# taz.de -- Datenleak in Politik und Kultur: BSI wusste Bescheid, BKA nicht | |
> Das Bundesamt für IT-Sicherheit weiß schon seit Dezember von den | |
> Datenveröffentlichungen. Darüber dürfte sich eine andere | |
> Sicherheitsbehörde wundern. | |
Bild: BSI-Präsident Arne Schönbohm ist in Erklärungsnot | |
BERLIN dpa | Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) | |
hat bereits seit Wochen von den am Freitag bekannt gewordenen | |
[1][Veröffentlichungen persönlicher Daten von Politikern und Prominenten] | |
Kenntnis gehabt. Das Bundeskriminalamt (BKA) hingegen erfuhr nach eigener | |
Darstellung von der Veröffentlichung erst in der Nacht zum Freitag. Dies | |
geht aus einem BKA-Schreiben an alle Bundestagsabgeordneten hervor. Das BSI | |
gerät [2][wegen seines Vorgehens] zunehmend in die Kritik. | |
Der FDP-Digitalpolitiker Manuel Höferlin sagte der dpa, man müsse sich über | |
die Informationspolitik der Behörde wundern. „Das Bundesamt muss seine | |
Vorgehensweise darlegen und kritisch überprüfen.“ Auch Linke-Fraktionschef | |
Dietmar Bartsch reagierte empört: „Angesichts der Dimension dieses | |
Datenklaus ist die Nichtinformation von Partei- und Fraktionsvorsitzenden | |
durch die Behörden völlig inakzeptabel. Gibt es etwas zu verbergen?“ | |
BSI-Präsident Arne Schönbohm [3][sagte dem Fernsehsender „Phoenix“]: „W… | |
haben schon sehr frühzeitig im Dezember mit einzelnen Abgeordneten, die | |
hiervon betroffen waren, dementsprechend gesprochen.“ Es seien auch | |
Gegenmaßnahmen eingeleitet worden. Unter anderem sei ein Spezialteam für | |
Hilfestellungen bei Betroffenen (Mobile Incident Response Team) | |
losgeschickt worden. „Von daher gab es schon frühzeitig bestimmte | |
Aktionen“, sagte Schönbohm. | |
Am Donnerstagabend war bekannt geworden, dass ein Unbekannter über ein | |
Twitter-Konto im Dezember massenweise persönliche Daten veröffentlicht hat, | |
darunter Handynummern und private Chat-Protokolle. Hunderte Politiker im | |
Bund, in den Ländern und in den Kommunen sind betroffen, darunter Kanzlerin | |
Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Auch | |
Daten von Schauspielern und Journalisten wurden veröffentlicht. | |
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums gibt es bisher keine Hinweise | |
darauf, dass Politiker der AfD betroffen sind. Sie wäre damit als einzige | |
im Bundestag vertretene Partei verschont geblieben. Allein von CDU und CSU | |
fanden sich 410 Namen auf der online veröffentlichten Liste. | |
An der Aufklärung sind neben dem Bundesamt für Sicherheit in der | |
Informationstechnik auch Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, | |
Bundesnachrichtendienst und Bundespolizei beteiligt. | |
## „Die Hütte brennt lichterloh“ | |
Das BKA warnte die Abgeordneten in seinem Schreiben: „Es ist in Betracht zu | |
ziehen, dass die betroffenen Personen nicht nur im direkten zeitlichen | |
Zusammenhang Ziel beispielsweise von (anonymen) Beleidigungen und | |
Bedrohungen oder vereinzelt Sachbeschädigungen werden können.“ Die Links zu | |
den Daten seien zwar aktuell nicht mehr zugänglich. „Es ist jedoch davon | |
auszugehen, dass bereits Kopien heruntergeladen wurden und beispielsweise | |
über „WhatsApp“ oder andere offen zugängliche Internetseiten weiter | |
verbreitet worden sind.“ | |
Einer der Hauptbetroffenen der Attacke, der Grünen-Politiker Konstantin von | |
Notz, forderte ein Umdenken in der deutschen Sicherheitspolitik. „Wir | |
brauchen ein stärkeres Bewusstsein, dass diese Frage der IT-Sicherheit für | |
