Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Politik des Academy Awards: Interessanter Beigeschmack
> „Parasite“ räumt ab, „Litte Women“ geht fast leer aus: Die
> Oscarverleihung schwankt zwischen resignierter Routine und verhaltenem
> Aufbruch.
Bild: Freudige Reaktionen auf die vielen Preise für „Parasite“ bei den Aca…
„Die Oscars haben sich wirklich verändert in 92 Jahren“, spottet Steve
Martin, „damals gab es keinen einzigen schwarzen Nominierten. Und jetzt
gibt es einen!“ Es ist nicht so, als sei der Academy ihr Problem nicht
bewusst. Nichtweiße Amerikaner*innen standen bei der Verleihung
Sonntagnacht im Dolby Theatre größtenteils als Performer*innen oder
Laudator*innen auf der Bühne, so wie der Darsteller Utkarsh Ambudkar, der
diesen Zustand mit Hilfe des HipHop-Produzenten Questlove in einem
kongenialen Rap verarbeitete.
Der Eindruck, dass weibliche Nominierte in den „großen“ Kategorien wie
„Beste Regie“ rar blieben, wurde durch den hohen Anteil von männlichen
Charakteren auf der Leinwand – bei Kriegs- und Mafiadramen wie „1917“ und
„The Irishman“ erwartbar – noch verstärkt.
An den mehrfach nominierten „Little Women“, Greta Gerwigs braver, immerhin
ausgestellt emanzipatorischer Adaption des Buchklassikers von Louisa May
Alcott, hatten sich viele Hoffnungen geknüpft. Er nahm am Ende nur eine
einzige Trophäe (für das „Beste Kostümdesign“) mit – was trotz der
zweifelsfreien Leistung der Preisträgerin Jaqueline Durran einen
interessanten Beigeschmack hat.
Das passte gut zu Natalie Portmans subtil-glamouröser Kritik: [1][Sie hatte
sich die Namen verschmähter Regisseurinnen nonchalant auf den Saum ihres
Capes sticken lassen.]
## Brad Pitt schoss in Richtung Trump
Ansonsten lief die bereits zweite moderationsfreie Verleihung mit
resignierter Routine ab – Brad Pitt, der sichtlich gerührte „Beste
Nebendarsteller“ für Quentin Tarantinos „Once Upon a Time in Hollywood“,
schoss in Richtung Trump: „45 Sekunden habe ich für die Dankesrede“, sagte
er, „das sind 45 Sekunden mehr, als der Senat John Bolton diese Woche gab.“
Der „Beste Schauspieler“ Joaquin Phoenix (für „Joker“) mahnte mit erns…
flammenden Worten einen gerechteren Umgang mit der Welt und all ihren
Kreaturen an. Aber selbst [2][Rapper Eminem] verschluckte bei seiner
Performance von „Lose yourself“ das „motherfucking“ vorausschauend lieb…
selbst.
Auch sonst musste man zwischen den Zeilen lesen, um die hinter den Kulissen
schwelende Unzufriedenheit der Kulturindustrie mit der politischen
Situation zu entziffern. Dass mit „American Factory“, ein Dokumentarfilm
über einen chinesischen Autoglashersteller in Ohio, eine Produktion der
Firma von Barack und Michelle Obama gewann, darf man durchaus als Kommentar
der Academy in Richtung Weißes Haus werten.
## Vier Oscars für ein sozialkritisches Drama
Neben den zu Recht prämierten Schauspielerinnen Renée Zellweger und Laura
Dern für die beste Haupt- und Nebenrolle, und der erst dritten weiblichen
Musik-Oscar-Gewinnerin in 87 Jahren, Hildur Guðnadóttir (für ihren
spannungsreichen Streicherscore zu „Joker“), freute sich am Ende vor allem
das Team um Regisseur Bong Joon-ho über die Anerkennung für den
südkoreanischen Film „Parasite“, eine Tragikomödie über eine prekäre
Familie, die sich in einer Reichenvilla einnistet.
Vier Preise erhielt „Parasite“. Neben den Oscars für den „Besten
internationalen Film“, für das „Beste Originaldrehbuch“ und für die „…
Regie“ gestanden die über 6.000 Academy-Mitlieder dem sozialkritischen
Drama auch den Preis für den „Besten Film“ zu. Zum ersten Mal wurde zudem
ein nichtenglischsprachiger Film derartig geehrt. In einem sich politisch
immer mehr abschottenden Land könnte das ein Zeichen sein, dass sich
vielleicht doch etwas ändert. Aber es dauert definitiv zu lange.
10 Feb 2020
## LINKS
[1] /Subtile-Botschaften-bei-den-Oscars/!5662634/
[2] /Musiker-werden-im-US-Wahlkampf-aktiv/!5350255
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Hollywood
Academy Awards
Kino
Nachruf
Schwerpunkt Coronavirus
Bong Joon-ho
Hollywood
Experimentelle Musik
Filmrezension
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zum Tod von Regisseur Carl Reiner: Er war Vorbild im Hintergrund
Trumps Niederlage wollte er unbedingt noch erleben. Jetzt ist der
US-amerikanische Regisseur Carl Reiner, Schöpfer zahlreicher Komödien,
gestorben.
Oscar-Gala 2021 verschoben: Corona lässt die Oscars warten
Die 93. Ausgabe der Filmpreisverleihung soll zwei Monate später als geplant
im April 2021 kommen. Verlängert wurde auch die Frist zum Einreichen von
Filmen.
„Parasite“ bester Film bei Oscars 2020: Bong räumt bei Oscars ab
Als erster nicht englischsprachiger Film gewinnt das Drama „Parasite“ den
Oscar als „Bester Film“. Regisseur Bong Joon-ho bleibt bescheiden.
Subtile Botschaften bei den Oscars: Saumselige Zeremonie
Bei der Oscar-Verleihung geht alles seinen gewohnten männlichen Gang – doch
die Botschaften des Widerstands sind kreativer als viele Filme.
Isländische Cellistin über Filmmusik: „Eigentlich bin ich Performerin“
Die isländische Cellistin Guðnadóttir ist für ihren Soundtrack zu „Joker�…
für den Oscar nominiert. Nun tritt sie beim Berliner CTM Festival auf.
Filmfestival Cannes Cannes Tag 10: Starkstrom bis zum Ende
Der neue Film von Bong Joon-ho könnte nicht harmloser anfangen. Doch er
nimmt eine düstere Wendung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.