schon für | |
alles länger gebraucht. Langsam merke ich, wie das Ticken in meinem Kopf | |
leiser wird – und das Kaninchen in einem weißen Wölkchen verpufft. Danke, | |
Annegret. Du bist ein Vorbild für mich. | |
15 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
Marlene Halser | |
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