eine Demokratie im Zeitalter der Digitalisierung konstituierend ist“, sagte | |
der Vize-Fraktionschef der Deutschen Presse-Agentur. | |
Obwohl der Staat für digitale Strukturen eine Verantwortung habe, seien die | |
Nutzer selbst auch in der Pflicht, auf Sicherheit zu achten. „Es ist eine | |
gesamtgesellschaftliche Kiste. Wir brauchen eine höhere Sensibilität bei | |
allen, die betroffen sind“, sagte von Notz. „Insgesamt brennt in dem | |
Bereich die Hütte lichterloh.“ | |
Der FDP-Abgeordnete Höferlin sagte der dpa: „Es zeigt sich erneut, dass die | |
Strukturen zur Information der Parlamentarier über Cyber-Gefahren nicht | |
ausreichend sind.“ Der Linke-Abgeordnete André Hahn war ebenfalls empört: | |
„Mich ärgert wahnsinnig, dass ich solche Dinge zum wiederholten Male aus | |
den Medien erfahre – und das, obwohl ich Mitglied im Parlamentarischen | |
Kontrollgremium und im Innenausschuss des Bundestages bin“, sagte der dem | |
Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die Informationspflicht der | |
Bundesregierung gegenüber dem Parlament gilt auch zwischen Weihnachten und | |
Neujahr.“ | |
## Ausbau der Cyberabwehrkapazitäten? | |
Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) kündigte Konsequenzen an. „Wir | |
werden alles daran setzen, den Urheber dieses üblen Angriffs auf die | |
Persönlichkeitsrechte von so vielen Bürgern dingfest zu machen und die dazu | |
genutzten Strukturen unschädlich zu machen“, sagte er der Rheinischen Post. | |
„Wir müssen auch prüfen, ob wir zur Rückverfolgung der Täter technische u… | |
gesetzliche Ermittlungsmöglichkeiten stärken müssen.“ | |
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus rief dazu auf, die Daten nicht zu | |
nutzen. „Ich kann nur an alle appellieren, verantwortungsvoll mit den Daten | |
umzugehen. Damit die, die diese privaten Informationen öffentlich machen, | |
nicht gewinnen“, sagte der CDU-Politiker der Heilbronner Stimme. Aus Sicht | |
seines Stellvertreters Thorsten Frei zeigt der Vorfall, „wie fahrlässig die | |
gesamte Gesellschaft und auch die Wirtschaft mit dem Thema Datensicherheit | |
umgeht“. Während die USA 2017 für die Cyber-Sicherheit rund 20 Milliarden | |
Euro ausgegeben hätten, müsse das deutsche BSI mit einem Etat von rund 110 | |
Millionen Euro auskommen, sagte Frei der Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter | |
Nachrichten, „das steht in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Gefahr.“ | |
Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland mahnte einen Ausbau der | |
Cyberabwehrkapazitäten an. Ziel müsse sein, Angriffe schneller zu entdecken | |
sowie Cyberkriminelle effektiv zu identifizieren und strafrechtlich | |
verfolgen zu können, sagte der Präsident des Cyber-Sicherheitsrats, | |
Hans-Wilhelm Dünn. | |
[4][Laut Recherchen von faz.net], dem Online-Dienst der Frankfurter | |
Allgemeinen Zeitung, ist der Inhaber des mittlerweile gelöschten | |
Twitter-Accounts in der Youtuber-Szene kein Unbekannter. Er habe schon | |
häufiger andere Konten gehackt, berichtete faz.net am Freitag und zitierte | |
einen Betroffenen mit den Worten: „Wir haben das Spiel alle schon mal | |
durch.“ | |
5 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Politiker-Daten-im-Netz-veroeffentlicht/!5559344 | |
[2] https://www.bsi.bund.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Presse2019/Hackerangri… | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=ptFnP9g_d34&feature=youtu.be&t=6 | |
[4] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/opfer-abseits-der-po… | |
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