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# taz.de -- Zum Tod von Regisseur Carl Reiner: Er war Vorbild im Hintergrund
> Trumps Niederlage wollte er unbedingt noch erleben. Jetzt ist der
> US-amerikanische Regisseur Carl Reiner, Schöpfer zahlreicher Komödien,
> gestorben.
Bild: Carl Reiner war stolz auf seine Sitcom „The Dick Van Dyke Show“, 1963…
Die Rückschau gehört zu den Erfordernissen des Genres Nachruf; fast könnte
man von einem zwingenden Zusammenhang sprechen. Aber Carl Reiner, am 29.
Juni im Alter von 98 gestorben, bringt diese Konvention an ihre Grenzen.
Nicht nur, weil seine großen Erfolge so lange zurückliegen.
Obwohl das auch ein Faktor ist: Heute von der Zeit zu erzählen, als man
Gleichgesinnte daran erkannte, dass sie Dialogzeilen aus „Tote tragen keine
Karos“ zitieren konnten, lässt einen uralt aussehen. „Reinemachefrau!“
(Lacht da wer?) Oder, weniger insiderhaft: „Offiziell gilt sie als
Hypochonder, der Arzt denkt aber, sie simuliert.“ Oder auch: „Was tun Sie
denn da?“ – „Ich richte Ihnen die Brüste. Ihnen wurde schlecht und sie s…
dabei ganz verrutscht.“
Ach, es waren andere, unschuldigere Zeiten! Der Film, eine
Film-noir-Parodie, bei der Reiner Regie führte, deren Drehbuch er schrieb
und die [1][Steve Martins Filmkarriere] begründete, ist von 1982. Da war
der größte Erfolg Carl Reiners, das Werk, auf das er am stolzesten war, 20
Jahre her: 1962 hatte die Ausstrahlung der Sitcom „The Dick Van Dyke Show“
begonnen.
Hierzulande ist die Serie eher unbekannt. Aber es gibt keinen aktiven
amerikanischen Comedian, der sie nicht als wesentlichen Einfluss nennt,
allen voran Jerry Seinfeld, der für seine Webserie vor einigen Jahren mal
Carl Reiner und Mel Brooks bei deren gemeinsamen TV-Abenden besuchte und
daraus ein wunderbares Kurzporträt schnitt.
## Er hielt die Werte von Vernunft und Toleranz hoch
Wenn man es wie gehabt Revue passieren lässt, wirkt das Werk Carl Reiners
also schnell antiquiert, weder die übrigen Steve-Martin-Vehikel („Der Mann
mit den zwei Gehirnen“, „Solo für 2“) noch ein Spätwerk wie „Noch ein…
mit Gefühl“ von 1997 mit Bette Midler haben in der Filmgeschichte tiefe
Spuren hinterlassen. Aber die hochemotionale Messages-Flut, die Twitter
überrollte, nachdem Carls Sohn Rob die Nachricht vom Tod seines Vaters
postete, spricht eine eigene Sprache: Carl Reiner wirkte hinter den
Kulissen, nicht als Strippenzieher, sondern als Vorbild und Mentor.
Die „Straight-Man“-Präsenz, die den Charme seines Comedian-Auftritts
begründete und ihn zum idealen Gegenüber von so quirligen Gag-Talenten wie
Mel Brooks machte, nutzte er, um als Elder Statesman of Entertainment die
Werte von Vernunft und Toleranz hochzuhalten. In seinen Anti-Trump-Tweets
offenbarte er bis zuletzt einen Ernst und Ärger, der ihn als wachen
Staatsbürger auswies.
Trumps Niederlage wollte er unbedingt noch erleben. Dass ihm das nicht
vergönnt war, stimmt genauso traurig wie die Tatsache, dass Mel Brooks
(94), mit dem ihn eine 70-jährige tiefe Freundschaft verband, fürderhin
allein zu Abend essen muss.
1 Jul 2020
## LINKS
[1] /Die-Politik-des-Academy-Awards/!5662650
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Nachruf
Regisseur
Comedian
Hollywood
Judentum
Pop-Kultur
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